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Grenzen einer grenzenlosen Kunst

Simone de Mello / (pt)7. Januar 2003

Kunst im Internet scheint nicht mehr so viel Interesse zu erwecken wie in den 90ern. Sie beschränkt sich mittlerweile auf Elitenkreise oder verschwindet in der Datenflut.

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Virtuelle Kunst nur für Eliten?Bild: AP

Gute Internet-Links zu finden, ist derzeit mit einigen Hürden verbunden. Die bekanntesten Webseiten zur Verbreitung von Netzkunst-Links sind schwer zugänglich: Ohne Anmeldungsformular kein Zugriff zu thing.at oder rhizome.org. Thing.net sucht derzeit einen neuen Provider und bittet sogar um Spenden. "Help keep Rhizome going! Make a gift today!", so auch der Aufruf auch von rhizome.org.

Vernetzte Umfragekunst

Während das Internet als Vertriebskanal für den Kulturbetrieb immer bedeutender wird, scheint es für Kunstproduzenten an Attraktivität zu verlieren. Das Webart-Fieber der frühen 90er Jahre wurde stark von der Faszination geprägt, die Menschen überall zu erreichen. Wirksame Konzepte wie "De digitale Stad" (Amsterdam, 1999) betonten den demokratischen Charakter des neuen Mediums, indem sie öffentliche Diskussionsplattformen vernetzten. Andere folgten dem Beispiel.

Die Begeisterung für eine grenzenlose Kunst hat zu den unterschiedlichsten interaktiven Kunstprojekten geführt. Aus dem Impuls, die Netz-Community in einen Dialog mit einzubeziehen, ist ein Trend entstanden, der auf das einfache Frage-Antwort-Muster gründet, von Spöttern auch als "Umfrage-Kunst" bezeichnet. In seinem Berkeley Orakel (1999) forderte beispielsweise der Konzeptkünstler Jochen Gerz den User heraus, die Fragen, die ihn um die Jahrtausendwende beschäftigten, einem virtuellen Orakel zu stellen. In antworten.de lädt uns der Berliner Künstler Holger Friese wiederum dazu ein, uns in eine virtuelle Schlange zu stellen ("Sie haben Nummer 19: Bitte haben Sie etwas Geduld!"), und uns von der unabsehbaren Wartezeit möglichst kommunikativ abzulenken ("Möchten Sie etwas schreiben oder etwas lesen, während Sie warten?").

Von der Kommunikation zur Sabotage

Während einige Künstler die (un)begrenzten Kommunikationsmöglichkeiten im Netz betonten, wiesen andere auf das Rauschen des Mediums hin, indem sie Fehlermeldungen, Virusdrohungen oder Systemfehler simulierten. Daran orientiert sich beispielsweise die Arbeit des belgisch-holländischen Duos Jodi (Joan Heemskerk und Dirk Paesmans) – sei es bei seinen Collagen von Interface-Elementen oder in den "untitled games", in denen sie in die Quellcodes von ins Netz gestellten Videogames eingreifen.

Obwohl die wirksamsten Netzkunstprojekte von einem spontanen Interventionscharakter leben, neigt die net.art mittlerweile dazu, sich im institutionellen Rahmen zu verschließen. Vielleicht werden sich Netzkünstler schließlich mit dem nicht gerade zahlreichen (Fach)Publikum der Transmediale oder der Ars Electronica zufrieden geben. Oder sich schließlich im Netzraum unter den verschiedenen anderen spielerischen Aktionen verlieren, die sich nicht als "Kunst" verstehen.

Die realen Grenzen

Der britische Künstler Heath Bunting probiert zur Zeit aus, wie man die inneneuropäischen Grenzen illegal überqueren kann. Dabei dokumentiert er die Lücken der Grenzkontrollen und stellt die Informationen ins Netz – zu denen man allerdings nur von bestimmten Standorten aus Zugriff hat. Bunting stellt sowohl die EU-Emigrationspolitik als auch die illusorische Grenzenlosigkeit des Internets in Frage.

Konkrete Räume für die Verbreitung und Rezeption einer immateriellen Kunst zu verlangen, klingt widersprüchlich. Aber das scheint momentan der einzige Ausweg aus der Sackgasse zu sein. Vor allem in Gesellschaften, in denen die meisten potentiellen Kunstkonsumenten ihre ganze Arbeitszeit vor einem Computermonitor verbringen.