Gazastreifen: Erste Hilfsgüter erreichen provisorischen Pier
17. Mai 2024Zum ersten Mal sind am Morgen Lastwagen mit Hilfsgütern über eine provisorische Anlegestelle des US-Militärs in den Gazastreifen gefahren. Dabei seien keine amerikanischen Soldaten an Land gegangen, teilt das Zentralkommando der USA auf der Plattform X mit. Es handle sich um eine multinationale Aktion, um der palästinensischen Zivilbevölkerung Hilfe über einen ausschließlich humanitären Seekorridor zu liefern, heißt es weiter. Aus Rumänien sollten noch an diesem Freitag 88.000 Nahrungsmittelkonserven für hilfsbedürftige Palästinenser über den Pier eintreffen, wie die EU-Kommission in Brüssel mitteilte
Die Anlegestelle soll als Drehscheibe für die Lieferung von Hilfsgütern dienen. Im Gazastreifen gab es bislang keinen Hafen, der tief genug für größere Frachtschiffe ist. Nach Pentagon-Angaben sollen über den Hafen zunächst etwa 90 Lastwagen-Ladungen pro Tag in den Gazastreifen gelangen. Zu einem späteren Zeitpunkt erwarte man bis zu 150 Lastwagen-Ladungen täglich.
Hungersnot vermeiden
Mit der Inbetriebnahme des Korridors soll eine Hungersnot im Gazastreifen verhindert werden. Seit Ausbruch des Krieges zwischen Israel und der radikal-islamischem Hamas ist die Versorgung des Gazastreifens auf einen Bruchteil der Lieferungen zu Friedenzeiten geschrumpft. Das Provisorium sei "aufgrund der absolut katastrophalen Bedingungen im Gazastreifen notwendig", sagte eine Vertreterin der US-Behörde für Entwicklungszusammenarbeit, die die Lieferungen koordiniert.
Hilfsorganisationen, die Vereinten Nationen und Verbündete Israels fordern die israelische Regierung seit Wochen auf, mehr Hilfslieferungen in den Gazastreifen zuzulassen. Hunderttausende Menschen sind dort auf die Unterstützung von außen angewiesen. Das israelische Militär erklärte, seine Bemühungen um humanitäre Hilfe fortzusetzen.
Die israelische Armee war in der vergangenen Woche ungeachtet internationaler Kritik in die Stadt Rafah im Süden des Gazastreifens vorgerückt und hatte unter anderem den dortigen Grenzübergang unter ihre Kontrolle gebracht. Ägypten, an dessen Grenze Rafah liegt, weigert sich seither, die Lieferung von Hilfsgütern mit Israel abzustimmen.
Verladung auf kleinere Schiffe
Geplant ist, dass Frachtschiffe Hilfslieferungen von Zypern aus zunächst zu einer schwimmenden Plattform einige Kilometer vor der Küste des Gazastreifens bringen. Die Güter sollen dort auf kleinere Schiffe verladen werden, die näher an die Küste heranfahren und an dem Pier anlegen können. Dort sollen die Güter von Hilfsorganisationen entgegengenommen und verteilt werden.
Hunderte Tonnen an Hilfsgütern stünden auf Schiffen im östlichen Mittelmeer zur Auslieferung bereit, sagte Admiral Brad Cooper vom US-Zentralkommando. "Es handelt sich um eine hundertprozentige humanitäre Mission, und jeder Angriff auf die daran beteiligten Personen ist ein Angriff auf die Hilfe für die Menschen in Gaza", mahnte er.
Nach US-Angaben stammen die gespendeten Lebensmittel und weitere Hilfsgüter von einer Reihe von Ländern und humanitären Organisationen. Die Waren werden vor ihrer Verladung in Zypern von israelischen Kontrolleuren untersucht, müssen aber auch nach der Anlandung im Gazastreifen israelische Kontrollpunkte passieren.
OCHA: Hilfslieferungen über Straßen sind effektiver
Das UN-Nothilfebüro OCHA begrüßte die Lieferungen, wies jedoch darauf hin, dass die Versorgung über Straßen immer noch die effizienteste Art sei, Hilfe in den Gazastreifen zu bringen. Deshalb müssten sämtliche Übergänge geöffnet werden.
Die USA und europäische Partner wie die EU-Kommission, Deutschland und Großbritannien hatten Anfang März einen Seekorridor für Hilfslieferungen im Mittelmeer angekündigt, da Israel seit dem Großangriff der militant-islamistischen Hamas im Oktober kaum Güter in das abgeriegelte Palästinensergebiet lässt. Während die USA im April mit dem Bau einer provisorischen Landungsbrücke begannen, richteten die Europäer ein Logistikzentrum auf Zypern ein.
Der Israel-Hamas-Krieg war am 7. Oktober durch einen Großangriff der palästinensischen Terrororganisation Hamas auf Israel ausgelöst worden. Dabei wurden nach israelischen Angaben 1170 Menschen getötet und 252 als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Als Reaktion geht Israel seitdem massiv militärisch in dem Küstenstreifen vor. Nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, wurden dabei mehr als 35.300 Menschen getötet.
kle/pg/sti (afp, dpa, rtr)