Gnade für Schalke-Boss Tönnies
6. August 2019Die Entscheidung von Clemens Tönnies, sein Amt als Mitglied des Aufsichtsrats und dessen Vorsitz drei Monate ruhen zu lassen, gab der Klub nach einer mehrstündigen Sitzung des sogenannten Ehrenrats bekannt. Einem Ausschluss aus dem Verein wegen Verstoßes gegen das Leitbild des Klubs entging der 63-Jährige somit.
Tönnies hatte am Donnerstag vergangener Woche bei der Festveranstaltung zum "Tag des Handwerks" in Paderborn eine Rede gehalten. Der Schalke-Boss kritisierte dabei Steuererhöhungen im Kampf gegen den Klimawandel. Stattdessen empfahl er die Finanzierung von Kraftwerken in Afrika und sagte: "Dann würden die Afrikaner aufhören, Bäume zu fällen, und sie hören auf, wenn's dunkel ist, Kinder zu produzieren." Es folgte eine öffentliche Entschuldigung von Tönnies, dennoch gab es harsche Kritik an dem milliardenschweren Fleischfabrikanten.
Diskriminierung ja, Rassismus nein
Das fünfköpfige Schalke-Gremium kam nun zu dem Schluss, der erhobene Vorwurf des Rassismus sei "unbegründet". Vorzuwerfen sei Tönnies allerdings, "gegen das in der Vereinssatzung und im Leitbild verankerte Diskriminierungsverbot verstoßen zu haben." Konkret heißt es in dem Leitbild: "Von uns Schalkern geht keine Diskriminierung oder Gewalt aus. Wir zeigen Rassismus die Rote Karte und setzen uns aktiv für Toleranz und Fairness ein."
Tönnies habe "ein weiteres Mal sein Bedauern zum Ausdruck gebracht", teilte der Ehrenrat mit. Der Unternehmer werde seine Tätigkeit im Aufsichtsrat nach den drei Monaten wieder aufnehmen.
Schon vor der Entscheidung des Ehrenrats über die Zukunft des Vereinschefs hatte die Schalker Fan-Initiative Widerstand angekündigt. "Es wird auf jeden Fall Proteste geben, sollte alles beim Alten bleiben", sagte Susanne Franke von der Schalker Fan-Initiative beim TV-Sender Sky.
Breites Entsetzen, aber auch Rückhalt
Vertreter aus Politik und Sport hatten Tönnies' verbalen Fehltritt "deplatziert" oder "primitiv" genannt. Auch der ehemalige Schalke-Profi Gerald Asamoah äußerte öffentlich Kritik. Er sei "sehr überrascht, geschockt und auch verletzt", schrieb der gebürtige Ghanaer und Manager des Schalker U23-Teams bei Instagram und forderte Konsequenzen: "Er beleidigt mich und alle anderen Betroffenen. Das können wir nicht dulden."
Beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) herrschte ebenfalls Fassungslosigkeit. "Mich haben die verächtlichen Worte schockiert", hatte der DFB-Integrationsbeauftragte Cacau mitgeteilt. Je länger er darüber nachdenke, desto unvorstellbarer werde es, "dass ein Mann seiner Position und Erfahrung so generalisierend und abfällig über die Bevölkerung eines ganzen Kontinents spricht", sagte der ehemalige deutsche Nationalspieler.
Der Schalker Aufsichtsratschef bekam vor der Anhörung beim Ehrenrat aber auch Beistand von alten Weggefährten. Die Schalker Trainer-Ikone Huub Stevens verteidigte Tönnies. "Wer ihn kennt, wer seit langem mit ihm zusammenarbeitet, der weiß, dass Clemens die Menschen mag, wie sie sind - völlig unabhängig von Hautfarbe, Herkunft oder Religion", schrieb der 65-Jährige in einer Erklärung, über die die "Westdeutsche Allgemeine Zeitung" berichtete.
Tönnies leitet in seiner westfälischen Heimat Rheda-Wiedenbrück ein Imperium mit 16.500 Mitarbeitern. Sein Privatvermögen wird von Forbes auf rund 2,2 Milliarden Euro taxiert. Er sitzt seit 1994 im Aufsichtsrat von Schalke 04, seit 2001 ist er dessen Vorsitzender. Unter anderem fädelte er den Sponsoren-Deal mit dem russischen Energiekonzern Gazprom ein.
ust/wa (dpa, sid)