Habeck bringt Nahost-Staaten beim Klimaschutz zusammen
8. Juni 2022Am frühen Morgen stehen am Mittwoch Vizekanzler Robert Habeck und die Klimabeauftragte des Auswärtigen Amtes, Jennifer Morgan, am Ufer des Toten Meeres in Jordanien. Oder besser gesagt da, wo das Ufer noch vor wenigen Jahrzehnten war. Gut 20 Meter geht es von hier aus steil nach unten, erst dann kommt das Wasser. Einen Meter pro Jahr geht der Meeresspiegel hier zurück, an einem der heißesten Orte der Welt überhaupt. Jetzt, um kurz nach 9 Uhr Ortszeit, sind es schon fast 40 Grad.
Konferenz bringt Staaten der Region und Europas zusammen
Der sinkende Meeresspiegel ist eine Folge des Klimawandels, der diese Region so hart trifft wie kaum eine andere. Und der wiederum der Grund ist, warum Habeck und Morgan jetzt hier sind. Der deutsche Wirtschafts- und Klimaschutzminister hat zusammen mit den Gastgebern aus Jordanien den Vorsitz über den MENA Europe Future Energy Dialogue, einer kleinen Klima- und Energiekonferenz, an der rund 20 Staaten aus der Region teilnehmen, aber auch einige europäische Länder wie Griechenland und Tschechien.
MENA ist die Abkürzung für Middle East and North Africa, also für die Staaten des nördlichen Afrika und des Nahen Ostens. Bei ihrem Treffen geht darum, wie die Länder in Zukunft zusammenarbeiten können, um dem Klimaschutz zu begegnen.
Jennifer Morgan, die hier ist, weil sie viele der Akteure seit Jahren aus ihrer Zeit kennt, sagt der DW dazu: "Diese Konferenz ist wichtig und gut, weil sie verschiedene Akteure hier aus der Region ganz konkret mit europäischen Partnern und auch der EU-Kommission zusammenbringt. Und das ist einmalig." Morgan war lange Jahre eine bekannte Umweltaktivistin, zuletzt als Chefin von Greenpeace. Sie wurde im Frühjahr von Außenministerin Annalena Baerbock, wie Habeck Mitglied der Grünen, zur Beauftragten für den internationalen Klimaschutz ernannt.
Morgan: "Klimawandel zwingt zur Kooperation"
Dass die Europäer jetzt dabei sind, wie Morgan sagt, ist tatsächlich neu. Nicht aber, dass sich die rund 20 Staaten der MENA-Gruppe zu Energiefragen treffen. Das tun sie seit 2005, aber in den letzten Jahren fielen die Treffen der Corona-Pandemie zum Opfer. Jetzt, so Habeck fast euphorisch, "wagen wir einen neuen Aufbruch". Und, fügt Jennifer Morgan hinzu, gerade die immer heftiger werdende Erderwärmung könnte dafür sorgen, dass endlich konkrete Ergebnisse erzielt werden: "Es gibt sehr viele Abhängigkeiten zwischen diesen Ländern, gerade beim Thema Wasser und Energie. Und bei fortschreitendem Klimawandel sind sie ja fast zur Zusammenarbeit gezwungen."
Deutschland und Europa hätten einen "großen Energiehunger", sagte Habeck zu Beginn der Konferenz mit Blick auf die Umstellung auf erneuerbare Energien. Natürlich müssten Jordanien und die Region insgesamt zunächst die eigenen Märkte bedienen. "Aber wenn es möglich ist, hier in dieser sonnenreichen Region Strom zu produzieren und ihn nach Europa zu bringen über eine Kabelverbindung übers Mittelmeer" oder wenn mit Hilfe von Sonnenenergie produzierter Wasserstoff nach Europa gebracht werden könne, "dann freue ich mich darüber sehr", sagte Habeck. Vertreter von Deutschland, Jordanien und weiteren Staaten der Region unterzeichneten bei der Konferenz eine gemeinsame Erklärung. Darin verabreden sie unter anderem, Möglichkeiten zu erkunden für eine Stärkung der Energieleitungen zwischen der EU auf der einen und dem Nahen Osten sowie Nordafrika auf der anderen Seite. Das soll beim Ausbau erneuerbarer Energien in beiden Regionen helfen. Sie wollen zudem die Bedingungen für die Produktion von grünem, CO2-frei produziertem Wasserstoff vorantreiben.
