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Griechenland: Landwirtschaft oder High-Tech?

Andreas Becker9. März 2015

Im Streit um die vorläufige Einigung zwischen Griechenland und der Eurogruppe in den vergangenen Wochen trat ein wichtiges Thema in den Hintergrund: Wie sieht ein langfristiges Geschäftsmodell für das Land aus?

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Griechenland Akropolis Sonnenaufgang Symbolbild Aufschwung
Bild: Reuters/Y. Behrakis

Tourismus und Landwirtschaft sind die bekanntesten Sektoren der griechischen Wirtschaft. Im vergangenen Jahr verzeichnete das Land mit fast 22 Millionen Gästen einen neuen Besucherrekord. Beim Anbau von Oliven rangiert es weltweit auf Rang drei, nach Spanien und Italien.

In beiden Branchen gibt es Raum für Wachstum, wenn auch nicht besonders viel. Die Besucherzahlen könnten sich in den nächsten Jahren auf bis zu 24 Millionen pro Jahr steigern lassen, so eine Studie der Wirtschaftsberater von McKinsey. Und bei der Landwirtschaft könnte Griechenland mehr auf Bio-Produkte setzen und zudem versuchen, mehr Wertschöpfung im Land zu halten.

"Wenn das griechische Olivenöl nicht mehr in Italien raffiniert wird, dann wäre schon viel erreicht", sagt Christoph Schalast, Professor an der Frankfurt School of Finance and Management und Berater zahlreicher osteuropäischer Transformationsstaaten.

Neues wagen

Doch die Konzentration auf Tourismus und Landwirtschaft würde Griechenland langfristig nicht viel nützen. "Das allein bringt keinen Wohlstand", glaubt Alexander Kritikos, Forschungsdirektor am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin. "In einem Konglomerat von Industrienationen, die sich permanent erneuern, wird man dann abgehängt", sagt er mit Verweis auf die Industriestaaten in der Eurozone.

Hinzu kommt, dass griechischen Firmen sehr klein sind. "Die meisten Menschen arbeiten in Betrieben mit bis zu neun Mitarbeitern", so der Wirtschaftsforscher. Gegen größere Konkurrenten hätten sie Kostennachteile.

Griechenland wäre gut beraten, auf Zukunftstechnologien mit Wachstumschancen zu setzen. "Wenig bekannt sind die vorhandenen Stärken im High-Tech-Bereich", so Kritikos, "insbesondere in der Informationstechnologie, in der Pharmaindustrie und der Energietechnik."

Forscherschwund

Mit dieser "hochproduktiven Ressource" gehe Griechenland bisher allerdings "verschwenderisch" um, so Kritikos, "indem man sie durch Überregulierung kleinhält und viele Fachkräfte dazu bringt, dass sie Griechenland verlassen".

Kritikos verweist auf eine Statistik, nach der 85 Prozent der griechischen Forscher inzwischen im Ausland arbeiten. "Das gibt einem ein Gefühl dafür, wie groß das Potenzial wäre." Fragen der DW an das griechische Wirtschaftsministerium blieben bis zur Veröffentlichung dieses Berichts unbeantwortet.

Auch eine Studie im Auftrag der Europäischen Kommission kam 2014 zu dem Ergebnis, dass Überregulierung und verkrustete bürokratische Strukturen die Wettbewerbsfähigkeit der griechischen Wirtschaft behindern. "Das Rätsel der fehlenden griechischen Exporte", so der Titel, könne nur mit Strukturreformen gelöst werden.

Autos aus Griechenland

In der Tat sei der Einfluss des Staates auf die griechische Wirtschaft "teilweise vergleichbar mit ehemals sozialistischen Wirtschaftssystemen in Mittel- und Osteuropa", sagt Christoph Schalast von der Frankfurt School of Finance and Management.

Von diesen Transformationsländern könne Griechenland nun einiges lernen - bei der Umsetzung von Strukturreformen, aber auch bei der Ansiedlung neuer Industrien. "Warum sollte es in Griechenland nicht eine Automobilindustrie geben, als Fertigungsort für andere?", fragt Schalast.

Die boomende Autofertigung in Nicht-Euroländern wie Tschechien oder Rumänien will Schalast aber nicht als Plädoyer für einen Ausstieg der Griechen aus der Währungsunion verstanden wissen, ganz im Gegenteil: "Wir sehen es ja in Ländern wie Portugal, Spanien, Irland, oder einigen der baltischen Staaten, dass man mit dem Euro Reformen durchführen kann."

Euro als Voraussetzung?

Der Ökonom Hans-Werner Sinn, Direktor des Münchner ifo-Instituts, ist bekanntlich anderer Ansicht. Nur ohne Euro, mit einer stark abgewerteten Drachme, habe Griechenland eine wirtschaftliche Zukunft - als Touristenziel und Agrarland. "Die Bauern hätten wieder viel zu tun und es würden sehr viele Menschen dort beschäftigt", so Sinn gegenüber DW.

"Jetzt hilft nur noch die Drachme" - Grexit auf Zeit?

DIW-Forschungsdirektor Kritikos widerspricht. Nur mit dem Euro könne das Land vermeiden, auf den Entwicklungsstand der 1980er-Jahre zurückzufallen. Denn alle Industrien mit Zukunftschancen - IT-Branche, Pharma, Sonnen- oder Windenergie - brauchen Investitionen. Die aber würden ausbleiben, wenn das Land die Eurozone verlässt.

"Dann kann man damit rechnen, dass in Griechenland wieder die Druckerpresse angeworfen wird und man Inflationsraten von 30 Prozent sieht", sagt Kritikos. "Und dann wird überhaupt niemand mehr in diesem Land investieren, weil das Risiko, in einer sehr schwachen Währung einen Kapitalertrag zu erwirtschaften, viel zu groß ist."