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Gelassenheit gegenüber Griechenland

Barbara Wesel 14. Januar 2016

Noch vor dem Jahreswechsel forderten die EU-Finanzminister Tempo von Griechenland bei der Umsetzung der Reformversprechen. Angesichts der vielen anderen Probleme in Europa zeigen sie jetzt aber Geduld.

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Belgien, Gebäude der EU-Kommision in Brüssel (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/I. Kjer

Die gute Botschaft des Tages verkündet Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem eher nebenbei: Der griechische Finanzminister Euklid Tsakalotos habe ihm bestätigt, dass seine Regierung die Beteiligung des Internationalen Währungsfonds am neuen Hilfsprogramm nun doch akzeptiere. Damit sei anerkannt, dass "der IWF Teil des Prozesses sein müsse". Währungsfonds-Chefin Christine Lagarde wolle Regierungschef Alexis Tsipras schon in der nächsten Woche am Rande des Weltwirtschaftsforums in Davos treffen, melden griechische Medien.

Ein Streitpunkt weniger

Wenn Dijsselbloem beim Treffen der Euro-Finanzminister tatsächlich einen Schwenk in der griechischen Politik verkünden konnte, dann wäre ein Streitpunkt im Verhältnis zwischen den Gläubigern und Athen aus der Welt. EU-Währungskommissar Pierre Moscovici hatte zuvor noch im Zeitungsinterview davor gewarnt, den Währungsfonds aus dem weiteren Verfahren auszuschließen: "Ich will, dass der Fonds bei der Griechenlandhilfe an Bord bleibt."

Die griechische Regierung dagegen wäre den IWF gern losgeworden: Er verlangt mehr Zinsen als die toleranten Europäer und gilt als besonders harter Zuchtmeister bei der Einhaltung der Kreditbedingungen. Noch im Dezember hatte Regierungschef Alexis Tsipras erklärt, man wolle ohne den Fonds weiter machen - möglichweise hat Athen jetzt eingesehen, dass man sich mit ihm abfinden muss.

Deutschland, Euklid Tsakalotos mit Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble
Wolfgang Schäuble und sein Kollege Euklid TsakalotosBild: Bundesfinanzministerium

Zäher Fortschritt bei Reformen

Die beiden größten Bremsklötze sind jetzt noch die Rentenreform und der Privatisierungsfonds. Er habe die 150 Seiten auf Griechisch nicht gelesen, sagte ein hoher EU-Diplomat zu dem neuen Rentengesetz; aber nach dem, was er höre, halte er es für ambitioniert. Es habe allerdings schon früher Probleme bei dem Versuch gegeben, die verschiedenen Pensionsfonds zusammen zuführen. Das aber sei eigentlich das Ziel: "Wir wissen noch nicht, ob es das jetzt ist, oder ob weitere Maßnahmen nötig werden." Auf jeden Fall müsse der griechische Haushalt von Rentenzahlungen entlastet und die Nachhaltigkeit der Finanzierung sichergestellt werden.

Das betont auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble: "Wir hoffen auf eine glaubwürdige Rentenreform." Ansonsten gab er sich ungewöhnlich geduldig. Für die Bewertung der Schuldentragfähigkeit Griechenlands müsse man erst die verlangten Reformschritte bewerten. Das werde eher Monate als Wochen dauern, hieß dazu die Prognose von Schäuble. Und über die Schuldentragfähigkeit könne erst danach gesprochen werden. Aber da die Griechen derzeit keinen akuten Finanzbedarf hätten, gebe es keinen großen Druck.

In der kommenden Woche sollen die Vertreter der Gläubiger nach Athen fahren, um mit ihrer Überprüfung zu beginnen. Der Bundesfinanzminister zeigte dabei anders als früher keinerlei Ungeduld. Er habe mit seinem griechischen Kollegen Tsakalotos gesprochen; man sei sich einig, dass alle nötigen Schritte getan werden müssten. "Wir haben jedes Interesse daran, Griechenland auf seinem Weg zu unterstützen."

Athen Demonstration Anti Austerität Sparkurs Regierung
Vielen Griechen ist die Rentenreform ein Dorn im AugeBild: Getty Images/AFP/L. Gouliamaki

Auch Eurogruppenchef Dijsselbloem gab sich ungewohnt geduldig: "Ich muss der griechischen Regierung ein Kompliment machen." Sie habe zugesagt, eine Menge Arbeit gleich am Anfang des Hilfsprogramms zu leisten. Es schien, als hätten beide ihre Verwandlung von Falken zu Tauben verabredet. Die EU hat derzeit so viele Krisen - man will keinen neuen Streit mit Griechenland heraufbeschwören.

Die Aussichten sind ungewiss

Noch Ende des Jahres hatten düstere Prognosen ein Schrumpfen der griechischen Wirtschaft von 0,7 Prozent in diesem Jahr vorhergesagt. Inzwischen kehrt Wirtschaftsminister Giorgos Stathakis den Optimisten hervor und erwartet ein Wachstum von 1,5 Prozent. Dabei setzt er vor allem auf gute Einnahmen aus dem Tourismus. An vielen Ecken aber lauern weiter die alten Probleme: Erst zu Beginn dieser Woche verschickten die Behörden Aufforderungen an die griechischen Inhaber von Schweizer Bankkonten, nachdem sie zuvor entsprechende Unterlagen aus Deutschland bekommen hatten. 3,6 Milliarden Euro sollen allein bei der UBS unter griechischen Namen deponiert sein. Im Land selbst jedoch kommt der Kampf gegen die Steuerhinterziehung kaum voran: Die Zeitung "Ekathemerini" berichtet, dass mehr als die Hälfte der griechischen Unternehmen offiziell nur Verluste verbuche; die Steuerbasis für die Finanzämter sei bei Firmen und Selbständigen in den Keller gefallen - ein Hinweis auf die fortgesetzte Praxis, Einnahmen an der Steuer vorbei zu lotsen.

Sorgen machen auch die knappe Regierungsmehrheit in Athen und angekündigte weitere Proteste gegen die Rentenreform. Die Regierung Tsipras will die Reform durch höhere Beiträge finanzieren, dagegen wollen in den nächsten Tagen nach den Rechtsanwälten und Eisenbahnern auch noch die Beschäftigten im öffentlichen Dienst auf die Straße gehen. Tsipras hat angekündigt, er wolle jetzt mit Neueinstellungen im Gesundheits- und Schulwesen beide Bereiche wieder funktionsfähig machen. Aber noch fehlt den Gläubigern ein Haushaltsentwurf für 2016, der die wahre finanzielle Situation des Landes widerspiegelt.