Geheimkontakte mit Rechtsextremisten?
3. April 2014Panagiotis Baltakos war nicht irgendjemand: Der Jurist diente dem griechischen Regierungschef Antonis Samaras als "Generalsekretär der Regierung". Baltakos war so etwas wie ein Stabschef, der die Öffentlichkeit meidet und lieber im Hintergrund agiert. Seit über 20 Jahren begleitet Baltakos den heutigen Premier als Rechts- und Politikberater. Auch in den neunziger Jahren, als sich Samaras gegen die traditionell starken Politikerfamilien Griechenlands auflehnte und eine eigene rechtspopulistische Partei gründete, war Baltakos mit von der Partie.
Von den Enthüllungen am Mittwoch (02.04.2014) war Samaras angeblich selbst überrascht: Ein Videoausschnitt zeigt Baltakos im lockeren, vertrauten Gespräch mit dem Sprecher der rechtsradikalen Partei "Goldene Morgenröte" Ilias Kassidiaris, der wegen "Mitgliedschaft in einer verbrecherischen Organisation" unter Anklage steht. Wann genau die Unterredung stattfand, steht nicht fest.
Der Samaras-Mitarbeiter plaudert im anscheinend heimlich aufgenommenen Gespräch über Interna der Regierung und äußert sich abwertend über den Regierungschef. Nicht minder brisant ist sein Kommentar zum laufenden Strafverfahren gegen die "Goldene Morgenröte": Sowohl Justizminister Charalambos Athanassiou, als auch der Minister für öffentliche Ordnung Nikos Dendias hätten bei der Justiz interveniert, damit die Rechtspartei rechtlich verfolgt wird. Handfeste Beweise für ein Strafdelikt gäbe es eigentlich nicht, behauptet der Jurist Baltakos auf Anfrage von Kassidiaris.
"Wir dürfen nicht vergessen, dass Kassidiaris unter Anklage steht", sagt Politanalyst Dimitris Tsiodras im TV-Sender Skai. Anscheinend hätte der rechtsextreme Politiker seinen Gesprächspartner durch Suggestivfragen zu bestimmten Aussagen drängen wollen, die ihn selbst entlasteten, meint Tsiodras. Ob Kassidiaris sich auf das heimlich aufgenommene Material überhaupt berufen darf, müssten allerdings die Gerichte entscheiden.
Verschwörungstheorien der Rechtsextremen
Seit Monaten stehen die Abgeordneten der "Goldenen Morgenröte" im Visier der Strafverfolger. Auslöser war der Mord an dem Musiker und Linksaktivisten Pavlos Fyssas im September 2013. Nachdem sich der verdächtigte Täter als Mitglied der rechtsextremen Partei ausgegeben hatte, wurden Parteichef Nikos Michaloliakos, Sprecher Ilias Kassidiaris, Chefagitator Christos Pappas und fünf Abgeordnete der Partei festgenommen. Wenige Tage später wurden Kassidiaris und zwei seiner Parteikollegen bis zur Gerichtsverhandlung freigelassen.
Die Veröffentlichung des umstrittenen Videoausschnitts durch Kassidiaris kam nicht von ungefähr: Am Mittwoch (02.04.2014) beschloss das griechische Parlament in geheimer Abstimmung die Immunitätsaufhebung von fünf Abgeordneten der Partei. Unter ihnen: Eleni Zaroulia, Ehefrau des Parteichefs, Nikos Kouzilos, Kandidat für das Bürgermeisteramt der Stadt Piräus bei der anstehenden Kommunalwahl im Mai und Ilias Kassidiaris, dem weitere Strafverfahren drohen.
Sowohl die bereits verhafteten Abgeordneten, als auch der zunächst unter Auflagen freigelassene Kassidiaris beteuern ihre Unschuld und behaupten, hinter der Anklage steckten ausschließlich politische Motive. Die Veröffentlichung des geheim aufgenommenen Gesprächs mit Baltakos sei der vergebliche Versuch von Kassidiaris, diese Verschwörungstheorie wiederaufleben zu lassen, glaubt der Politanalyst Dimitris Tsiodras. "War der Mord an Pavlos Fyssas etwa eine Verschwörung? Waren die Angriffsmilizen oder der Hitlergruß der Rechtsradikalen eine Verschwörung? Waren die Übergriffe auf unschuldige Menschen auch eine Verschwörung? Nein, all das war doch die Realität", empört sich Tsiodras. Es sei immerhin ermutigend, dass sich die Volksvertreter dem Druck nicht beugten und am Mittwochnachmittag mit deutlicher Mehrheit für die Immunitätsaufhebung von Kassidiaris und seinen Parteikollegen stimmten, erläutert der Athener Analyst.
Politisches Nachspiel für Samaras
Nach Informationen der linksliberalen "Zeitung der Redakteure" sind weitere Videoausschnitte im Umlauf, die in den nächsten Tagen veröffentlicht werden könnten. Die Opposition will nach der Baltakos-Affäre den Druck auf die Regierung Samaras erhöhen: Das Problem könne nicht durch den Rücktritt eines einzigen Samaras-Mitarbeiters gelöst werden, der Regierungschef müsse alle rechtsradikalen Elemente in der eigenen Partei ausschalten, forderte der Fraktionssprecher der Linkspartei SYRIZA Panagiotis Lafazanis am Donnerstag (03.04.2014) im griechischen Parlament. Die rechtspopulistische Partei "Unabhängige Griechen" will in den nächsten Tagen sogar einen Misstrauensantrag gegen die Regierung Samaras stellen.
Dagegen sieht Justizminister Charalambos Athanassiou keinen Grund zur Aufregung: Die Behauptung, er selbst habe bei der Justiz interveniert, sei "ein Phantasieprodukt" und "ein Witz" erklärte Athanassiou im TV-Sender Skai. "Seit 40 Jahren diene ich der griechischen Justiz und habe nie Anlass zu derartigen Behauptungen geliefert", sagte der Justizminister und ehemalige Richter. Der Regierungschef habe noch nie bei ihm interveniert, beteuerte Athanassiou. Aus diesem Grund sehe er auch keinen Grund, selbst zurückzutreten - trotz Vorwürfen der Opposition.