Odenwaldschule zahlt an Missbrauchsopfer
28. September 2010Zum Teil Jahrzehnte zurückliegende Fälle von Missbrauch an Kindern und Jugendlichen erschüttern seit Monaten das bekannte Elite-Internat Odenwaldschule im südhessischen Ober-Hambach bei Heppenheim. Nun will die die Reformschule den etwa 70 Opfern Geld als Entschädigung zahlen - obwohl die sexuellen Übergriffe juristisch verjährt sind. Der Sprecher des Schulvorstands, Johannes von Dohnanyi, nannte am Dienstag (28.09.2010) zwar keine genaue Höhe. Er sprach aber von einem insgesamt "sechsstelligen Betrag". Durchschnittlich könnten das rund 2000 Euro pro Person sein.
"Man muss etwas unternehmen"
Obwohl schon seit längerem von einem möglichen Entschädigungsfonds die Rede war, hatte es noch am Montag so ausgesehen, als würden die Betroffenen ohne Ausgleichszahlung leer ausgehen. Bei einem Besuch der Odenwaldschule hatte die ehemalige Familienministerin und Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth (CDU) erklärt, die Frage einer Entschädigung sei noch "ungelöst". Die Schule habe dafür gar kein Geld. Die Politikerin hat einen besonderen Bezug zu dem Internat: Sie unterstützt die Schule bei der Neuausrichtung.
Am Dienstag nun der offiziell verkündete Meinungswandel. Das Geld solle noch in diesem Jahr ausgezahlt werden, hieß es. Der Vorsitzende des Schulvorstands, Michael Frenzel, sagte, es gehe nicht um Schmerzensgeld, sondern um Hilfe. Der Betrag werde der Schule wehtun. Man müsse aber etwas unternehmen.
Für Opfer-Anwalt Thorsten Kahl ist die in Aussicht gestellte Summe von möglicherweise 2000 Euro zu niedrig. Er argumentiert, allein die Therapiekosten für seine Mandanten seien höher. Manche von ihnen könnten als Spätfolge noch nicht einmal einen Beruf ausüben. Kahl vertritt sieben Opfer, die Geld verlangen.
Die Vorwürfe
An der Odenwaldschule sollen zwischen den 1960er und Anfang der 1990 Jahre mehrere Lehrer Schüler missbraucht haben, meistens Jungen. Allein der inzwischen gestorbene Schulleiter Gerold Becker soll sich an 17 Jungen vergangen haben. Er hatte in einem Brief sexuelle Verfehlungen zugegeben und sich dafür entschuldigt. Zuletzt hatten die Juristen der Schule mehr als 70 Missbrauchsopfer gezählt, die sich gemeldet hatten. Beschuldigt wurde etwa ein Dutzend Erzieher.
Die Reformschule ist nicht die erste Einrichtung, die Missbrauchsopfer entschädigt. Zuvor hatten schon das oberbayrische Benediktinerkloster Ettal und der Jesuitenorden wegen der Missbrauchsfälle am Berliner Canisius-Kolleg den Opfern sexueller Gewalt Entschädigung angeboten.
Die katholischen Bischöfe haben noch nicht über Zahlungen an Missbrauchsopfer entschieden. Ein entsprechendes Modell solle in diesen Tagen dem Runden Tisch "Sexueller Kindesmissbrauch" vorgelegt werden, sagte ein Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz. Es sei aber noch offen, ob die Opfer eine pauschale Summe erhalten oder individuell nach der Schwere des Falles entschädigt werden sollten.
Autor: Herbert Peckmann (dpa, dapd)
Redaktion: Dirk Eckert