Wie funktioniert Drohnen-Abwehr?
7. Dezember 2019Ob als Spielzeug oder Arbeitsgerät für Fotografen, Inspekteure oder in der Vermessung: die Zahl der Drohnen im Luftraum steigt rasant. Die Firma Gartner rechnet mit einem Zuwachs kommerzieller Drohnen von 50 Prozent im Jahr 2020. Doch nicht alle Anwendungen sind sicher.
Erst im Sommer 2019 kam am Flughafen London Gatwick eine Drohne auf 20 Meter an ein landendes Flugzeug heran. Ein hohes Sicherheitsrisiko. Die deutsche Firma Aaronia in der Eifel nahe der Grenze zu Belgien und Luxemburg hat ein Drohnenabwehrsystem entwickelt. Aaronia-Chef Thorsten Chmielus erklärt, wie er im Zweifel auch mal Drohnen vom Himmel holt und warum das Problem künftig nur noch schlimmer wird.
DW: Herr Chmielus, sie haben ein Drohnenabwehrsystem gebaut. Wie muss ich mir das vorstellen?
Kern des Aartos-Systems ist ein 3D-Radiofrequenz-Sensor, der die Kommunikation zwischen Drohne und Drohnenpilot erkennt. Dadurch können wir ganz genau sagen, wo eine Drohne fliegt, wissen auch ihre Höhe und wo sich der Pilot befindet. Man kann den Piloten allein über das Radiosignal ausfindig machen. Es ist kein Radarsystem, wie man es kennt. Das passiert passiv, wir können also nicht entdeckt werden, während wir Drohnen aufspüren.
Wo wird dieses System eingesetzt?
Zum Beispiel an Flughäfen, wenn man verhindern will, dass Drohnen zu nah an den Flugverkehr kommen. Normalerweise gibt es ein eingebautes Geofencing, das heißt, sie sollten gar nicht starten können in der Nähe eines Flughafen. Aber es ist sehr leicht, das zu umgehen und dann kann man trotzdem in der Nähe des Flughafens herumfliegen. Das andere Problem sind Drohnen, die nicht gesteuert an den Flughafen kommen, sondern die auf Grund von Fehlfunktionen abdriften. Die werden dann unkontrollierbar und fliegen, bis die Batterie alle ist. Das können 25 Minuten sein bei voller Geschwindigkeit. Die Drohne schafft also leicht 20 bis 30 Kilometer und könnte dann mit einem Flugzeug bei Start oder Landung kollidieren.
Wie behält man solche fliegenden Geschosse im Blick?
Der Operator sieht eine Karte des Areals, nehmen wir zum Beispiel das Flugfeld vom Flughafen Heathrow. Auf der Karte kann er genau erkennen, wo eine Drohne ist und wo der Drohnenpilot sich in diesem Areal befindet, beispielsweise am Rand des Flugfelds. Man kann sich das in 2D angucken und in 3D reinzoomen. Man kann auch die Flugbahn der Drohne sehen, das sieht dann aus wie eine Achterbahn. Und man bekommt weitere relevante Informationen: ist die Drohne oberhalb des Flugzeugs, unterhalb des Flugzeugs, oder nicht in der Nähe.
Und wenn eine Drohne in den Sicherheitsbereich eindringt?
Dann bekommt man eine Warnung. Zum Beispiel kann man eine SMS an die Polizei schicken oder automatisch das Flugzeug kontaktieren, um den Landeanflug abzubrechen. Oder ich kann den ganzen Flughafen sperren, bis ich den Drohnenpiloten oder die Drohne erwischt habe. Und dann kann ich den Flughafen wieder aufmachen.
Es gibt auch noch technische Gegenmaßnahmen, zum Beispiel können wir der Drohne sagen, sie soll zurück zu ihrem Piloten fliegen, oder landen, aber das passiert im Moment nicht am Flughafen, weil es da juristische Fragezeichen gibt: Dürfen hier Störsignale eingesetzt werden? Im Moment ist das nicht der Fall, aber vielleicht ändert sich das.
Wo kommen Gegenmaßnahmen dann zum Einsatz?
Normalerweise in militärischen Sicherheitsbereichen oder bei besonderen Veranstaltungen. Wenn etwa der amerikanische Präsident Donald Trump irgendwohin reist, dann darf dort ein Störsignal eingesetzt werden. Und da käme dann unser System zum Einsatz.
Wie funktioniert das Stören der Drohne genau?
Man kann der Drohne sagen, sie soll zurück zum Piloten fliegen oder landen. Man kann sie zwingen zu landen. Oder man kann die Drohne einfach abstürzen lassen. Das macht man über das sogenannte Spoofing: Man gibt der Drohne falsche Informationen über ihre eigene Höhe, und dann versucht die Drohne, das sehr sehr schnell zu korrigieren und fällt einfach wie ein Stein vom Himmel. Aber das ist die gefährlichste Variante. Das wird in der Regel nur im militärischen Bereich eingesetzt. Es ist sehr effektiv, aber das sollte man nicht an einem Flughafen machen.
Es klingt fast, als würden sie mit der Drohne sprechen.
