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"Guantanamo darf keine rechtsfreie Zone bleiben"

Daniel Scheschkewitz21. April 2004

In den USA stand am Dienstag (20.4.2004) erstmals die Rechtmäßigkeit der Militärgerichtsbarkeit für die Häftlinge auf dem US-Militärstützpunkt in Guantanamo in Kuba auf dem Prüfstand.

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Guantanamo Camp DeltaBild: AP

Anwälte der Familienangehörigen der Häftlinge auf Guantanamo hatten vor dem Obersten US-Gerichtshof in Washington dagegen geklagt, dass den mehr als 600 Personen der ordentliche Rechtsweg vor US-Gerichten seit nunmehr zwei Jahren versperrt ist, ohne dass ihnen bislang irgendwelche Straftaten nachgewiesen wurden. Die US-Regierung steht auf dem Standpunkt, dass es sich bei den Gefangenen nicht um ordentliche Kriegsgefangene handelt, sondern um feindliche Kämpfer ausländischer Staatsangehörigkeit, für die amerikanische Gerichte nicht zuständig seien.

In Sprechchören erinnerten Demonstranten vor der Verhandlung an die Grundrechte der amerikanischen Verfassung. Im Verhandlungssaal lieferten sich die Richter, die Vertreter der Regierung und der Kläger zum Teil scharfzüngige Wortwechsel, bei denen es vor allem um den Status der amerikanischen Militärbasis auf Kuba ging. "Ist Guantanamo nun eine amerikanische Enklave auf dem Territorium eines anderen Staates, oder was? Ich möchte wissen, womit man diese Beziehung zwischen den USA und einem Gebiet auf dem Boden eines anderen Staates vergleichen kann?", fragte Verfassungsrichterin Ruth Ginsberg.

Wo liegt Guantanamo?

Zentral für die Argumentation der US-Regierung ist der Umstand, dass Guantanamo zu Kuba und nicht zum Hoheitsgebiet der Vereinigten Staaten gehört. Deswegen hätten die Häftlinge dort auch keinen Anspruch auf den Rechtsweg vor amerikanischen Gerichten. Die Kläger bestreiten dies. Ihr vortragender Rechtsanwalt John Gibbons sagte: "Dies ist einer der wichtigsten Fälle, die das Verfassungsgericht in den letzten Jahren verhandelt hat. Die Bush-Regierung hat eine für wahr extreme Position eingenommen. Man hat einen rechtsfreien Raum geschaffen außerhalb der Vereinigten Staaten von Amerika , wo man Ausländer nach Gutdünken behandeln kann."

De facto jedoch, so Gibbons vor dem Gericht, übten die USA auf ihrem Militärstützpunkt die uneingeschränkte Hoheitsgewalt aus. Gegenwärtig sitzen über 600 Häftlinge aus 44 Staaten in Guantanamo in käfigartigen Zellen ein. Die meisten von ihnen wurden in Afghanistan aufgegriffen, einige aber auch in Pakistan, Bosnien oder anderswo, fernab von eigentlichen Kriegsschauplätzen.

Die Anwälte der Bush-Regierung berufen sich auf die Rechte des Präsidenten, dem als obersten Befehlshaber während eines Krieges auch die Militärjustiz untersteht. Chefanwalt Jay Seckulow vom "American Center for Law and Justice" sagte: "Wir hoffen, dass die Richter verstehen, was ihre Funktion ist. Nicht sie müssen den Krieg gegen die Terroristen oder irgend einen anderen Krieg führen. Das ist der entscheidende Punkt. Unsere Auffassung ist da ganz eindeutig. Der Präsident führt den Krieg als Oberbefehlshaber und nicht die 800 Richter an den Bundesgerichten."

Internationales Interesse

Aufmerksam beobachtet wurde der Auftakt des Verfahrens auch aus deutscher Sicht. Von Rabije Kurnaz aus Bremen, deren türkischer Sohn Murat Kurnaz in Guantanamo eingesperrt ist. Ihr deutscher Anwalt Bernhard Docke sagte nach der Anhörung des "Supreme Court": "Wir sind durch den Ablauf der Verhandlung hier und durch die Argumente, wie sie ausgetauscht worden sind, eigentlich ziemlich optimistisch. Dass so wie es bisher läuft, dass Gefangene in ein juristisches Schattenreich gestellt werden, ohne jegliche Kontrolle, dass das keine Zukunft hat."

Das Verfahren ist der Auftakt zu einer ganzen Reihe von Anhörungen vor dem US-Verfassungsgericht, bei denen die rechtliche Legitimation der Anti-Terror-Praxis Präsident Bushs auf dem Prüfstand steht. Mit einer ersten Entscheidung des "Supreme Court" zu Guantanamo wird für Ende Juni 2004 gerechnet.