"Genesis" in freiem Fall
9. September 2004
Die an eine fliegende Untertasse erinnernde Sonde sei mit einer Geschwindigkeit von 309 Stundenkilometern in den Wüstensand geprallt, denn die Fallschirme, die den Flug der Sonde zur Erde abbremsen sollten, hätten sich nicht geöffnet, erklärte die NASA. Jetzt werde es Tage, vielleicht Wochen dauern, bevor klar sei, inwieweit das außergewöhnliche Material und die Instrumente im Innern der Kapsel Schaden genommen haben. "Wir wissen nicht, in welchem Zustand die Kollektoren sind", sagte der zuständige NASA-Direktor Andre Dantzer.
Für Rettungsversuch zu schnell
Nach Plan hätten sich an der Kapsel in 33 Kilometern Höhe Fallschirme öffnen müssen, um den Fall abzubremsen. In etwa 1200 Metern Höhe sollte der Hollywood-Hubschrauber-Stuntpilot Dan Rudert die Kapsel dann mit einem Haken einfangen. Probeläufe mit einer Attrappe hatten in den vergangenen Monaten ausnahmslos geklappt.
"Die Kapsel war für einen solchen Aufprall nicht ausgerichtet", sagte Chris Jones vom JPL-Labor in Pasadena (Kalifornien) sichtlich enttäuscht im NASA-Fernsehen. Jones war am US-Stützpunkt Dugway Proving Ground südwestlich von Salt Lake City, nahe des Ortes gewesen, wo die Kapsel eigentlich in der Luft hätte aufgefangen werden sollen.
Auf Fotos war zu sehen, dass die am Boden liegende Kapsel große Risse hatte oder gar gebrochen war. Die rund 210 Kilogramm schwere Kapsel hatte sich bei dem Aufprall tief in den Sand gebohrt. Eine Bergung war zunächst nicht möglich, weil Experten eine Explosion des fehlerhaften Fallschirmmechanismus' fürchteten. NASA-Wissenschaftler nahmen die Absturzstelle aus der Distanz in Augenschein. "Die Kapsel ist schwer beschädigt. (...) Wir werden sehen, ob wir den wissenschaftlichen Inhalt aus den Trümmern wieder erlangen können", so Jones.
Teurer Absturz
"Genesis" war im August 2001 gestartet. Die 494 Kilogramm schwere Sonde hatte drei Jahre im All verbracht und 32 Millionen Kilometer zurückgelegt, um den Staub zu sammeln. Sie platzierte sich auf dem so genannten Lagrange-Punkt 1, wo sich die Anziehungskraft von Erde und Sonne genau die Waage halten. Dort sammelte sie etwa 10 bis 20 Mikrogramm Sonnenwindpartikel ein.
Die Teilchen sollen den Forschern zeigen, wie der Sonnennebel zusammengesetzt ist, aus dem Planeten, Asteroide, Kometen und die heutige Sonne entstanden sind. Es wäre das erste außerirdische Material, das je außerhalb unserer Mondumlaufbahn gesammelt und zur Erde gebracht worden wäre. Laut NASA blieb zunächst unklar, ob der Sonnenstaub gerettet werden könne. Man erwarte ohnehin nur noch eine Ausbeute von wenigen Milligramm, "wie ein paar Salzkörner", hieß es. Die Mission hatte insgesamt mehr als 260 Millionen Dollar (214 Millionen Euro) gekostet.
Auch "Stardust" könnte vom Himmel fallen
In der Weltraumforschung, die immer neue wissenschaftliche Grenzen durchstößt, sind Fehlschläge vorprogrammiert. 1999
verglühte der "Mars Climate Orbiter" in der Marsatmosphäre, weil bei der Programmierung metrische und imperiale Maßeinheiten verwechselt worden waren. Der "Mars Polar Lander" zerschellte kurz darauf wegen eines Programmierfehlers auf dem roten Planeten.
Sieben weitere Sonden sind noch auf Entdeckungsreise im Sonnensystem, darunter "Ulysses" und "Soho", die die NASA mit der europäischen Weltraumagentur ESA gestartet hat. Das größte Kopfzerbrechen dürfte der NASA zur Zeit allerdings eine weitere Sonde machen, die mit Partikeln vom Kometen Wild 2 auf dem Weg zurück zur Erde ist. Die "Stardust"-Sonde soll Anfang 2006 landen - wie die Genesis-Kapsel am Fallschirm. Sie ist mit einem ganz ähnlichen Landemechanismus ausgestattet.
(arn/reh)