Viel Glamour bei der ECHO Klassik-Show
19. Oktober 2015Die Fernsehübertragung im ZDF - dem Sender, bei dem man eher Shows mit volkstümlicher Musik erwartet - war betont unterhaltsam im Stil, wenn auch die Anstrengung, so zu sein, evident war. Mit hölzernen und altbackenen Dialogen führte die Berufsmoderatorin Nina Eichinger und der Startenor Rolando Villazón durch den Sonntagabend im Konzerthaus Berlin. Viele Kameraschwenks zeigten ein festlich gekleidetes Publikum mit etwas zu strahlenden Gesichtern. Geradezu peinlich war der Smalltalk um die Abendgarderobe zwischen Villazón, dem Tenor Jonas Kaufmann und Thomas Gottschalk, einem weiteren deutschen Berufsmoderator.
Die Gala bot aber auch reizvolle musikalische Einsätze, angeführt von Jonas Kaufmann, für den Gottschalk lobende Worte fand: "Die Opernwelt hat derzeit nichts besseres zu bieten als ihn." Mit seiner maskulinen, dunkel gefärbten Tenorstimme sang Kaufmann eine Arie aus Puccinis Tosca und konnte zumindest für den Augenblick den Satz untermauern.
Dass Kaufmann seinen dritten oder vierten ECHO Klassik (nach eigener Auskunft wusste er es nicht so genau) entgegen nehmen konnte, lag zu keinem geringen Anteil daran, dass eine seiner CDs auch die Popcharts anführte. Bei den Jurys der Deutschen Phono-Akademie - des Kulturinstituts des Bundesverbandes Musikindustrie (BVMI) - zählen Verkaufserfolge.
Lang Lang spielt nur kurz
Kaufmanns ECHO-Laufbahn verblasst jedoch im Vergleich zu dem des chinesischen Pianisten Lang Lang, der am Abend seine achten und neunten ECHOs entgegennahm: einmal als Instrumentalist des Jahres im Fach Klavier, einmal für die Lang Lang International Music Foundation zur Nachwuchsförderung. In seiner Laudatio erklärte der deutsche Fernsehmoderator Johannes B. Kerner: "Allein wegen Lang Lang haben Millionen Kinder in China Klavier gelernt." Der Megastar, der sein Können nicht mehr beweisen muss, gab dann am Abend zarte, kleine Klavierstücke von Tschaikowsky und Chopin zum Besten.
Den größten Applaus im Publikum löste jedoch der Schweizer Maurice Steger aus. Er erhielt die Auszeichnung "Instrumentalist des Jahres/Flöte". Warum man ihn "den Indiana Jones der Flöte" nennt, konnte man in seiner Wiedergabe von Vivaldis Concerto per Flautino in G-Dur nachvollziehen. So rasant sind seine Läufe, dass man sie kaum noch mit dem Ohr erfassen kann. Weitere Publikumsfavoriten waren der serbische Geiger Nemanja Radulović und der österreichische Klarinettist Andreas Ottensamer, die bei einem Czardas von Vittorio Monti den melodischen Ball hin- und herwarfen.
Nach der Preisverleihungs-Routine …
Ansonsten waren viele lobende Worte zu hören, wie man es auch von einer solchen Gala erwarten kann, etwa "Elina Garancas Stimme verzaubert Menschen weltweit" oder "David Garret opfert Ton und Technik, am Ende ist nur die Musik". Garret, Bestseller des Jahres, war am Abend auch backstage als Interviewer unterwegs. Sein Ziel, "die jungen Fans in die Säle zu locken", hat er erreicht. "Was wäre ein ECHO Klassik ohne David Garret?", fragte Moderatorin Nina Eichinger und erinnerte dabei daran, dass trotz Popularisierungsversuche die Klassiker immer noch weitgehend unter sich sind. Ko-Moderator Rolando Villazón, ebenfalls mehrfacher ECHO-Preisträger, wurde in der Doppelrolle als Sänger und Regisseur ausgezeichnet; Anlass war die Produktion von Donizettis "Liebestrank" in Baden Baden.
… kam dann doch der besonderen Moment
Aber der ECHO Klassik ehrt auch den Nachwuchs, und dabei stach besonders die Bulgarin Sonya Yoncheva heraus. Die Nachwuchskünstlerin des Jahres verfügt über eine Sopranstimme von großer Leichtigkeit und leuchtenden Farben. Ganz ohne Anstrengung oder dramatischen Einsatz erinnert ihr Naturtalent daran, dass Klassik extrem kurzweilig sein kann.
Emotionaler Höhepunkt des Abends war der Schluss, als der 91-jährige Menahem Pressler, für sein Lebenswerk ausgezeichnet, im glasklaren Deutsch zum Publikum sprach und bat, eine Kleinigkeit am Klavier spielen zu dürfen. Wie aus einer anderen Zeit, dennoch völlig in der Gegenwart verhaftet, war seine Wiedergabe von Chopins Nocturne in cis-Moll.