Klimarettung im Schatten des Terrors
27. November 2015Um nichts weniger als die "Zukunft des Planeten" gehe es auf der Klimakonferenz, so der französische Präsident François Hollande. Deswegen werde sie nicht nur stattfinden, sondern auch ein "Zeichen der Hoffnung und der Solidarität" setzen, betonte Hollande nach den Anschlägen vom 13. November. Und so werden am Montag wie geplant rund 100 Staats- und Regierungschefs zum Auftakt der 21. Weltklimakonferenz erwartet - darunter US-Präsident Barack Obama, der russische Präsident Wladimir Putin und der chinesische Präsident Xi Jinping.
Ziel der Konferenz ist ein Abkommen, in dem sich alle Länder verpflichten, ihre klimaschädlichen Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Bislang gibt es allein das sogenannte Kyoto-Protokoll von 1997. Das aber umfasst Minderungszusagen ausschließlich von einigen Industrieländern. Mittlerweile sind die aber zusammen für nicht einmal mehr 15 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich. Zudem: Das Kyoto-Protokoll läuft im Jahr 2020 aus.
Optimismus für neuen Anlauf
In Paris wird nun ein weiterer Anlauf für ein neues und globales Abkommen genommen, das 2020 in Kraft treten soll. Vor sechs Jahren noch war der Klimagipfel in Kopenhagen an diesem Vorhaben gescheitert. Doch für Paris sind langjährige Beobachter des Prozesses wie Christoph Bals optimistisch.
"Der politische Willen ist deutlich größer als in Kopenhagen", sagte der politische Geschäftsführer der NGO Germanwatch im Gespräch mit der DW. "Zweitens ist der Verhandlungsprozess weiter fortgeschritten, als vor Kopenhagen. Und drittens: Die reale Entwicklung in der Welt ist wesentlich positiver als vor Kopenhagen. So hatten wir im letzten Jahr die Situation, dass die energiebedingten Treibhausgas-Emissionen weltweit nicht gestiegen sind, obwohl wir ein starkes Wirtschaftswachstum hatten."
Zweigradziel wird verfehlt
Doch selbst wenn die Staaten sich tatsächlich auf ein Abkommen einigen. Bereits jetzt ist klar: Das Ziel, die globale Erwärmung bis zum Ende des Jahrhunderts auf zwei Grad Celsius im Vergleich zur Temperatur vor Beginn der Industrialisierung zu begrenzen, wird verfehlt. Dieses Ziel hatte sich die internationale Gemeinschaft 2010 auf dem Klimagipfel im mexikanischen Cancún gesetzt.
Die Folgen einer Erderwärmung um höchstens zwei Grad gelten als gerade noch beherrschbar. Zugleich warnt der Physiker Anders Levermann vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung: "Das Risiko für das Kippen von Systemen steigt mit der Temperatur an. Wenn wir so weitermachen wie bisher, bekommen wir eine Erwärmung von 5 Grad bis zum Ende des Jahrhunderts. Dann verlieren wir die meisten Gebirgsgletscher. Das arktische Meereis ist weg. Die Korallen, an denen 600 Millionen Menschen weltweit mit ihrem Lebensunterhalt hängen, sterben. "
Im Vorfeld der Pariser Klimakonferenz hat die überwiegende Mehrheit der an diesem UN-Prozess beteiligten Staaten Pläne vorgelegt, in welchem Umfang sie den Ausstoß von Treibhausgasen zurückfahren wollen. Doch Berechnungen der UN zeigen: selbst wenn alle geplanten Maßnahmen tatsächlich umgesetzt würden, steigt die Temperatur bis zum Ende des Jahrhunderts um etwa 2,7 Grad.
Nachbesserung nötig – und von einigen gewünscht
Deshalb fordern einige Staaten, Paris müsse einen Prozess festlegen, innerhalb dessen die Klimaschutzziele alle fünf Jahre nachgebessert werden. Hier erwartet der deutsche Chefunterhändler Karsten Sach harte Verhandlungen. "Die große Frage ist, wann dies zum ersten Mal geschehen soll", erläutert Sach der DW. "Viele Staaten haben sich - der besseren Planbarkeit willen - Klimaziele bis 2030 gesetzt. Da wir aber noch nicht auf einem Kurs sind, mit dem wir die Obergrenze von zwei Grad einhalten, fordern wir als Europäische Union die erste Überprüfung bereits vor dem Jahr 2020." Sach ergänzt, "einige große Staaten" seien anderer Ansicht.
