Gnadenfrist für Theresa May
22. Mai 2019Der Druck auf die britische Premierministerin Theresa May wird immer stärker. Hardliner innerhalb der eigenen Partei wollen nun ein schnelles politisches Ende der Regierungschefin. "Es gibt noch eine letzte Gelegenheit, es richtig zu machen und in geregelter Weise zu gehen", schrieb etwa der konservative Abgeordnete Tom Tugendhat in einem Beitrag für die Zeitung "Financial Times". Sie müsse den Schritt nach der Europawahl bekanntgeben, die in Großbritannien am Donnerstag über die Bühne geht. Tugendhat ist der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Parlament.
Die britische Ministerin für Parlamentsfragen, Andrea Leadsom, kündigte derweil ihren Rücktritt an. Sie glaube nicht mehr daran, dass der Kurs der Regierung zur Umsetzung des Brexit-Referendums über den Austritt Großbritanniens aus der EU führen werde, twitterte die Tory-Abgeordnete am Abend. Die überzeugte Brexit-Befürworterin war in Mays Kabinett für die Beziehungen zum Unterhaus zuständig.
Am Nachmittag hatte das einflussreiche Gremium der britischen Konservativen getagt, das für die Wahl des Parteichefs und auch dessen Abwahl zuständig ist. Spekuliert wurde, das "1922 Committee" könne die Regeln ändern, um ein baldiges Misstrauensvotum gegen May als Parteichefin und damit auch als Premierministerin zu ermöglichen. Bislang kann ein Misstrauensvotum nur einmal in zwölf Monaten stattfinden. Ein erster Versuch war im vergangenen Dezember gescheitert. Am Ende der Sitzung hieß es dann lediglich, May werde zunächst im Amt bleiben.
Ringen um Zugeständnisse
Zuvor hatte May noch einmal ihre jüngsten Pläne für den EU-Austritt im britischen Parlament verteidigt. "Wir müssen den Brexit durchziehen", sagte die Premierministerin. Sie warnte das Parlament in London vor "Spaltung und Stillstand". "Die Chance des Brexits ist zu groß und die Konsequenzen eines Misserfolgs zu schwerwiegend, um eine weitere Verzögerung zu riskieren."
Mays Gesetzentwurf sieht unter anderem vor, dass das Parlament darüber abstimmen darf, ob das Vereinigte Königreich für eine gewisse Zeit in einer Zollunion mit der EU verbleiben soll. Außerdem enthält ihr Plan weitere Zusagen in den Bereichen Arbeitnehmerrechte und Umweltstandards. Damit geht die Regierungschefin vor allem auf Forderungen der Labour-Partei ein.
Mays Gegner wetzen die Messer
May will ihren bereits drei Mal vom Parlament abgelehnten Brexit-Deal im Rahmen eines Gesetzgebungsverfahrens Anfang Juni ein viertes Mal den Abgeordneten vorlegen. Sie stellte auch eine Volksabstimmung über ihr Austrittsabkommen in Aussicht. Doch die Reaktionen auf ihre Vorschläge fielen vernichtend aus.
Ex-Außenminister Boris Johnson, der May den Vorsitz der Konservativen Partei und damit den Job als Premier streitig machen will, kündigte - wie zahlreiche andere Abgeordnete des Regierungslagers - ein "Nein" bei der Abstimmung an. Auch die Opposition will Mays Pläne nicht unterstützen. Nun scheint fraglich, ob es überhaupt zu dem Gesetzgebungsverfahren kommen wird.
hf/rb (rtr, afp, dpa)