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Guantanamo-Häftlinge dürfen klagen

Daniel Scheschkewitz 29. Juni 2004

In einem Grundsatzurteil hat das US-Verfassungsgericht den Häftlingen auf dem US-Militärstützpunkt auf Guantanamo das Recht eingeräumt, vor US-Zivilgerichten zu klagen. Eine Entscheidung gegen die Regierung.

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Guantanamo: kein rechtsfreier RaumBild: AP


US-Präsident George W. Bush hat in einem der wichtigsten Prozesse im Zusammenhang mit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 eine schwere Niederlage erlitten: Das Weiße Haus wollte die rechtliche Legitimierung für das unbefristete Festhalten von mutmaßlichen Terroristen und ihren Unterstützern erreichen. Daraus wird jetzt nichts mehr.

Der "Supreme Court" in Washington bestätigte zwar, dass der US-Präsident vom Kongress ermächtigt sei, im Krieg gegen den Terror weltweit und ohne Haftbefehl US-Bürger festzunehmen und zu internieren. Aber: Durch die Ermächtigung des Kongresses sei das Grundrecht auf eine Anhörung vor Gericht nicht aufgehoben, sagte Richterin Sandra Day O'Connor. "Das Gericht hat deutlich gemacht, dass ein Kriegszustand kein Blankoscheck ist, wenn es um die Rechte der amerikanischen Staatsbürger geht."

Wer hat Recht?

Gemäß dem Urteil können die Guantanamo-Häftlinge vor US-Bundesgerichten gegen ihre Inhaftierung klagen, obwohl sie auf dem Marinestützpunkt Guantanamo auf Kuba jenseits der amerikanischen Staatsgrenzen festgehalten werden. Anwälte der ausländischen Häftlinge hatten geltend gemacht, ohne Kontrolle amerikanischer Gerichte sei das Militärlager ein rechtliches Niemandsland. Da das kubanische Recht auf dem Marinestützpunkt nicht gelte, müsse US-Recht zur Anwendung kommen. Zur Begründung der mit 6:3-Richterstimmen getroffenen Entscheidung heißt es, der Militärstützpunkt in Guantanamo werde nach den Pachtverträgen mit Kuba unbefristet und umfassend von den USA kontrolliert. Deswegen gelte das Habeas-Corpus-Prinzip, wonach kein Mensch ohne richterlichen Haftbefehl auf Dauer festgehalten werden dürfe.

Die Bushregierung hatte dagegen argumentiert, Guantanmo sei kein US-amerikanisches Hoheitsgebiet. Sie wollte lediglich einen Teil der Häftlinge vor speziellen Militärtribunalen anklagen, ohne dass die Angeklagten ihr Urteil vor Zivilgerichten hätten anfechten können. "Unter den Gefangenen sind gefährliche Terroristen, die brutale Verbrechen begangen haben und die geschworen haben, dies wieder zu tun", hatte US-Verteidigungsgminister Donald Rumsfeld einzuwenden. Doch für die Mehrheit der US-Verfassungsrichter war diese Begründung irrelevant.

Schwere Schlappe für die Bushregierung

"Die Häftlinge können jetzt juristisch gegen ihre Inhaftierung vorgehen. Das hatte die US-Regierung unter allen Umständen verhindern wollen", erklärte der New Yorker Rechtsexperte Jeoffrey Toobin. Gegenwärtig halten die USA knapp 600 Gefangene aus mehr als 40 Ländern auf Guantanamo gefangen. Wie lange noch und unter welchen Bedingungen müssen, jetzt die US-Gerichte entscheiden. Der Rechtsweg steht nicht nur US-Bürgern, sondern allen Guantanmo-Häftlingen offen.

Ausdrücklich heißt es in der Urteilsbegründung, dass auch in Zeiten erhöhter Sicherheitsanforderungen der Schutz der elementaren Verfassungsrechte wirksam bleibe. Dies gilt auch im Falle des in Afghanistan fest genommenen US-Bürgers Yassir Esam Hamdi, der gegenwärtig ohne Anklage in einem Militärgefängnis im US-Bundesstaat South Carolina einsitzt. Nicht zuständig erklärte sich das Gericht dagegen im Falle des mutmaßlichen Terroristen und US-Staatsbürgers Jose Padilla, dem die US-Regierung vorwirft, in den USA einen Terroranschlag mit einer "schmutzigen Bombe" vorbereitet zu haben.