Nominierung von der Leyens löst Zwietracht aus
3. Juli 2019Ginge es nach den baltischen Staaten und Polen, hieße die kommende EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Die Regierung von Estland, Lettland und Litauen äußerten ihre Unterstützung für die CDU-Politikerin. Betont wurde dabei vor allem ihre pro-europäische Haltung und ihre Rolle als deutsche Verteidungsministerin. Von der Leyen hatte sich stets für die Sicherheit der drei EU- und NATO-Staaten im Nordosten eingesetzt.
Unterstützung kommt auch aus Polen. "Ich denke, das ist eine gute Wahl", urteilte Polens Außenminister Jacek Czaputowicz. Von der Leyen sei eine erfahrene Politikerin und sehr konziliante Person, die positive Emotionen wecke und umgänglich sei, so Czaputowicz über die Politikerin. Zuvor hatte Polen zusammen mit den Partnern der Visegrad-Gruppe, Ungarn, Tschechien und der Slowakei, die Kandidatur des niederländischen Sozialdemokraten Frans Timmermans für das Amt des Kommissionspräsidenten entschieden abgelehnt.
Enttäuschung bei SPD und Grünen
Heftiger Gegenwind kommt dagegen aus Deutschland. Die Grünen-Spitzenkandidatin für das Europaparlament, Ska Keller, lehnt den Vorschlag der Staats- und Regierungschefs ab. "Aus unserer Sicht kann das nicht angehen, dass das Parlament sich einfach jemand vor die Nase setzen lässt", sagte Keller im ZDF.
Auch die Spitzenkandidatin der SPD, Katarina Barley, lehnt von der Leyen als Kommissionspräsidentin ab. "Zumindest in meiner Fraktion werden viele gegen diesen Vorschlag stimmen", erklärte sie im ZDF-Interview. Die deutsche Ministerin sei in Europa kaum bekannt.
Zu einer Frage über Leben und Tod der Großen Koalition in Berlin macht der frühere SPD-Chef Sigmar Gabriel die Nominierung von der Leyens. "Wenn Merkel von der Leyen ohne Kabinettsbeschluss benennt, ist das ein klarer Verstoß gegen die Regeln der Bundesregierung - und ein Grund, die Regierung zu verlassen", zitierte "Spiegel online" den ehemaligen Außenminister.
Die in Hinterzimmern getroffene Entscheidung für von der Leyen sei ein "beispielloser Akt der politischen Trickserei", so Gabriel weiter. Demnach hätte die Bundesverteidigungsministerin erst von Deutschland als EU-Kommissarin benannt werden müssen.
"Kompromiss für Europa"
CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer wies diese Kritik zurück und appellierte an die SPD, größer zu denken. Die Einigung des EU-Gipfels vom Dienstag auf ein Gesamtpaket sei "ein gutes Signal für die Handlungsfähigkeit in Europa", so Kramp-Karrenbauer gegenüber der Deutschen Presse-Agentur.
Zuvor hatte bereits Frankreichs Präsident Emmanuel Macron an die SPD appelliert, ihrer Verantwortung gerecht zu werden und dem Personalpaket des EU-Rates zuzustimmen. Die Parteienfamilien sollten darauf hinwirken, dass ihre Abgeordneten im europäischen Parlament dem Paket zustimmen, sagte er nach dem Marathon-Gipfel am Dienstagabend. Wer dies nicht tue, sei nicht solidarisch mit den Kollegen der anderen Parteien.
Ursprünglich hätten entweder der deutschen EVP-Spitzenkandidat Manfred Weber, dessen Parteienfamilie die meisten Stimmen bei der Europawahl erhielt, oder sein sozialdemokratischer Konkurrent, der Niederländer Frans Timmermans, Kommissionschef werden sollen. Weder das Parlament selbst, noch der Rat der Staats- und Regierungschefs konnten sich aber auf einen der beiden Politiker verständigen, sodass letztendlich ein Kompromiss geschlossen werden musste.
Dieser sieht vor, dass der liberale Belgier Charles Michel Ratschef werden soll. Die Chefin des Internationalen Währungsfonds IWF, Christine Lagarde, wurde als Präsidentin der Europäischen Zentralbank EZB vorgeschlagen. Der spanische Außenminister Josep Borrell soll EU-Außenbeauftragter werden und von der Leyen der EU-Kommission vorstehen.
Deren Wahlkampf begann direkt am Mittwochnachmittag. Von der Leyen richtete sich einen neuen Twitter-Account ein, auf dem sie sich als "European by heart" präsentierte - als eine "Europäerin von Herzen". Kurz darauf reiste sie nach Straßburg, um im Europaparlament um Zustimmung zu werben.
Dort sitzen die Menschen, die über von der Leyens Zukunft entscheiden, denn bisher ist die CDU-Politikerin nur von den Staats- und Regierungschefs der EU nominiert worden. Um den EU-Chefposten übernehmen zu können, braucht sie die Unterstützung des Parlaments. Diese Wahl könnte in der Woche ab dem 15. Juli über die Bühne gehen. Sollte das Parlament von der Leyen nicht wählen, müssen die Staats- und Regierungschefs einen neuen Vorschlag unterbreiten.
djo/as (afp, dpa, rtr)