Menahem Pressler wurde beim ECHO Klassik geehrt
17. Oktober 2015"Wenn ich spiele, bin ich niemals älter als 50. Wenn ich unterrichte, bin ich niemals älter als 40. Nur wenn ich die Treppen raufgehen muss, dann ist mein volles Alter da", sagte der Pianist erst kürzlich - wohl mit einem Augenzwinkern.
Menahem Pressler ist wahrscheinlich der älteste noch aktive Konzertpianist. "Es ist im allerbesten Sinn ein Lebenswerk, das zu ehren ist: Mit Menahem Pressler wird zugleich ein herausragender Künstler von Weltruf wie auch ein außergewöhnlicher Mensch ausgezeichnet", heißt es in der offiziellen Jurybegründung, die den Musiker mit dem "ECHO Klassik", dem Preis der Deutschen Phono-Akademie, würdigt.
Pressler lies es sich nicht nehmen, höchstpersönlich bei der Preisverleihung am Sonntag (18.10.) in Berlin aufzutreten, bei der insgesamt 60 ECHO Klassik-Preisträger ausgezeichnet wurden. Der prestigeträchtige Preis spiegelt größtenteils die Verkaufserfolge wider. Für Pressler reiht sich der ECHO Klassik in eine lange Liste von Ehrungen ein, zu denen vier Ehrendoktorwürden und sechs Grammy-Nominierungen zählen.
Heute und gestern
Eine Auszeichnung für das Lebenswerk mag den Eindruck erwecken, dass die Erfolge in der Vergangenheit lägen. Doch in dieser verweilt Pressler ebenso wenig wie seine Kritiker. Die New York Times nennt ihn "einen Poeten, der es immer wieder schafft, Stücken eine unerwartete Tiefe zu verleihen, obwohl sie schon unzählige Male interpretiert wurden". Die Los Angeles Times schreibt: "Menahem Presslers freudvolles Klavierspiel - technisch makellos, stilistisch einwandfrei, emotional ausladend - stammt aus einer anderen Zeit und stellt eine nahezu in Vergessenheit geratene Empfindsamkeit dar" - und nennt ihn darüber hinaus "einen nationalen Schatz".
Vielleicht mögen die USA Menahem Pressler für sich beanspruchen, der langjährige Professor an der Universität von Indiana stammt jedoch aus der deutschen Stadt Magdeburg. 1923 wurde er als Sohn eines jüdischen Herrenausstatters geboren. In seiner Kindheit hörte er noch auf den Namen Max. Nach der Machtergreifung der Nazis musste er das Gymnasium verlassen. Das Geschäft seines Vaters wurde während der Reichspogromnacht 1938 zerstört; der enge Kreis der Familie floh über Italien nach Palästina. Die Großeltern und weitere Familienangehörige, die in Deutschland zurückblieben, wurden im Zuge des Holocausts ermordet.
Sogar während seiner Flucht, seinem Exil und trotz aller Entbehrungen behielt der junge Künstler seine positive Grundeinstellung bei: "Ich, der Optimist, kam nach Israel - doch dort konnte ich nichts essen. Ich war traumatisiert. Aber das wusste ich nicht. Auch mein Vater wusste es nicht. Ich konnte mir das nur erlauben, weil ich begabt war. Aber ich wurde immer dünner und immer schwächer. Es hat gedauert, bis ich das überwunden habe - in meiner Familie ging ja eigentlich niemand zum Psychologen."
Im Klaviertrio beheimatet
Als Pressler 1940 in die USA emigrierte, änderte er seinen Vornamen Max in Menahem. 1946 gewann er den Debussy-Klavierwettbewerb in San Francisco, studierte beim berühmten Pianisten Bruno Walter und begann eine Solokarriere. 1955 zog er nach Bloomington, Indiana - wo er auch heute noch lebt - und nahm seine inzwischen sechs Jahrzehnte andauernde Karriere als Klavierdozent an der Jacobs School of Music der Universität Indiana auf.
1955 dann bahnte sich ein weiterer Meilenstein in Presslers Karriere an: Er rief das Beaux Arts Trio ins Leben, das seinen ersten Auftritt im gleichen Jahr beim Berkshire Music Festival absolvierte. "Legendär" ist keine übertriebene Beschreibung des Ensembles, das in über 50 Einspielungen fast das gesamte Kammermusik-Repertoire für Klaviertrio abdeckte und diese Musik auf Schallplatte und CD weltweit bekannt machte.
Hinzu kommen noch über 30 weitere Aufnahmen, die Pressler als Solokünstler einspielte. Sein Name bleibt jedoch untrennbar mit dem Beaux Arts Trio verbunden, das in der Besetzung mit dem Violinisten Daniel Hope, dem Cellisten Antonio Meneses und dem Pianisten Menahem Pressler 2008 sein letztes Konzert spielte. Hope strebte eine Solokarriere an, Pressler wollte jedoch kein neues Mitglied mehr in das Ensemble einweisen.
Auf Solopfaden
Nach fast 55 Jahren begann er also seine Solokarriere. Beim Silvesterkonzert 2014 trat der Künstler erstmals mit den Berliner Philharmonikern unter der Leitung von Sir Simon Rattle auf. Auf dem Programm stand Mozart, den Pressler als "Geschenk" bezeichnet. Aber auch andere Komponisten langweilen ihn nicht, so oft er ihre Musik auch gespielt haben mag: "Wenn man Musiker ist und es ernst nimmt, kann man nie sagen: 'Ich kenne den Schubert so gut, da entdecke ich nichts mehr'," sagte er einmal. "Das ist so reich, so tief. Das Ravel-Trio habe ich vielleicht 600 Mal gespielt, und jedes Mal, wenn ich den Anfang wieder spiele, läuft es mir kalt den Rücken hinunter."
Sich selbst schätzt Pressler als äußerst glücklich, wenn er sagt: "Das Klavier hat meinen Geist gerettet und meinem Leben einen Zweck gegeben. Mein ganzes Leben lang hatte ich Hunger zu musizieren, und der Hunger hat nicht nachgelassen."
2012 nahm der Musiker - neben seiner US-amerikanischen und israelischen - auch wieder die deutsche Staatsbürgerschaft an, die ihm von den Nazis entzogen worden war. Ermutigt wurde er zu diesem Schritt von seinem Violinisten-Kollegen Daniel Hope.
In nächster Zeit stehen für den Künstler weitere Konzerte mit den Berliner Philharmonikern sowie mit dem dem Orchestre de Paris und dem Concertgebouw Orchestra Amsterdam auf dem Plan.
"The Life I Love - The Pianist Menahem Pressler", eine Co-Produktion der Deutschen Welle, des Bayrischen Rundunks, des Westdeutschen Rundfunks und des Radios Berlin-Brandenburg, wurde kürzlich mit dem Grand Prix Golden Prague ausgezeichnet.