Man muss die Kommunikation mit dem Piloten stören (jamming), das eigentliche Signal übersteuern oder überladen. Wir nennen das 'stupid jamming'. Es gibt aber auch 'smart jamming', das bedeutet, dass wir nur die Frequenz stören, auf der die Drohne wirklich kommuniziert. Dadurch entsteht kein weiterer Schaden auf anderen Frequenzen.
Lässt sich das zum Beispiel durch verschlüsselte Kommunikation umgehen?
Nein, absolut nicht. Da gibt es keinen Weg drumherum. Wenn man das Signal korrekt stört, hat der Pilot keine Chance.
Wie häufig kommt es vor, dass der Luftraum gestört wird?
Schon letztes Jahr hatten wir über 100 Systeme installiert, und dadurch können wir sehen, das besonders in Städten, bei guten Wetterbedingungen, hunderte von Drohnen in der Luft sind. Und viele davon sind in der Nähe von Flughäfen. Am Flughafen selbst gibt es Drohnen von Paparazzi, die Bilder machen wollen, besonders nachts sehen wir aber auch Schmuggel-Drohnen. Man kann sehen, wie sie Pakete auf das Rollfeld fliegen, um zu schmuggeln. Und ein kleiner Teil, aber das sind die gefährlichsten, sind Drohnen, die außer Kontrolle geraten sind und einfach durch die Luft schießen wie ein Geschoss in Richtung Flughafen. Der gefährlichste Bereich sind die Start- und Landezonen, wir sprechen über eine Zone von etwa 50 Kilometern rechts und links des Flughafens. Den Bereich überwachen wir auch. Das ist ein absolutes Muss, denn das ist der gefährlichste Bereich, in dem eine Drohne ein Flugzeug treffen kann.
Seit wann gibt es diese Drohnen-Abwehr?
Wir sind vor sieben Jahren als Erste in den Markt gegangen. Mittlerweile ist das System in der sechsten Generation. Das sind keine Experimente mehr, die sind wirklich im Einsatz an großen internationalen Flughäfen.
Welche Flughäfen schützen Sie?
Welche ich nennen darf sind Muscat International in Oman. Wir sind auch in Großbritannien, aber den Namen darf ich nicht verraten - es ist aber nicht Gatwick (lacht). Am Changi International Airport in Singapur sind wir auch. Nächstes Jahr kommen zwölf weitere Flughäfen dazu.
Wie kamen Sie auf die Idee mit der Drohnen-Abwehr?
Das war gar nicht mal unsere Idee. Wir hatten einen Kunden in Deutschland, der gefragt hat, ob wir sowas bauen können. Und wir dachten: Klar, das ist eine verrückte Idee und wer braucht denn sowas? Aber bauen können wir das! Über die Firma haben wir dann ein paar Systeme verkauft und dann haben wir das selbst in die Hand genommen. Was besseres hätten wir nicht tun können.
Kommendes Jahr wird es neue Regeln geben für Drohnenpiloten. Wird der Luftraum dadurch sicherer?
Nein, nächstes Jahr wird viel schlimmer, denn dann kommen Drohnen, die mit 4G fliegen. Der Zugriff auf den Drohnenpiloten entfällt. Sie können in New York stehen und eine Drohne in Brüssel steuern. Wir können sie trotzdem aufspüren, weil wir mit dem 3D-Radiofrequenz-Scanner die Drohne als eine Art fliegendes Telefon erkennen. Mit 5G wird es dann noch komplizierter, weil sich die Radiofrequenzen verändern. Es gibt viele Ideen, das juristisch zu lösen, zum Beispiel mit Vorschriften zur eindeutigen Identifizierung über eine Art elektronisches Nummernschild, das auf einer Drohne installiert wird. Aber das hilft nur bei den "netten" Piloten. Kriminelle werden sich kaum an solche Auflagen halten.
Was sind für Sie die größten Herausforderungen in der Zukunft der Drohnen?
Es gibt zwei große Herausforderungen. Das eine wird die Frage der Luftraumüberwachung. Wie soll das gemacht werden und wer kontrolliert diesen Luftraum? Ich halte nichts davon, das private Firmen machen zu lassen. Das sollte in der Hand von Regierungen liegen, damit es wirklich sicher ist. Und das andere: Wollen wir wirklich 5000 Drohnen, die täglich um unser Haus fliegen, um Pakete auszuliefern und uns verrückt machen? Ich denke nicht. Da brauchen wir Lösungen.
Was empfehlen sie privaten Drohnen-Fans?
Es ist wie immer: Verhaltet euch so, wie ihr es euch von anderen wünschen würdet! Seid nett zueinander. Und verliert eure Drohnen nicht! Das sind Spielzeuge, sie sind eigentlich nicht für den Luftraum gemacht und wenn was schief geht, können sie einfach abhauen und unkontrolliert in der Gegend rumfliegen. Da gibt's kein Sicherheitsnetz. Es sind halt eigentlich Spielzeuge, die nicht in die Luft gehören.
Fliegen sie privat auch Drohnen?
Ja, ich fliege sehr viel. Aber wir verlieren auch ganz viele, ich weiß also, wovon ich rede. Alle zwei bis drei Monate geht uns eine verloren. Keine Ahnung, wo sie landen.
Das Interview führte Paul-Christian Britz auf der diesjährigen Amsterdam Drone Week.