Gemischte Gefühle bei Gedenkfeier für Terroropfer
19. September 2016Yasmine Mazouk liefen die Tränen über das Gesicht, als sie von ihren drei Verwandten sprach, die bei dem Attentat von Nizza getötet wurden: "Wir sind eine muslimische Familie. Aber das sind Barbaren ohne Glauben und ohne Religion, die solche Taten begehen." Organisiert wurde die Gedenkfeier im Garten des Domes des Invalides in Paris von den Opferverbänden, die sich um Überlebende und Angehörige kümmern. Und weil in den vergangenen zwölf Monaten eine beispiellose Reihe von Anschlägen Frankreich erschütterte und 230 Opfer forderte, waren dieses Mal auch Präsident Francois Hollande, Mitglieder seines Kabinetts und sein konservativer Rivale Nicolas Sarkozy erschienen.
Die Spur des Terrors in Frankreich
Der Gedenktag geht auf den 19. September 1989 zurück, als ein Linienflugzeug von Brazzaville auf dem Weg nach Paris explodierte. Ein Terrorakt, dem damals 54 Franzosen zum Opfer fielen. Aber die Spur des Terrors reiche noch weiter zurück zu dem blutigen Krieg um die Unabhängigkeit Algeriens, führten einige der Redner aus. Manche Historiker sehen in der ungesühnten Brutalität von damals überhaupt den Ursprung des Terrorismus in Frankreich.
Die Liste für die vergangenen zwölf Monate beginnt mit der Attacke auf das Bataclan und die Restaurants in Paris am 13. November, dem folgt am 15. Januar ein Attentat in Ougadougou, Burkina Faso, mit vier toten Franzosen. Am 13. März starben fünf Franzosen in Grand-Bassam, Elfenbeinküste, am 22. März war ein Franzose unter den Opfern der Terroranschläge in Brüssel. Am 21. Mai starb ein französischer Bürger in Gao, Mali, am 13. Juni wurden ein Polizist und eine Frau in Magnanville bei Paris ermordet. Einen Monat später wurden 86 Menschen von dem Lastwagenfahrer auf dem Boulevard des Anglais in Nizza getötet. Und am 26. Juli wurde Pater Hamel in der Kirche von Saint-Etienne-de-Rouvray vor seiner Gemeinde von einem islamistischen Täter ermordet. Eine Kette von Anschlägen und Morden, von denen einige schon wieder aus dem Gedächtnis der Öffentlichkeit verschwunden sind. Sie sollen nicht vergessen sein, betonen die Veranstalter: Deswegen werden in jedem Jahr die Namen aller Opfer verlesen.
Im Hintergrund steht Streit
Ungefähr tausend Angehörige und Überlebende waren eingeladen - nur rund zweihundert waren gekommen. Das liegt vor allem an einem Streit zwischen den verschiedenen Opferverbänden und jenen Familien, die sich ihnen nicht angeschlossen haben. Anais, die Schwester eines Bataclan-Terroropfers, empörte sich in der französischen Presse: "Unsere Mutter hat von dem Termin aus der Zeitung erfahren." Sie sei wütend, weil die Verbände vorgeben, im Namen aller zu sprechen. Andere kritisierten, dass es keine staatliche Unterstützung für diejenigen gab, die aus der Provinz nach Paris hätten reisen müssen.
Präsident Francois Hollande zeigte sich in seiner kurzen Rede emotionaler als in der Vergangenheit: "Sie waren Unschuldige, die niemanden hassten, aber vom Hass ermordet wurden." Er versprach auch, die finanzielle Entschädigung der Opfer zu verbessern. Künftig soll neben physischen Schäden auch das seelische Trauma berücksichtigt werden. Gerade aus Nizza berichten Psychologen von zahlreichen Kindern, die den Anschlag miterlebten und noch jahrelang Hilfe bei seiner Verarbeitung brauchen würden.
Keine Medaillen, bitte
Auf Widerstand stieß bei vielen Angehörigen die Ehrenmedaille, die der Staat den Opfern verliehen hat. Die Großväter hätten Orden für ihre Teilnahme am Ersten Weltkrieg bekommen, aber: "Mein Bruder hat ein Glas mit seinen Freunden getrunken (und ist dabei gestorben), er war nicht im Einsatz in Afghanistan", sagte Anais.
Andere waren zufrieden mit dem Gedenkakt: Marc Moogalion war am 21. August 2015 an Bord, als ein Täter versuchte, die Passagiere des Zuges Amsterdam-Paris mit einer Maschinenpistole zu erschießen. US-Soldaten konnten das Attentat verhindern, Marc wurde von einem Querschläger getroffen. "Mich hat die Gedenkfeier sehr bewegt. Vor allem das Verlesen der Namen, das ist immer eine Seele, die nicht mehr bei uns ist," sagt er nach dem Gedankakt in Paris. "Ich glaube es hilft, sich jedes Jahr an alle zu erinnern, die gestorben sind."