Strittig ist auch welche Regeln für diesen dynamischen Prozess zur Nachbesserung der Klimaschutzziele gelten sollen. Germanwatch Geschäftsführer Bals weist auf ein Problem hin: Unterschiedliche Berechnungsgrundlagen. "Die einen Länder beziehen ihre Wälder in die Berechnungen mit ein, die anderen tun dies nicht", erklärt Bals "Die Länder haben auch unterschiedliche Emissionsfaktoren für unterschiedliche fossile Energieträger."
Mit der Forderung nach mehr Transparenz werden die Unterhändler der EU allerdings auf Widerstand stoßen - nicht zuletzt aus den Reihen großer Schwellenländer. "China und Indien sind nicht gerade die größten Freunde von Transparenz und Rechenschaftspflichten", analysiert die Referentin für Klimapolitik bei dem evangelischen Hilfswerk "Brot für die Welt", Sabine Minninger.
Entwicklungsländer fordern Bekenntnis zu Finanzierung
Für die ärmsten Länder, die in der Gruppe der am wenigsten entwickelten Länder zusammengeschlossen sind, stehen ebenso wie für die kleinen Inselstaaten ganz andere Themen im Vordergrund. "Das ist zum Beispiel das Thema Klimafinanzierung nach 2020" sagt Minninger, "ebenso die Frage, wie man zukünftig mit klimabedingten Schäden und Verlusten umgeht."
"Klimafinanzierung" bedeutet: Die Industrieländer unterstützen ärmere Länder dabei, ihre wirtschaftliche Entwicklung möglichst kohlenstoffarm zu gestalten. Außerdem soll es Hilfe für die Anpassung an den Klimawandel geben – etwa für den Schutz der Küsten. Theoretisch sollten dafür 100 Milliarden US-Dollar jährlich bis zum Jahr 2020 zur Verfügung stehen. Das hatte die Klimakonferenz in Cancun beschlossen.
Doch Aktivisten bemängeln, die Finanzzusagen von Cancún würden weder klar benennen, welche Länder wie viel Geld aufbringen sollen. Noch würden sie aufzeigen, wie die Klimafinanzierung über die Jahre auf die zugesagten 100 Milliarden Dollar anwächst. Nach dem Willen der Entwicklungsländer soll das in einem Abkommen von Paris für die Zeit ab 2020 anders aussehen.
Auch um Formulierungen zu den sogenannten klimabedingten Schäden und Verlusten, zu englisch "loss and damage", wird in den Pariser Verhandlungen wohl hart gerungen werden. Ein erster Textentwurf für ein zukünftiges Abkommen hatte dieses insbesondere für arme Länder wie Bangladesch und kleine Inselstaaten wie Kiribati zentrale Thema mit keinem Wort erwähnt. Bei Vorverhandlungen in Bonn hatten sich erstmals sämtliche Schwellen- und Entwicklungsländer hinter die am wenigsten entwickelten Länder und die Gruppe der kleinen Inselstaaten gestellt: Ein entsprechender Absatz wurde eingefügt.
Große Allianzen für die große Wende?
Auch bei der Klimakonferenz in Paris wird über jedes Wort diskutiert werden. Damit am Ende die über 190 Teilnehmerstaaten einem Klimaabkommen zustimmen, werden Allianzen geschmiedet werden müssen. So ist es vorstellbar, dass sich die EU den Forderungen der kleinen Inselstaaten anschließt, damit diese ihrerseits die EU in anderen Fragen unterstützen.
Nur eine große Allianz könne den Widerstand der ölexportierenden Länder ausräumen, erwartet Christoph Bals. Denn die hätten am meisten beim Kernthema von Paris zu verlieren: Dem Übergang zu einer kohlenstoffarmen oder sogar kohlenstofffreien Weltwirtschaft. Die französische Botschafterin der Klimakonferenz immerhin erlaubt sich gedämpften Optimismus. Bérengère Quincy sagt: "Paris kann nicht alle Fehler beheben, aber Paris kann ein Wendepunkt sein."