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Politik

GPS-Störung als Indiz für "Putins Palast"?

Roman Goncharenko
6. Februar 2021

Russland wird verdächtigt, globale Navigationssysteme zu stören - insbesondere am Schwarzen Meer. Gibt es dort etwas zu verbergen, zum Beispiel einen angeblichen Palast von Präsident Wladimir Putin? Was steckt dahinter?

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GPS-Satellit im All (Computersimulation)
GPS-Satellit im All (Computersimulation): Signale auffallend oft gestörtBild: Imago Images/United Archives International

Ein Palast bei Gelendschik am Schwarzen Meer sorgt seit Jahresbeginn für Schlagzeilen. Laut Kremlkritiker Alexej Nawalny wurde die weitreichende Anlage für den russischen Präsidenten Wladimir Putin gebaut. Der Kreml dementiert, etwas mit dem opulenten Gebäudekomplex zu tun zu haben, von dem Nawalny ein Drohnen-Video veröffentlicht hat. Ein mit Putin befreundeter Oligarch behauptet, dort ein Hotel zu betreiben.

Allerdings werden in der Region offenbar auffallend oft die Signale von globalen Satellitennavigationssystemen gestört. Oder besser gesagt: verfälscht. Dabei soll sogenanntes Spoofing zum Einsatz kommen, heißt es in westlichen Medien. Soll da etwas vor neugierigen Blicken geschützt werden?

Was ist Spoofing?

Der Begriff Spoofing, zu deutsch "Verschleierung", steht für Täuschungsmethoden im Computerbereich. Mit der Methode können Daten nachgeahmt und verfälscht werden - auch die Signale von Navigationssatelliten, wie sie vom US-System GPS, dem russischen GLONASS oder dem europäischen Galileo verwendet werden. Eine tatsächliche Ortung wird mithilfe von Spoofing durch eine gefälschte ersetzt.

"Die Navigationssysteme GPS und andere strahlen Signale aus, die für die öffentliche Nutzung - zum Beispiel in Mobiltelefonen - bestimmt sind", sagt Christoph Günther, Navigationsexperte beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Das Format dieser Signale sei bekannt und können künstlich erzeugt werden, beispielsweise um Mobiltelefone zu testen. "Diese Möglichkeit nutzen Spoofer, um gefälschte Signale auszustrahlen."

Karte russische Schwarzmeerküste

Wenn man diese Signale mit einem höheren Pegel sendet, als es die Navigationssatelliten im All machen, lassen sich damit die Daten für Navigationsgeräte auf der Erde überschreiben. Dann bestimmen die Spoofer "die Position, die der Empfänger ausgibt". Das Aussenden solcher Signale sei strengstens verboten. "Es kann allenfalls von staatlichen Sicherheitskräften zum Abwenden einer besonderen Gefährdung eingesetzt werden", so Günther. Spoofer seien inzwischen für einige Hundert Dollar zu haben.

Spoofing-Vorfälle werden weltweit registriert, in einigen Regionen, darunter am Schwarzen Meer, besonders häufig. Eine Episode am 22. Juni 2017 sorgte international für Aufsehen. Der Tanker "Atria" unter französischerer Flagge war gerade auf dem Weg zum russischen Hafen Noworossijsk, doch der GPS-Empfänger des Schiffs zeigte stattdessen den 26 Kilometer südöstlich gelegenen Flughafen von Gelendschik an.

Der Kapitän kontaktierte andere Schiffe in der Umgebung und es stellte sich heraus, dass sie das gleiche Problem hatten. Die US-Maritime Administration (MARAD) verschickte damals eine Warnung für Schiffe in diesem Teil des Schwarzen Meeres.

Wie Russland Spoofing bei Gelendschik einsetzt

Die US-Nichtregierungsorganisation Center for Advanced Defense Studies, kurz C4ADS, mit Sitz in Washington, analysiert computergestützt Daten im Bereich Sicherheit. Im Frühling 2019 veröffentliche C4ADS einen Bericht darüber, wie Russland Spoofing auf dem eigenen Territorium, auf der annektierten Krim und in Syrien einsetzt.

Die Washingtoner Experten werteten dabei öffentliche Quellen aus, Daten des Automatischen Identifikationssystems der Schiffe (AIS) sowie eines GPS-Empfängers an Bord der Internationalen Raumstation (ISS). Ihr Fazit: Russland sei ein "Vorreiter" in Spoofing und setze es zum Schutz von wichtigen Personen und Objekten stärker als bisher bekannt ein.

