G20 - im Namen der Natur?
2. September 2016Der Gipfel in China weicht thematisch von den bisherigen Zusammenkünften ab. "Zum ersten Mal steht offiziell der Klimawandel als zentrales Thema auf der Agenda", sagt Lina Li von Adelphi, einer unabhängigen Denkfabrik und Beratungseinrichtung für Klima, Umwelt und Entwicklung. Dies wurde bei einem Vorbereitungstreffen früher in diesem Jahr bekanntgegeben. "Das ist schon mal ein Highlight", findet die Projektmanagerin.
Klima dem, der Klima macht
Aber nicht nur deshalb glaubt sie, dass Klima- und Umweltfragen diesmal eine bedeutende Rolle spielen werden. Man müsse bedenken, dass die G20-Staaten nicht nur 85 Prozent der globalen Wirtschaft und zwei Drittel der Weltbevölkerung repräsentieren, sondern auch für rund 80 Prozent der energiebedingten Emissionen verantwortlich sind. "Die G20 werden sich langsam bewusst darüber, dass sie für den weltweiten Klima- und Umweltschutz eine wichtige Rolle spielen", so Li.
Seit 2015 gibt es zum Beispiel regelmäßige Treffen der G20-Energieminister. Zuletzt kamen sie Ende Juni 2016 in Peking zusammen. Dabei ging es um die Zukunft der Energie und die Reduktion von Treibhausgasen. Ein weites Feld - aber hinsichtlich der Verwirklichung des Pariser Klimaabkommens unumgänglich - und vor allem: dringend nötig, wenn man die gerade herausgebrachte Studie des internationalen Konsortiums "Climate Transparency" ernst nimmt.
Der Initiative bereiten vor allem Pläne für neue Kohlekraftwerke - die auf eine Verdopplung der Kapazitäten hinauslaufen soll - große Sorgen. Damit würde es "praktisch unmöglich", die weltweite Erwärmung auf zwei Grad zu begrenzen, so die Klimaschützer.
Zu kohlelastig
Deutschland kommt in dieser Studie nicht so richtig gut weg. Zwar war das Land lange Weltmeister beim Ausbau erneuerbarer Energien und vorbildlich bei der Finanzierung von Maßnahmen zur Anpassung und Entschädigung von Betroffenen des Klimawandels, doch sorgt der weiter sehr hohe Anteil der Kohleverstromung und Subventionen für fossile Energien für Kritik.
"Der Abbau von Subventionen für fossile Energie steht bei den G20 seit 2009 auf der Agenda", sagt Sonja Peterson, wissenschaftliche Geschäftsführerin beim Institut für Weltwirtschaft (Ifw) in Kiel. Dies hält die Klimaökonomin auch für eine wichtige Maßnahme, um tatsächlich die Emissionen zu senken. Bisher sei man dabei nur langsam vorangekommen.
Die USA und China haben einen gegenseitigen Monitoringprozess zum Abbau der Subventionen vereinbart und vor dem Klimagipfel in Paris auch gemeinsam ihre Klimaziele verkündet. China will demnach spätestens im Jahr 2030 den Höhepunkt seines CO2-Ausstoßes erreichen. Die USA wollen ihre Emissionen spätestens 2025 um 26 bis 28 Prozent unter das Niveau von 2005 drücken. Peterson geht davon aus, dass das Thema auch bei diesem Gipfel wieder auf die Agenda kommt, und China dazu ermuntern wird, diesen Ansatz auch auf weitere Länder auszudehnen.
China: ein vorbildliches Präsidentschaftsland?
Mit China ist seit dem Weltklimagipfel 2009 in Kopenhagen etwas passiert, meint Li von Adelphi. "Damals vertrat China die Position als Entwicklungsland und war der Meinung, dass das Klima in Verantwortung der Industrienationen war." Dies habe sich mittlerweile etwas geändert und China fühle sich nun auch zuständig für globale Herausforderungen, so Li.
Auch das Ifw hebt die Volksrepublik positiv hervor. "Sie haben in verschiedenen Regionen Emissionshandelssysteme eingeführt. 2017 soll dies landesweit eingeführt werden." Peterson ist sich sicher, dass dies auch bei den G20 ein Thema sein wird. "China nimmt die Klimaproblematik mittlerweile sehr ernst und hat auf nationaler Ebene auch sehr viel unternommen".
