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Gibt es mehr Ladendiebstähle wegen der hohen Inflation?

Gregor Lischka
5. Oktober 2023

Ladendiebstähle in den USA und Großbritannien nehmen nach Angaben der Handelsunternehmen drastisch zu. Wie ist es in Deutschland - befeuert die Inflation nicht nur die Preise, sondern auch die Ladendiebstähle?

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Eine Frau steckt Erdbeeren in eine Tasche
Grundnahrungsmittel werden zur Zeit besonders häufig geklautBild: Robert Kneschke/Zoonar/picture alliance

In manchen Läden werden selbst abgepackter Käse und Steaks schon mit Sicherheitsmagneten versehen, Kaffeepackungen in den Auslageflächen mit leeren Attrappen ausgetauscht: Nach Angaben britischer und US-amerikanischer Einzelhandelsverbände- und Unternehmen geht die Zahl der Ladendiebstähle durch die Decke. Ein möglicher Zusammenhang, der in den Debatten rund um Ladendiebstähle immer wieder genannt wird:  Die cost of living crisis - also die Krise der hohen Lebenshaltungskosten, mit der viele Bürgerinnen und Bürger konfrontiert seien.

Vor Ladendiebstahl wird gewarnt - hier an einem Geschäft in Erfurt (Thüringen)
Vor Ladendiebstahl wird gewarnt - hier an einem Geschäft in Erfurt (Thüringen) Bild: Martin Schutt/dpa/picture alliance

Der Finanzvorstand des Handelsunternehmen Associated British Foods, Eoin Tonge, äußert gegenüber der britischen Boulevardzeitung The Sun die Vermutung, die Inflation und die steigenden Preise hätten vielen Leuten eine Ausrede geschaffen, zu klauen, was sie wollen. Die Chefin der britischen Kaufhauskette John Lewis spricht gegenüber der BBC gar von einer "Ladendiebstahl-Epidemie".

Treibt die Inflation Ladendiebstähle an?

Frank Horst vom EHI Retail Institute, einem Forschungsinstitut der Handelsunternehmen in Deutschland, beobachtet die Lage in Deutschland: "In Deutschland sind 2022 die Diebstahlzahlen im Vergleich zum Vorjahr enorm angestiegen." Alljährlich vergleicht das EHI den Soll- mit dem Ist-Zustand in den Beständen der Läden. In diesem Sommer hat es eine Studie vorgestellt, die das Inflationsjahr 2022 abbildet: Im Vergleich zum Vorjahr stellten sie einen Anstieg von zwölf Prozent bei den Verlusten im Bestand der Läden fest - ein Anstieg von 30 Prozent bei den angezeigten Ladendiebstählen.

Folgt daraus, dass die Inflation aktuell nicht nur die Preise, sondern auch die Ladendiebstahldelikte treibt? Nein, sagt Frank Horst. Durch die Kontaktbeschränkungsmaßnahmen während der Corona-Pandemie sei es in den Jahren 2020 und 2021 zu einer Art künstlichen Rückgang bei den Diebstahlzahlen gekommen: Viele Läden hatten gar nicht geöffnet, Diebstähle waren gar nicht möglich. Seine Interpretation der im Jahr 2022 gestiegenen Zahlen: "Was sich im ersten Moment dramatisch anhört, ist in Wirklichkeit nur eine Rückkehr zur Normalität."

Natürlich ist es durchaus vorstellbar, dass die hartnäckige Inflation erst im Laufe der Zeit mehr Leute dazu treibt, Produkte zu klauen, statt sie teuer zu kaufen. So ein Effekt würde sich dann spätestens in der Studie im nächsten Jahr bemerkbar machen. Dann kann Frank Horst vom EHI Retail Institute bestimmen, ob die Häufigkeit der Ladendiebstähle im Jahr 2023 in Deutschland tatsächlich weiter zugenommen hat.

Keine Beweise für eine Zunahme in Krisenzeiten

Horst ist da allerdings skeptisch. Er beobachtet die Statistik von Ladendiebstählen schon seit 20 Jahren. "In der Finanzkrise, der Flüchtlingskrise oder auch in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit - in all diesen Krisenzeiten hat man auch immer gesagt, das seien Faktoren, die den Ladendiebstahl stark begünstigen. Letztendlich hat man rückwirkend betrachtet aber nie starke Effekte feststellen können."

Was ist Inflation?

Ökonomisch schwierige Zeiten führen also nicht automatisch zu häufigeren Ladendiebstählen. Es gäbe aber laut Horst in Deutschland aber erste Hinweise darauf, dass die Inflation nicht unbedingt die Häufigkeit, dafür aber das Verhalten bei Ladendiebstählen beeinflusst: "Aktuell ist es schon so, dass gerade im Lebensmittelhandel eine Veränderung der Diebstähle festgestellt wird: Dass also verstärkt Produkte geklaut werden, die früher nicht so im Fokus standen."

Er verweist auf Käse, Fleisch- und Wurstwaren, aber auch Butter. "Da ist es schon so, dass man davon ausgehen kann, dass das auch etwas mit der Inflation und den Preissteigerungen bei diesen Produkten zu tun hat. Dass also mehr Leute diese Produkte klauen, statt sie zu kaufen."

Frank Horst vermutet daher, dass sich das Verhalten bei Diebstählen ändert. Dass Menschen durch die Inflation also nicht generell mehr, sondern anders klauen. Das neue Ziel: Grundnahrungsmittel.

Ein Schild mit der Aufschrift "Unsere Ware ist videoüberwacht! Jeder Diebstahl wird zur Anzeige gebracht." in einem Bekleidungsgeschäft
Mit Videoüberwachung gegen den Ladendiebstahl Bild: Martin Schutt/dpa/picture alliance

Supermärkte in Großbritannien, USA reagieren bereits

Die Lage in Großbritannien und den USA ist natürlich nicht eins zu eins mit Deutschland vergleichbar. Zu viele unterschiedliche Faktoren spielen in den verschiedenen Ländern eine Rolle. In den USA gibt es beispielsweise ein großes Problem mit der Drogenkriminalität - organisierte Banden rauben ganze Apotheken und Drogerien aus, um an Medikamente zu kommen.

Die Supermärkte und Einzelhandelsläden in Großbritannien und den USA wollen jetzt jedenfalls aufrüsten: Mehr Videoüberwachung, kostenloser Kaffee für Polizisten und Ordnungshüter, Bodycams und Security-Checks. Das alles kostet die Unternehmen natürlich viel Geld. Und könnten die Waren für die Kunden am Ende noch teurer machen.