Good Bye, Schwermut
24. Juni 2004Das Herz des Weltkinos schlägt in Hollywood. Liebesschnulzen, Teenagerkomödien oder bunte Zeichentrickabenteuer - der cineastische Mainstream jenseits des Atlantiks ist längst schon in europäischen Kinos angekommen. Während Blockbuster von Spielberg & Co. in Europa fast automatisch zu Kassenmagneten mutieren, ist der Weg andersherum etwas steiniger.
Locker-flockige Erfolge
Filme aus "Old Europe" gelten in den USA als anspruchsvoll. Mehr etwas für eingefleischte Kinoliebhaber als für einen gemütlichen Kinoabend samt Popcorn. Besonders die deutschen Filme haben es schwer. Zwischen leichtfüßigen Produktionen aus Frankreich oder temperamentvollen aus Italien haftet ihnen immer noch das Image des Schwermütigen an. Vielleicht einer der Gründe, warum der Marktanteil deutscher Filme in Nordamerika im Vorjahr magere 0,15 Prozent erreichte - das entspricht 2,2 Millionen Zuschauern.
Dennoch bewegt sich etwas, seit Tom Tykwers rasante Krimiromanze "Lola rennt" auch in den USA für Furore sorgte. Mit ihren schnellen Schnitten und der komisch-absurden Story bewies sie: Filme aus Deutschland sind nicht automatisch intellektuelle Schwerstarbeit. Sie können auch locker-flockig erzählen und dabei Spaß machen.
Wie etwa auch die Ost-West-Komödie "Good Bye, Lenin!". Der Film von Wolfgang Becker wurde in den USA zum Überraschungserfolg und hat längst die Vier-Millionen-Dollar-Marke übersprungen.
Zukunftsweisender Trend?
"Ich hoffe, dass dieser Aufschwung eine Nachhaltigkeit besitzt, denn europäisch aufgestellte Geschichten interessieren auch die Zuschauer im Ausland", erklärt Michael Schmid-Ospach, Geschäftsführer der Filmstiftung NRW. Aus Deutschland stammten nicht nur Hollywoodregisseure wie Wolfgang Petersen und Roland Emmerich, die derzeit mit "Troja" und "The Day After Tomorrow" die Top Ten der US-Kinocharts stürmen. Die deutsche Küchen-Komödie "Bella Martha" habe in den USA sogar das Doppelte eingespielt wie auf dem heimischen Markt.
Ist das nun ein zukunftsweisender Trend oder nur eine kurzlebige Modeerscheinung? Fakt ist, dass zwischen europäischen und amerikanischen Filmen immer noch enorme Unterschiede im Budget herrschen. Ein durchschnittlicher deutscher Film kostet gerade mal so viel wie eine kleine amerikanische Independent-Produktion. Während hierzulande der Regisseur stärker im Vordergrund steht, entscheiden in amerikanischen Filmen die Stars über den Erfolg. "Ein Regisseur bekommt für seinen Film erst grünes Licht vom Studio, wenn eine Berühmtheit ihre Zusage gibt. Denn ein Top-Star wie Tom Cruise sorgt dafür, dass ein Budget von 100 Millionen Dollar bewilligt wird", sagt der deutsche Schauspieler, Regisseur und Produzent Til Schweiger.
Cineastischer Ritterschlag
Entscheidend seien oftmals die Festivals, glaubt Michael Weber. Er ist der Geschäftsführer des Weltvertriebs Bavaria Film International, der deutsche Filme wie "Good Bye, Lenin!" nach Amerika verkauft. "Auf Festivals und großen Film-Wettbewerben werden die Weichen für den weiteren Erfolg gestellt", sagt er voller Überzeugung. Vor allem die Nominierung für einen Oscar käme einem "cineastischen und finanziellen Ritterschlag" gleich, was man besonders an Caroline Links Film "Nirgendwo in Afrika" hätte sehen können.
Statt ein bis zwei Millionen spielte der Streifen am Ende über sechs Millionen Dollar in den US-Kassen ein. Doch nicht nur ihr Oscar-Sieg als bester fremdsprachiger Film verhalf Caroline Links Film zu einem Dollarregen an amerikanischen Kinokassen. Eine breit angelegte Werbekampagne steigerte die Popularität des Films und machte die Amerikaner neugierig auf das deutsche Exildrama.
Marketing ist alles
Die amerikanische PR-Expertin Nichola Ellis empfiehlt deutschen Filmemachern, sich eine Scheibe vom amerikanischen Marketing-Know-How abzuschneiden. Pfiffige Werbeideen etwa, die im Gedächtnis bleiben, würden den Wiedererkennungswert eines Filmes steigern - und damit auch den Weg für den Erfolg ebnen. Leider hapere es da etwas in "Old Europe". Die europäischen Filmemacher würden zunächst prüfen, wie viel Geld ihnen zur Verfügung stehe und daraufhin die Werbestrategie konzipieren. "Die Amerikaner verfolgen einen anderen Denkansatz", unterstreicht Ellis, "die planen zuerst die erfolgversprechende Kampagne und kalkulieren erst dann das dafür erforderliche Geld."