Remix-Museum
9. Juni 2014"Grumpy Cat" ist eine Berühmtheit im Netz, Fotos von ihr wurden tausende Male geteilt. Worte wurden ihr in den Mund gelegt, man setzte sie auf andere Hintergründe und drehte Youtube-Clips mit ihr. Sie ist ein sogenanntes Internet-Meme und jetzt ist sie auch im Museum gelandet. Im Remix-Museum, das die Initiative "Recht auf Remix" gegründet hat. Grumpy Cat steht natürlich nicht ausgestopft in einer Vitrine. Zu sehen ist nur ein Foto von der Katze, denn das Remix-Museum existiert nur virtuell.
Aber kann man eine Webseite überhaupt als Museum bezeichnen? "Den Begriff Museum dafür zu verwenden, das ist schon provokativ", gibt Annett Holzheid zu. Die Medienwissenschaftlerin von der Universität Siegen gehört zu den Kuratoren des Projekts. Trotzdem findet sie die Bezeichnung passend, denn wie bei einem richtigen Museum gehe es darum, Menschen mit den Werken in Kontakt zu bringen und ihnen Wissen zu vermitteln: "Wir wollen Fragen zum kulturellen Kontext beantworten: Warum ist der Remix in dieser Zeit entstanden? In welchen Facetten taucht er auf? Wie wird darauf reagiert", zählt Holzheid auf. Denn ein Remix ist eben nicht bloß eine per copy-paste erstellte Kopie. Oft steckt auch viel Kreativität darin: Ein guter Remix schafft aus einem Original etwas Neues - ohne das Original zu "verletzen".
Auf der Webseite wird deutlich, dass Remixe gar kein so neues Phänomen sind. Die ersten Vorläufer gab es schon Anfang des 20. Jahrhunderts. Ein Beispiel: das Bild "Je ne vois pas la femme cachée dans la forêt" von 1929. Um René Magrittes Gemälde "La femme cachée" herum gruppieren sich Passfotos von Intellektuellen des Surrealismus wie Salvador Dalí, Max Ernst und André Breton. Die Männer haben die Augen geschlossen und scheinen sich den Frauenkörper in ihrer Mitte zu erträumen. Das Werk nimmt Bezug auf die Geschlechterdebatte und mixt dabei alt und neu zusammen.
Auch die Briten haben im Zweiten Weltkrieg zum Remix gegriffen: Sie haben einen Nazi-Propaganda-Film umgeschnitten und mit einer damals sehr populären britischen Tanznummer unterlegt, um damit Hitlers nationalsozialistische Kriegsmaschinerie lächerlich zu machen.
Von Pop bis Kunst
Die Vielfalt der Remixe ist groß: So präsentiert das virtuelle Museum auch ein Foto von Gerhard Richter neben dem Hip Hop-Song "The Adventures of Grandmaster Flash on the Wheels of Steel". "Wir wollen die ganze Bandbreite der Remixkultur zeigen, deshalb stellen wir Popkultur und Kunst nebeneinander", sagt Leonhard Dobusch. Er forscht an der Freien Universität Berlin über transnationales Urheberrecht und ist einer der Gründer von "Recht auf Remix". Kuratorin Holzheid sieht in der Vielfalt aber auch ein Problem: "Man muss aufpassen, dass der Begriff nicht ausfranst."
Deshalb prüfen die Kuratoren mehrere Kriterien, bevor sie ein Werk für das Museum auswählen: Der moderne Remix muss in der digitalen Kultur entstanden sein, sodass er mithilfe von Technik leicht und schnell veränderbar ist und weiterverbreitet werden kann. Außerdem soll er einen eigenen kreativen Anteil besitzen. Dabei muss die Quelle aber immer noch erkennbar sein.
Recht versus Kreativität
Hier gibt es aber auch ein Problem. Denn nach dem europäischen Recht braucht der Remixkünstler die Erlaubnis des Urhebers, um seinen Remix zu veröffentlichen. Das kann allerdings kompliziert werden, wenn mehrere Kreative oder auch Plattengesellschaften angefragt werden müssen. Laut Dobusch schränkt dies Künstler in ihrer Kreativität ein: "Seit den Urteilen gegen Hip Hop-Remixe in den 90er Jahren ist die Zahl der Samples in Hip Hop-Stücken zurückgegangen."
Darauf soll das Remix-Museum aufmerksam machen. "Wir wollen Leute außerhalb der Netzgemeinde erreichen, die Kunst und Kultur machen, aber nicht für das rechtliche Problem sensibilisiert sind", sagt Dobusch. Das gelingt auch unfreiwillig: Einige Musikvideos, zum Beispiel DJ Shadows "Endtroducing", wurden von Youtube gesperrt. Der Grund ist ein Rechtsstreit zwischen dem Konzern Google, dem das Videoportal gehört, und der Gema, die die Rechte deutscher Urheber vertritt. Die beiden konnten sich bisher nicht einigen, wie viel Geld Google der Gesellschaft für die Videos zahlen soll.
Mehr Freiheit
Die Initiative "Recht auf Remix" fordert deshalb, das Urheberrecht zu verändern. Wer kein Geld mit seinem Remix verdient, soll nicht belangt werden. Für die kommerzielle Nutzung schlägt Dobusch vor, dasselbe Prinzip anzuwenden, das es schon für Coverversionen, also für Songs, die von anderen Künstlern neu eingespielt werden, gibt: Die verwendeten Stücke werden angemeldet und der Urheber bekommt Geld dafür.
Anwalt Michael Terhaag vertritt oft Künstler und hält von dieser Idee wenig: "Wer selber mal ein Buch geschrieben hat, weiß, wie viel Arbeit das macht." Er könne deshalb nachvollziehen, wenn die Urheber nicht wollten, dass jemand dieses Werk einfach verändere. Außerdem seien private Remixe ja erlaubt. "Man darf es nur nicht bei Youtube einstellen." Allerdings sieht auch er Probleme beim Urheberrecht. Denn die Frage, wann ein Werk schon eine Neuschöpfung ist, ist Auslegungssache. "Diese Rechtsunsicherheit ärgert mich", sagt Terhaag.
Remix als Appetithäppchen
Kuratorin Annett Holzheid glaubt nicht, dass Remixe die Urheber benachteiligen. Im Gegenteil: "Das ist wie bei einer Platte mit Appetithäppchen. Da bekomme ich erst Lust darauf, mir die Quelle anzugucken und zum Beispiel in die Musik der 50er Jahre reinzuschauen." Voraussetzung sei allerdings, dass man mit den Quellen respektvoll umgehe und immer die Namen nenne.
Kunst und Kultur leben davon, dass Menschen andere Werke weiterentwickeln. Sie können aber auch ausbluten, wenn Kunstwerke in vielfacher Kopie durchs Netz schwirren. Vielen Menschen ist jedoch gar nicht klar, was sie dürfen und was nicht. Solange das Urheberrecht noch nicht an die technischen Möglichkeiten angepasst ist, braucht es bessere Aufklärung darüber. Die sollte auch ein Bewusstsein dafür schaffen, dass es Kultur nicht zum Null-Tarif geben kann. Das Remix-Museum ist dazu ein erster Schritt.