Gene vergessen nicht
24. Februar 2003"Seit es bei Dolly, dem Schaf, geklappt hat, ist klar, dass das Klonen durch Zelltransfer auch bei Säugetieren funktioniert", erklärt Horsthemke, Professor für Humangenetik an der Universität Essen, im Interview mit DW-WORLD. Er sieht aber eine Menge medizinischer Probleme, kurz gesagt: "Es klappt – aber es klappt schlecht. Und man weiß nicht genau, warum."
Gehirnwäsche für die Zelle
Beim reproduktiven Klonen, das die Geburt eines Menschen zum Ziel hat, wird einer Zelle der ursprüngliche Kern entrissen. Dann kommt ein neuer hinein – von dem Lebewesen, das geklont werden soll. Die Schwierigkeit liegt darin, dass der neue Zellkern umprogrammiert werden muss. "In jeder Zelle ist nur ein spezifischer Satz der Gene aktiv, die anderen sind abgeschaltet", erklärt Horsthemke. Denn jede Zelle habe eine eigene Aufgabe, als Hautzelle oder in einer Schleimhaut oder sonstwo. Die unbenutzten Gene liegen herum.
Aber damit ein neues Lebewesen daraus wird, muss die Zelle wieder alles können. "Totipotenz" nennt das der Fachmann. "Der Kern muss auf Null zurückgedreht werden", sagt Horsthemke – das heißt: Man muss alle Gene wieder einschalten. Damit vergisst der Zellkern, dass er eigentlich zur Haut gehört. Oder zur Niere. Die größten Chancen, sagt Horsthemke, gebe es bei Rindern: "Etwa zehn Prozent. Bei Mäusen geht es am schlechtesten." Warum? "Man weiß es nicht genau."
Hundertfache Strapaze
Ein weiteres Problem: Wegen der schlechten Erfolgsaussichten bräuchte man extrem viele Eizellen. "Die Frau müsste hormonell stimuliert werden, sie produziert ja normalerweise nur eine Eizelle im Monat", erklärt der Genetik-Experte. Zwar würde man bei der bisherigen künstlichen Befruchtung auch Hormone einsetzen, "dann kann man vielleicht zehn Eizellen entnehmen". Aber fürs Klonen brauche man Hunderte. "Man würde die Frau einer ganz schlimmen Strapaze aussetzen", warnt Horsthemke.
Und das nur, damit aus fünf von hundert Eizellen geklonte Embryos werden können. Dass auch nur einer von ihnen zu einem gesunden Kind heranwächst, ist dann längst nicht sicher. Wahrscheinlich wäre er übergroß, erläutert der Professor. "Geklonte Kälber wiegen nicht 20, sondern 40, 50 Kilogramm. Das ist ein häufiges Problem." Außerdem komme es bei Klon-Kälbern nie zu einer spontanen Geburt, "man muss sie per Kaiserschnitt holen".
Klone sind selten Kern-gesund
Hinzu kämen sehr wahrscheinlich innere Fehlentwicklungen wie Muskeldefekte oder Lungenfehler, weshalb viele Klontiere vor oder kurz nach der Geburt sterben. Woher die Fehlbildungen kommen, darüber werde diskutiert – es habe alles etwas damit zu tun, dass man eine erwachsene Zelle verwende. Horsthemke nennt mehrere Möglichkeiten – zum Beispiel Mutationen, die nicht auffielen, weil die betroffenen Gene ja normalerweise abgeschaltet wären. Oder dass einige Gene nur arbeiten, wenn sie auf dem mütterlichen (oder väterlichen) Chromosom liegen - dann kann man sie nicht einfach in eine andere Zelle einbauen. Oder dass die Enden der Chromosomen (die Telomere) bei Klonlebewesen kürzer werden und das Erbmaterial dadurch instabil wird.
Angesichts all dieser medizinischen und ethischen Probleme gibt es für Horsthemke nur eine Konsequenz: Man müsse auf das Klonen von Menschen verzichten. "Es gibt aus medizinischer Sicht einfach keinen Grund, Menschen zu klonen."