Vereinbarung Israels, Jordaniens und der Emirate
Wie das praktisch aussehen könnte, machen gerade Israel, Jordanien und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) vor - Länder also, die sich ansonsten nicht viel zu sagen haben. Israel hat mit bislang rund sieben Prozent nur einen geringen Anteil von Wind- oder Sonnenenergie an der Stromversorgung, möchte den aber massiv steigern. In Israel selbst fehlen dafür die Flächen, die es aber in Jordanien sehr wohl gibt. Eine Vereinbarung vom vergangenen November sieht nun vor, dass Jordanien die Flächen zur Verfügung stellt und Israel den Nachbarstaat dafür mit dem dringend benötigten Wasser versorgt.
Die Vereinigten Arabischen Emirate hingegen, die ihren Öl- und Gasreichtum schon lange in Spitzentechnologien auch bei den erneuerbaren Energien investieren, sollen mit ihrem Knowhow helfen, dass die Infrastruktur dafür auch wirklich bereitgestellt wird. Ein Hoffnungsschimmer wäre das vor allem für Jordanien. Die Regenfälle haben in den letzten 80 Jahren hier um mehr als drei Viertel abgenommen. Die Wasserknappheit ist eines der dringendsten Probleme überhaupt für das Land.
Vom Wert großer Versprechen
Vorsicht ist bei der Ankündigung solcher Vorhaben jedoch geboten. Das wird etwa deutlich, wenn man mit dem Aktivisten von Ecopeace spricht, das ist eine der wenigen Umweltgruppen in der Region, in der Menschen aus Israel, Jordanien und den palästinensischen Gebieten zusammenarbeiten. Nada Majdalani, eine der Direktorinnen, berichtet bei einem Besuch Habecks in Ramallah, dem Regierungssitz der palästinensischen Gebiete, dass viele Vorschläge der Gruppe für einen Klimaschutz über die Grenzen hinweg scheitern, weil Israel eine Zusammenarbeit mit den Palästinensern ablehnt. Auch wenn der Klimawandel die Region immer härter trifft, bleiben die politischen Unversöhnlichkeiten. Habeck befindet sich gerade auf einer Reise durch den Nahen Osten, die noch bis Donnerstag andauert.
Eröffnung durch Habeck und den jordanischen Kronprinzen
Wie ernst aber die Jordanier die MENA-Konferenz nehmen, zeigt die Tatsache, dass Kronprinz Hussein bin Abdullah extra zur Eröffnung im Konferenzzentrum am Toten Meer erschienen ist. Von den deutschen Mitorganisatoren im Bundeswirtschaftsministerium hieß es, mit rund 200 Teilnehmern habe man gerechnet, jetzt seien es über 1000 geworden.
Für Minister Habeck bot sich die Chance, mit seinen Ministerkolleginnen und -kollegen so unterschiedlicher Staaten wie Ägypten oder dem Irak zu sprechen. Was aus der Absicht wird, trotz aller Gegensätze bei Energie- und Klimafragen zusammen zu arbeiten, muss aber erst die Zukunft zeigen. Eine nächste Gelegenheit, zu beweisen, wie ernst die Region des nördlichen Afrikas und des Nahen Ostens den Kampf gegen die Treibhausgase nimmt, ist die Weltklimakonferenz im ägyptischen Scharm El-Scheich im November. Die wird gerade mit einer Vorkonferenz in Bonn, dem Sitz den Weltklima-Sekretariats (UNFCCC) vorbereitet. Der Kampf um den Schutz des Klimas: Eine weltumspannende Sache.
(ergänzt mit Material von dpa)