Notizen von Johannes Paul II als Buch erschienen
27. Januar 2014"Ich bin ganz in Gottes Hand. Privatnotizen 1966-2003“, heißt die Publikation. In ihr kommt eine bisher unbekannte Seite des polnischen Papstes Johannes Pauls II. (1920 -2005) zum Vorschein. Das Buch haben der katholische Verlag "Znak“ und das Erzbistum Krakau veröffentlicht. Obwohl das Buch erst am 5. Februar in den Handel kommt, hat es schon viele Kontroversen ausgelöst. Der Papst hatte in seinem letzten Wille bestimmt, dass "alle Privatnotizen verbrannt werden sollen“.
Der Vollstrecker des Testaments sowie langjährige Sekretär und Freund von Johannes Paul II, der heutige Krakauer Kardinal Stanislaw Dziwisz, hat sich jedoch, wie er sagt, "bewusst entschieden", die Schriften vor dem Vergessen zu bewahren und sie zu veröffentlichen. "Das, was wir vernichten mussten, wurde vernichtet. Die anderen Notizen habe ich nicht verbrannt, weil sie den Schlüssel zum Verstehen seines Wesens und seiner Spiritualität bringen und zu dem, was das Innerste des Menschen ist: seine Beziehung zu Gott, anderen Menschen und zu sich selbst" - schreibt Kardinal Dziwisz im Vorwort des Buches.
In den Händen Gottes
Privatnotizen, die Karol Wojtyla 40 Jahre lang führte, dokumentieren sein geistliches Leben und geben Einblicke in die Geheimnisse seiner Seele. Wojtyla als Bischof, dann als Kardinal und schließlich als Papst, machte persönliche Notizen während jeder seiner Exerzitien. In seinem geistigen Tagebuch fasste er meditative Gedanken, berührende Situationen und Gebete zusammen. "Vom Beten die Kraft für die Arbeit nehmen“ – notierte er zum Beispiel an einer Stelle.
In den Notizen fehlen direkte Bezüge zu politischen Ereignissen. Seine Notizen haben einen rein spirituellen Charakter. So betet er zum Beispiel oft zu der heiligen Maria. "Vor kurzem habe ich mich ganz in Marias Händen gefühlt“ - bekennt er. „Ich danke Gott für Jesus Christus und bitte Ihn, dass Er immer mit mir ist, obwohl ich so schwach bin“ - fügt er an einer anderen Stelle hinzu.
"Wir lernen den Papst kennen, der mit seinen Schwächen kämpft und sich dabei die ganze Zeit auf Gott verlässt. Wir sehen den Papst in den engsten Momenten mit Gott“ meint einer der verantwortlichen Redakteure des "Znak"-Verlags. In den Schriften und Aufzeichnungen zeigt sich, wie sich der Papst um seine Freuende und die Kirchenmitarbeiter kümmert. Am deutlichsten kommt jedoch seine Sorge um die Kirche in Polen und weltweit sowie ihre Probleme und Herausforderungen zum Ausdruck. "Alle seine Sorgen und Angelegenheiten sowie auch sich selbst hat er in die Hände Gottes gegeben", stellt Kardinal Dziwisz im Vorwort fest.
Die Schriften wurden unredigiert publiziert. Zwei Hefte des Manuskriptes druckte man auf über 600 Seiten ab. Beim Ablesen des Textes hat ein Vier-Personen-Team von Sprachwissenschaftlern gearbeitet. "Das war die größte Herausforderung der ganzen Publikation", meint einer von ihnen, Artur Czesak: "Man kann merken, wie das Schreiben dem Papst aufgrund von Alter und Krankheit immer schwerer fiel. Um einen Satz zu entziffern, haben wir manchmal einen Tag aufgewandt". Laut der Wissenschaftler ist das Buch ein eindrucksvolles Zeugnis dafür, wie der Papst in seiner Tätigkeit engagiert war und wie er sein Amt verstand. "Er hörte nie auf, zu schreiben, obwohl die Einträge am Ende seines Lebens immer kürzer wurden", betont Artur Czesak.
Lebhafte Diskussion in Polen
Dziwisz's Entscheidung hat in Polen viele erstaunt, auch die katholischen Kreise. "Die Veröffentlichung gegen den Willen des Papstes sei respektlos", heißt es im Internetforum eines katholischen Portals. Auch manche Geistliche halten die Publikation für unangemessen. Auf der Pressekonferenz zum Erscheinen des Buches wies Kardinal Dziwisz alle Vorwürfen zurück und bezeichnete sie als „Überinterpretation“. Der Kardinal betonte, die private Korrespondenz des Papstes sei verbrannt worden. Die publizierten Schriften enthalte lediglich geistige Ansätze und Gedanken. Er fügte hinzu, Johannes Paul habe noch zu seinen Lebzeiten alle Sachen und Angelegenheiten geordnet. Er habe alles, was verbrannt werden sollte, ausgesondert. Dazu hätten die jetzt veröffentlichten Aufzeichnungen nicht gehört.
„Eine wunderbare Lektüre“
Artur Sporniak, der Chefredakteur der katholischen Wochenzeitung „Tygodnik Powszechny“ ist von Dziwisz's Argument überzeugt. "Man darf den Willen von Leuten nicht erfüllen, deren Werke zum Welterbe gehören. Das ist eine wunderbare Lektüre. Wenn wir diese Aufzeichnungen verbrannt hätten, hätten wir ein Zeugnis von unschätzbarem Wert verloren", meint Sporniak, der das Buch schon zum Teil gelesen hat. Seiner Meinung nach zeigt das Werk die wahre Seele des 2005 verstorbenen Papstes.
"Die Notizen geben uns Zeugnis, wie groß der Papst und sein Leben war und wie sich sein Weg zum Heiligen entwickelt hat", fasste Dziwisz zusammen. Ironie der Geschichte: Genau diese Schriften spielen die größte Rolle bei der anstehenden Heiligsprechung durch Papst Franziskus. Mit den Einnahmen beim Verkauf des Buches sollen öffentliche Projekte finanziert werden, darunter der Bau des "Zentrums Johannes Paul" in Krakau. Die Publikation soll bald in andere Sprachen übersetzt werden.