Der angebliche "Putin Palast" am Schwarzen Meer
Angeblicher "Putin Palast" am Schwarzen Meer: Nur ein Hotel?Bild: Navalny Life/dpa/picture alliance

Ob der Vorfall mit dem Tanker einen direkten Zusammenhang mit dem angeblichen Palast Putins bei Gelendschik hat ist offen. C4ADS nennt einen anderen möglichen Grund: den Besuch des Präsidenten in Anapa am Schwarzen Meer anlässlich des Baus der Gaspipeline Turkish Stream.

Und doch hat das Center for Advanced Defense Studies die meisten Spoofing-Vorfälle in Russland - mehr als 4600 - in dem ausgewählten Zeitraum zwischen 2016 und 2018 bei Gelendschik registriert. Beim Versuch, das zu erklären#, heißt es im Bericht: "Gelendschik wird von Beamten des Sicherheitsdiensts frequentiert, was mit verbreiteten, aber nicht bestätigten Berichten im Einklang steht, dass Präsident Wladimir Putin am Rande der Stadt eine private Residenz haben soll."  

So kann ein Schiff laut GPS am Flughafen landen

Nach C4ADS-Angaben wird bei Gelendschik kein mobiler, sondern ein stationärer Spoofer mit Zugang zu einer "zuverlässigen und stabilen Stromquelle" eingesetzt. Die Ergebnisse der Berechnungen wiesen darauf hin, dass nur ein Objekt am Kap Idokopas in Reichweite von mehr als 98 Prozent der betroffenen Schiffsempfänger hätte sein können. Das wäre unmittelbar in der Nähe des angeblichen Putin-Palastes.

Spoofing in dieser Region betraf Hunderte Schiffe, die meisten davon fuhren unter russischer Flagge. Und doch wird im C4ADS-Bericht nicht eindeutig behauptet, dass Gelendschik wegen des Palastes bei festgestellten Spoofing-Vorfällen auf Platz eins liegt (auf Platz zwei ist Sotschi, wo Putin eine offizielle Residenz hat). Die Autoren verweisen darauf, dass in der Nähe Noworossijsk liegt, ein wichtiger Hafen und ein Standort der Schwarzmeerflotte der russischen Streitkräfte.

Küste bei Gelendschik
Küste bei Gelendschik: Auf Platz eins der Spoofing-VorfälleBild: picture alliance/dpa/Sputnik/V. Timkiv

In der Regel wird beim Spoofing in oben beschriebenen Fällen ein nahe gelegener Flughafen als gefälschter Standort angezeigt - Gelendschik oder Sotschi. DLR-Experte Christoph Günther hat dafür eine mögliche Erklärung: "Drohnen stellen eine Gefahr für den Luftverkehr dar und dürfen nicht in der Nähe von Flughäfen fliegen."

Deshalb müssen Drohnen automatisch landen, wenn sie registrieren, dass sie im Bereich eines Airports, so Günther. "Dies nutzen offensichtlich einzelne Spoofer von Sicherheitskräften aus und senden Signale, die der Position eines Flughafens entspricht. Selbst wenn die Drohne nicht landet, gibt sie immer die gleiche Position aus. Der Pilot kann sie deshalb nicht mehr gezielt lenken. Dritte können derart gefälschte Positionen in der Regel leicht erkennen und sich darauf einstellen - ein Schiff kann nicht an einem Flughafen ankern!"

Mit anderen Worten: Russland versucht mit Spoofing offenbar, Drohnenangriffe in bestimmten Gegenden abzuwehren. Fehlgeleitete Schiffe und andere verwirrte Nutzer von Navigationssystemen könnten dabei in Kauf genommene "Kollateralschäden" sein.

USA rufen zur Zurückhaltung bei GPS-Störungen auf

Bei der internationalen Seeschifffahrtsorganisation (IMO) weiß man über Warnungen der US-Behörde MARAD Bescheid. In einem Antrag der USA beim IMO-Ausschuss für die Sicherheit des Seeverkehrs vom März 2020, der der DW vorliegt, verweisen die Vereinigten Staaten auf die "dringende Frage der absichtlichen Störung" der Arbeit von GPS und anderer Systeme. Das erzeuge lebensgefährliche Risiken für die Sicherheit der Seefahrt, heißt es im Papier weiter. Konkret wird auf zwischen 2016 und 2018 bekannte Vorfälle im Schwarzen Meer und im Mittelmeer verwiesen. Russland wird nicht erwähnt.

Nach Ansicht der USA widerspricht die Störung von Satellitennavigationssystemen internationalen Telekommunikationsabkommen, die eine Übermittlung falscher oder irreführender Signale verbieten. Die Regierung in Washington schlägt vor, IMO-Mitgliederstaaten dazu aufzurufen, davon abzusehen - mit der Ausnahme von sicherheitsrelevanten Fällen. Eine Beratung des US-Antrags ist laut der internationalen Seeschifffahrtsorganisation für Mai geplant.