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Lehrer missbrauchte mindestens 35 Grundschüler

22. September 2016

Es passierte nicht nur an der Odenwaldschule in Südhessen. Auch an einer Grundschule im hessischen Darmstadt wurden Kinder jahrzehntelang von einem Lehrer sexuell missbraucht. Das gesamte Ausmaß wird erst jetzt bekannt.

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Darmstadt Elly-Heuss-Knapp-Schule (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/C. Völker

Wie bei der Odenwaldschule kommen die abscheulichen Vorgänge erst Jahrzehnte später ans Licht. Es geht um massenhafte sexuelle Übergriffe an der Elly-Heuss-Knapp-Schule, einer früheren Grund- und Hauptschule und heutigen Grundschule (Artikelbild). Nach einem Untersuchungsbericht, der von zwei Juristinnen in Wiesbaden vorgestellt wurde, hat ein Lehrer dort mindestens 35 Schüler sexuell missbraucht. Vermutlich ist die tatsächliche Opferzahl höher.

Täter verstarb in Haft

Der mittlerweile verstorbene Lehrer war 2005 für einige seiner Taten zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt worden. Laut dem nun vorgelegten Abschlussbericht missbrauchte der Lehrer von 1961 bis 1994 und in Einzelfällen darüber hinaus Kinder und Jugendliche - "und das oft täglich in mehreren Fällen".

Mit der Untersuchung waren die frühere Präsidentin des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main, Brigitte Tilmann, und die Rechtsanwältin Claudia Burgsmüller im Frühjahr vergangenen Jahres beauftragt worden. Sie stützten sich bei ihrer Arbeit unter anderem auf Tagebücher und Aussagen des Lehrers vor Polizei und Gericht. Zudem wurden die Betroffenen, aber auch Eltern und damalige Lehrer befragt.

Rechtsanwältin Claudia Burgsmüller (M) und die frühere Präsidentin des Oberlandesgerichts Frankfurt, Brigitte Tilmann, mit Kultusstaatssekretär Manuel Lösel
Vorlage des Berichts im hessischen KultusministeriumBild: picture-alliance/dpa/A. Dedert

Ihre Recherchen kommen zu dem Ergebnis, dass Chancen zu früheren Ermittlungen gegen den Lehrer wiederholt verpasst wurden: Viele Signale, die die Opfer, die damals noch Kinder waren, gegenüber Eltern und Lehrkräften gesendet hatten, wurden nicht beachtet, relativiert oder als Unsinn deklariert.

Der Staatssekretär im hessischen Kultusministerium, Manuel Lösel sprach gegenüber den Opfern, von denen einige bei der Vorstellung des Berichts anwesend waren, eine förmliche Entschuldigung aus für das "Versagen seitens der damaligen Lehrkräfte, der Schulleitung und der Schulverwaltung". Damit werde "die institutionelle und moralische Verantwortung" für das übernommen, "was an Versäumnissen seitens der Institution Schule geschehen ist". Der Staatssekretär kündigte an, dass das Land ein "symbolisches Schmerzensgeld" in Höhe von 10.000 Euro an die Opfer zahlen wolle.

(Foto: dpa)
Betroffene empfanden die Entschuldigung des Ministeriums als WertschätzungBild: picture-alliance/dpa/A. Dedert

Der ganze Umfang des Skandals und die Rolle, die die Schulgemeinde und die Schulverwaltung dabei spielten, war trotz der strafrechtlichen Aufarbeitung nie vollständig aufgeklärt worden. Deswegen waren Tilmann und Burgsmüller im April 2015 vom hessischen Kultusminister Alexander Lorz (CDU) mit der Untersuchung beauftragt worden. Die beiden Juristinnen hatten zuvor bereits den Bericht über die Missbrauchsfälle an der Odenwaldschule verfasst.

Die in Südhessen gelegene Schule hatte vor fünf Jahren durch einen Missbrauchsskandal international Schlagzeilen gemacht. In den 1970er und -80er Jahren war es an dem Internat zu sexuellen Übergriffen von Lehrern gegen Schüler gekommen. Maßgeblich daran beteiligt war der damalige Schuldirektor Gerald Becker, der bis dahin als renommierter Pädagoge galt. Becker starb 2010, ohne strafrechtlich zur Verantwortung gezogen worden zu sein.

uh/sti (dpa, afp, epd)