Neben dem Emissionshandelssystem steht da zum Beispiel der Ausbau der Erneuerbaren. China gilt weltweit als größter Investor in erneuerbare Energien - vor allem Windkraft. Außerdem hat China seine Energieintensität deutlich gesenkt, also die Menge der Energie, die verbraucht wird, um eine bestimmte Wirtschaftsleistung zu erzeugen.
"Ohne China und die USA ist Klimapolitik fast Makulatur"
Nur auf internationaler Ebene, da zeigt sich China noch etwas zurückhaltend. "Zum Beispiel, wenn es um das Festlegen von konkreten Zielen geht." Dass Chinas Emissionen erst nach 2030 nicht mehr wachsen sollen, sieht Sonja Peterson mit Blick auf das Zwei-Grad-Ziel eher kritisch. Immerhin ist China für fast ein Viertel der weltweiten Treibhausgase verantwortlich. Zusammen mit den derzeitigen Zielen der USA, die beim Emittieren ebenfalls ein "Global Player" sind, ist das 2-Grad-Ziel nach Peterson dann schon "fast Makulatur".
"International will sich China nicht zu sehr anspruchsvollen Zielen verpflichten, dafür unternehmen sie auf nationaler Ebene sehr viel", so das Fazit der Ifw-Geschäftsführerin. Als einen ebenfalls wichtigen Schritt sieht sie die Zusammenarbeit von China und den USA, um den Abbau der Subventionen für fossile Energie voranzutreiben.
Im Schatten des Paris Abkommens
Trotz der internationalen Zurückhaltung der Volksrepublik erwartet die Umweltorganisation Germanwatch, dass China und die USA kurz vor dem Gipfel in Hangzhou das Pariser Klimaabkommen ratifizieren. Dies hatte der chinesische Vize-Regierungschef Zhang Gaoli auch schon bei der Unterzeichnung des Kyoto-Nachfolgeabkommens in New York im April angekündigt. Dabei haben 175 Staaten das Abkommen unterzeichnet.
Das Paris Abkommen kann erst in Kraft treten, wenn mindestens 55 Staaten - die für mindestens 55 Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich sind - beigetreten sind. Lina Li von Adelphi glaubt allerdings nicht, dass dies noch vor dem G20-Gipfel passieren wird, eher gegen Ende des Jahres. "Damit würde China einen großen Teil zur Ratifizierung beitragen - das wäre eine tolle Geste", meint sie.
"Das wäre auch unsere erste Empfehlung an die G20-Staaten: voranzugehen, damit das Abkommen formal in Kraft treten kann", sagt auch Sonja Peterson vom Institut für Weltwirtschaft. Aber sie ist zuversichtlich. "Anders als beim Kyoto-Protokoll glaube ich nicht, dass der Klimavertrag lange nicht von genügend Ländern ratifiziert wird." Insbesondere deshalb, weil sich jedes Land seine Ziele erst einmal selbst setzen könne.
G20 im grünen Wandel
Bei den G20 ist ein Umdenken eingetreten, sind sich beide Expertinnen einig. "Sonst hatte ich eher im Gefühl, Klimapolitik sei ein Randthema", sagt Peterson, "die harten ökonomischen Themen waren andere." Mittlerweile vergehe aber kein Treffen, bei dem das Klimathema nicht als eines der wichtigsten globalen Probleme diskutiert werde. "Natürlich sind auch die klassischen Themen, wie Wachstum, Investitionen oder Handel sicherlich ebenso prominent, aber die Klimapolitik wird deutlich mehr mitgedacht als früher."
Mausert sich der G20-Gipfel also langsam zur Klimakonferenz? "Nein, so weit ist es noch nicht", sagt Projektmanagerin Li von Adelphi. Sie wünscht sich ein besseres Zusammenspiel der verschiedenen Sektoren. "Wenn zum Beispiel auch im Finanz- und Investitionssektor eine grüne Zukunft mitgedacht würde - das wäre schon eine gute Sache."