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Griechische Rechtsradikale kommen vorerst frei

Jannis Papadimitriou20. März 2015

Der Chef der rechtsradikalen "Goldenen Morgenröte" und führende Mitglieder der Partei dürfen das Gefängnis verlassen - zumindest vorerst. Doch Ende April sitzen sie voraussichtlich auf der Anklagebank.

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Griechenland Partei Goldene Morgenröte Nikos Michaloliakos (Foto: imago/fosphotos)
Bild: imago/fosphotos

Der Chef der griechischen Rechtsradikalen, Nikos Michaloliakos, saß seit September 2013 in Untersuchungshaft im Gefängnis von Korydallos, einem Vorort der Hafenstadt Piräus. In Handschellen war er damals abgeführt und zum Verhör gebracht worden. Festgenommen wurden auch sein Parteisprecher Ilias Kassidiaris, der für die Gewerkschaftsarbeit zuständige Abgeordnete Jannis Lagos, Chefpropagandist Christos Pappas und weitere Mitglieder der Partei "Goldene Morgenröte".

Ihnen wird vorgeworfen, eine "kriminelle Vereinigung" gebildet zu haben. Nach dem griechischen Strafgesetzbuch handelt es sich um ein Delikt, das zehn Jahre Haft und in Tateinheit mit weiteren Straftaten sogar eine lebenslange Freiheitsstrafe zur Folge haben kann. Die Partei soll enge Kontakte zur Neonazi-Szene unterhalten und in Mord und Misshandlungen verwickelt sein.

Länger als 18 Monate darf die Untersuchungshaft allerdings nicht angeordnet werden. Da diese Frist überschritten wurde, dürfen Michaloliakos, Pappas und Lagos nun das Gefängnis verlassen und kommen gegen Auflagen vorläufig frei - bis zu ihrem Prozessbeginn, der für den 20. April vorgesehen ist.

Prozess wurde immer wieder verschoben

Ursprünglich hätte der Prozess schon im Herbst 2014 beginnen sollen, er wurde aber immer wieder verschoben. Dafür gebe es mehrere Gründe, sagt Vassiliki Georgiadou, stellvertretende Professorin für Politikwissenschaft an der Panteion-Universität in Athen. "In Griechenland ist es ohnehin üblich, dass Verfahren lange dauern", so Georgiadou im DW-Interview. Zudem gehe es hier um einen ganz besonderen und bisher einmaligen Fall: Auf über 1100 Seiten sei die Strafakte zur "Goldenen Morgenröte" im Laufe der Zeit angeschwollen.

Die mit der Ausarbeitung der Anklageschrift betrauten Juristen hätten wohl besonders gründliche Arbeit leisten müssen, damit alles auf eine solide rechtliche Grundlage gestellt würde. Außerdem seien der Wahlkampf und anschließend auch der Regierungswechsel in Griechenland dazwischen gekommen und die Verantwortlichen wollten anscheinend den Eindruck vermeiden, sie würden die möglichen Straftaten politisieren, sagt die Athener Politikwissenschaftlerin.

Anklageschrift nicht einstimmig verfasst

"Die Justizbehörden waren im Wettlauf mit der Zeit, aber sie haben es nicht geschafft, die Überschreitung der Frist zu vermeiden", berichtet die Gerichtsreporterin Ioanna Mandrou in der Zeitung "Kathimerini". Für Aufregung sorge zudem eine Minderheitsmeinung unter den Juristen: Nikos Salatas, einer der drei Richter, die mit der Anklageschrift betraut waren, vertritt die Auffassung, dass der Straftatbestand der "Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung" im vorliegenden Fall wohl nicht erfüllt sei.

Renommierte Juristen und Richter hätten diese abweichende Meinung kritisiert, erläutert Mandrou. Dennoch müsse man davon ausgehen, dass die "Goldene Morgenröte" das Sondervotum zu ihrer Verteidigung einsetzen werde.

Mehr als 60 Abgeordnete, Mitglieder und Mitarbeiter der rechtsradikalen Partei sollen am 20. April auf der Anklagebank sitzen. Ein Medienspektakel um diesen brisanten Fall ist offenbar nicht erwünscht: Anders als erwartet wird der Prozess vermutlich nicht im Gerichtsgebäude, sondern im Hochsicherheitsgefängnis von Korydallos stattfinden - und zwar in einem kleineren Raum, in dem kein Platz für Medienvertreter vorgesehen ist.

Dem Vernehmen nach, sagt Vassiliki Georgiadou, dürften interessierte Journalisten den Prozess in einem eigens dafür eingerichteten Presseraum verfolgen - zu groß würde sonst der Medienandrang in der Strafanstalt von Korydallos sein. "Die meisten Prozessbeobachter finden das nicht gut, schließlich handelt es sich hier um einen historisch einmaligen Fall in Griechenland, wenn nicht sogar in Europa", gibt die Politikwissenschaftlerin zu bedenken. Die Verantwortlichen müssten jedenfalls dafür sorgen, dass die Öffentlichkeit über den Prozessverlauf informiert wird.

Die Hochburgen der "Goldenen Morgenröte"

Georgiadou hat den Aufstieg der "Goldenen Morgenröte" in den vergangenen Jahren wissenschaftlich untersucht. Sie befürchtet, dass die Rechtsradikalen trotz der schwerwiegenden Vorwürfe durch die Justiz weiterhin bei vielen Wählern beliebt sind - vor allem in der griechischen Provinz. "Diese Partei hat mittlerweile ihre eigenen Hochburgen", erklärt Georgiadou.

Kundgebung Goldene Morgenröte (Foto: Socrates/Baltagiannis)
Die "Goldene Morgenröte" hat in einigen Regionen Griechenlands viele AnhängerBild: imago/Invision/S. Baltagiannis

"Es handelt sich etwa um bestimmte Wahlkreise auf dem Peloponnes, in denen schon in den 1970er Jahren ultrarechte oder königstreue Politiker überdurchschnittlich viele Stimmen für sich verbuchten, dann aber zu gemäßigten konservativen Parteien umschwenkten", so die Expertin. Beliebt sei die "Goldene Morgenröte" auch in Ortschaften in der Region Westmakedonien, "wo früher einmal die Orthodoxe Volksbewegung, eine rechtspopulistische Splitterpartei, ziemlich erfolgreich war."

Immerhin sei aber ein weiterer Aufstieg der "Goldenen Morgenröte" durch die Ermittlungen der griechischen Justiz verhindert worden. Zum Zeitpunkt der Festnahmen von führenden Parteimitgliedern habe die rechtsradikale Gruppierung in einschlägigen Umfragen noch bei einer Zustimmung von 15 Prozent gelegen - Tendenz steigend. "Doch seitdem verliert sie an Potenzial und wird wohl weniger attraktiv für Protestwähler", erklärt die Athener Politikwissenschaftlerin.