Von Greenpeace ins Auswärtige Amt
9. Februar 2022Bundesaußenministerin Annalena Baerbock von den Grünen machte am Mittwoch in Berlin durchaus den Eindruck, dass ihr klar war, welche spektakuläre Personalie ihr da gelungen war. Sie strahlte und zeigte sich hocherfreut. Zuvor hatte das Bundeskabinett der Ernennung von Jennifer Morgan zur neuen Klima-Beauftragten der Regierung zugestimmt. Ein Amt, das es so bislang in Deutschland nicht gab. Anders als etwa in den USA, wo der frühere Außenminister John Kerry ein solches Amt innehat. "Das ist für mich eine Traumbesetzung und ein wichtiges Signal für den internationalen Klimaschutz", sagte Baerbock voller Stolz. Morgan sagte: "Ich nehme diese wichtige Aufgabe mit Freude und Entschlossenheit an. Die Zeit drängt, wir brauchen eine nie dagewesene internationale Zusammenarbeit."
Auf Klimakonferenzen immer präsent
Wahrscheinlich gibt es kaum eine Person, die so viele Beobachter, Klima-Aktivisten und Verhandler auf internationalen Klimakonferenzen kennt, wie Jennifer Morgan.Seit Jahrzehnten, seit Beginn der Klimatreffen Mitte der Neunziger Jahre, ist die US-Amerikanerin nicht wegzudenken von diesen alljährlichen Treffen im Rahmen der Vereinten Nationen. Erst war die heute 55 Jahre alte Politikwissenschaftlerin und Germanistin für die Umweltgruppe "Climate Action News" aktiv, dann auch für den WWF. Und seit 2016 ist sie eine von zwei Geschäftsführern von "Greenpeace International."
Auf vielen Klimakonferenzen suchen nicht nur Journalistinnen und Journalisten, sondern auch viele Regierungsdelegationen ihren Rat und ihre Einschätzung. Kaum jemand kennt sich so gut aus im Gestrüpp der komplizierten Klima-Verträge wie die US-Amerikanerin aus New Jersey.
Morgan muss noch deutsche Staatsbürgerin werden
Jetzt wechselt sie die Seiten und wird Klima-Beraterin im Auswärtigen Amt. Wenn Morgan, die schon lange in Berlin lebt, dann die deutsche Staatsbürgerschaft erhält, was schon bald geschehen soll, wird sie offiziell Staatssekretärin im Auswärtigen Amt. Und kann dann den künftigen deutschen Auftritten auf Klimakonferenzen ihren Stempel aufdrücken.
Annalena Baerbock hatte schon kurz nach ihrer Ernennung zur Außenministerin die internationale Klimapolitik an sich gezogen und wichtige Mitarbeiter aus dem Umweltministerium ins Auswärtige Amt geholt. Morgan wird sich nun mit einem Rollenwechsel anfreunden müssen: Ab sofort muss sie auf internationalen Treffen eben auch die Klimapolitik Deutschlands verteidigen. Zuletzt hatte etwa der Minister für Wirtschaft und Klimaschutz, Vizekanzler Robert Habeck, ebenfalls von den Grünen, eingeräumt, dass Deutschland seine Klima-Ziele in den nächsten zwei Jahren so nicht einhalten kann. Der massive Ausbau von Erneuerbaren Energien und der geplante frühere Ausstieg aus der Kohle-Verstromung bis 2030, statt wie bislang bis 2038, werden Herkules-Aufgaben für die Ampel-Koalition. All das muss Morgan ab sofort mit vertreten.
Kritik von der Opposition
Überhaupt: Eine frühere Umweltlobbyistin als neue deutsche Chef-Verhandlerin auf dem internationalen Parkett? Nicht alle Politiker in Deutschland finden das gut. Mit Verweis auf einige Greenpeace-Aktionen in der jüngeren Vergangenheit sagte etwa der stellvertretende Vorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion, Steffen Bilger auf Twitter: "Gefährdung des Luftraums der Fußball-Europameisterschaft, Farbe am Großen Stern auskippen, Autoschlüssel klauen und den Reichstag für Plakat-Aktionen missbrauchen. Und zur Belohnung gibt es von den Grünen einen Staatssekretär-Posten." Auch der Parlamentsgeschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Torsten Frei, erhob Lobbyismus-Vorwürfe. Er sagte der "Augsburger Allgemeinen": "Eine prominente amerikanische Lobbyistin auf die Schnelle einzubürgern und zu verbeamten, ist ein höchst eigenwilliger Vorgang."
Lobby-Control: "So ein Wechsel muss möglich sein."
Tatsächlich wird sich Morgan auf Kritiken wie diese einstellen müssen. Auch wenn sie nicht die Erste ist, die von den Umwelt- und Naturverbänden in die Politik wechselt. Auch der langjährige Staatssekretär im Bundesumweltministerium, Jochen Flasbarth, war zuvor mal Präsident der deutschen Umweltgruppe "NABU". Heute ist Flasbarth Staatssekretär im Entwicklungsministerium.
Er kennt Morgan seit vielen Jahren und ist voll des Lobes. Er sagt im Gespräch mit der DW: "Dass Baerbock Jennifer Morgan als Klima-Staatssekretärin gewinnen konnte, ist für die deutsche Klima-Diplomatie ein großer Erfolg. Sie kennt die internationale Klima-Agenda, ist bestens vernetzt und kennt die Verhandlungsprozesse." Ebenfalls kein großes Problem mit der Ernennung von Morgan hat die Organisation "LobbyControl". Deren Lobby-Experte Timo Lange sagte am Mittwoch: "Wir haben auch in der Vergangenheit betont, dass es möglich sein muss, Fachleute von außen in die Ministerien zu holen." Aber Lange ergänzte: "Klar ist aber auch, dass Morgan künftig die Positionen der Bundesregierung vertreten muss und nicht die von Greenpeace."
Die exzellente Vernetzung Morgans ist es offenbar, auf die Außenministerin Annalena Baerbock setzt. Morgan kennt sich auch mit der deutschen Klimapolitik bestens aus, war etwa 2007 Beraterin der Bundesregierung in Klimafragen, als die Bundesrepublik die wichtige EU-Ratspräsidentschaft inne hatte und den Klimaschutz auf dem G7-Gipfel in Heiligendamm das zentrale Thema war. Und an den regelmäßig erscheinenden Zustandsberichten des UN-Klima-Rates war Morgan auch als Autorin beteiligt. Fürs Erste ist der neuen Außenministerin mit dieser Personalie ein Coup gelungen.