Symbolstadt der Opposition
1. August 2011Hama ist schon seit Jahrzehnten eine Hochburg des Widerstands gegen die Baath-Partei, die das politische Rückgrat für das Assad-Regime bildet. Im Gegensatz zum alawitisch dominierten Machtapparat in Damaskus ist Hama hauptsächlich sunnitisch geprägt; die Stadt gilt als islamisch-konservativ. Seit der syrischen Unabhängigkeit 1946 wurde Hama immer wieder Schauplatz blutiger Auseinandersetzungen. Insbesondere die bis 1982 in der Stadt stark verankerte syrische Muslimbrüderschaft stellte sich wiederholt gegen die Regierung.
Erste Konflikte in der noch jungen Republik
Im Frühjahr 1964 flammte der Konflikt zwischen Regierung und Opposition in Hama zum ersten Mal auf. Islamisch-konservative Kräfte lehnten sich gegen die sozialistische Baath-Partei auf, die sich im Jahr zuvor an die Macht geputscht hatte. Schnell hatten sich die Muslimbrüder zur größten und einzig ernstzunehmenden Oppositionsbewegung entwickelt. Von der Baath-Partei verboten, radikalisierten sie sich rasch: Mit Streiks und Massendemonstrationen im ganzen Land lehnten sie sich gegen die Regierung in Damaskus auf. Die Baath-Partei reagierte mit Härte: Im April 1964 ließ sie Panzer und Truppen in Hama einrücken, dem Zentrum des Aufstandes. Die Unruhen wurden blutig niedergeschlagen, rund 100 Menschen starben. Große Teile der Altstadt wurden völlig zerstört.
Terror und Unterdrückung unter Hafez Al-Assad
1970 übernahm in Damaskus Hafez Al-Assad die Macht, und damit beruhigte sich die Lage erst einmal wieder. Doch schon nach wenigen Jahren brachen die Konflikte erneut auf. Ab Mitte der 1970er Jahre wurde eine ganze Reihe von Anschlägen gegen Mitglieder der syrischen Regierung und Armee verübt. Damaskus beschuldigte die Muslimbrüder, für die Attentate verantwortlich zu sein und ging hart gegen die Vereinigung vor. In der Folgezeit eskalierte der Streit zwischen der von Hafez Al-Assad geführten Baath-Partei und den Muslimbrüdern immer mehr: Es folgten unzählige Unruhen, Plünderungen, Schießereien und politische Morde. In der tödlichen Spirale aus Terror und Unterdrückung verloren tausende Syrer ihr Leben. 1980 stellte Assad schon allein die Mitgliedschaft bei den Muslimbrüdern unter Todesstrafe. Nur wenige Tage später überlebte er knapp einen Anschlag in Damaskus.
Die Massaker von 1981 und 1982
Im Mittelpunkt der Unruhen stand immer wieder Hama. Die Stadt wurde zum zentralen Widerstandsnest gegen das Assad-Regime - und das schlug blutig zurück. Nach einem fehlgeschlagenen Terrorangriff auf eine alawitische Siedlung in der Nähe von Hama rückte im April 1981 erneut die Armee in die Stadt ein, um dort ein Exempel zu statuieren: Rund 400 männliche Einwohner über 14 Jahren, die zuvor willkürlich aus der Bevölkerung Hamas selektiert worden waren, wurden exekutiert.
Den Widerstand brechen konnte diese Aktion jedoch nicht. Im Herbst 1981 schlugen die Muslimbrüder zurück und zündeten mehrere Autobomben in Damaskus - hunderte Syrer verloren dabei ihr Leben. Am 2. Februar 1982 zettelten die Anhänger der Muslimbrüder in Hama einen breiten Volksaufstand an und brachten große Teile der Stadt unter ihre Kontrolle. Die syrische Armee unter dem Kommando von Verteidigungsminister Mustafa Tlas reagierte mit größtmöglicher Brutalität und schoss die Stadt mit wochenlangen Bombardements buchstäblich sturmreif. Danach marschierten die Truppen in die Stadt ein. Dort sollen sie tausende von Zivilisten und politischen Gefangenen getötet haben. Unbestätigten Angaben zufolge wurden insgesamt 20.000 bis 30.000 Einwohner getötet. Assad ließ danach große Teile der Stadt mit Bulldozern abreißen und neu aufbauen, um das komplette Stadtbild systematisch zu verändern.
Bis heute tabu
Das Massaker von Hama markierte das Ende des sunnitischen Aufstandes gegen die Baath-Partei. Die überlebenden Muslimbrüder tauchten unter oder verließen das Land. Offiziell werden die Ereignisse in Syrien bis heute totgeschwiegen. Noch immer sind die genauen Umstände unklar, da Syrien große Anstrengungen unternahm, damit keine Informationen darüber ins Ausland gelangten. Und doch hat die jetzige Militäraktion der syrischen Armee erneut einen hochsymbolischen Charakter. Denn in den Köpfen der syrischen Oppositionellen hat sich das Massaker von 1982 tief eingebrannt. In den Zügen der jüngsten Anti-Assad-Demonstrationen hat sich die Stadt darüber hinaus erneut zu einer Hochburg des Protestes entwickelt. Mit der blutigen Niederschlagung der Unruhen hier scheint Syriens derzeitiger Staatschef Baschar al-Assad sich heute einen ähnlichen Befreiungsschlag zu erhoffen wie sein Vater vor fast 30 Jahren.
Autor: Thomas Latschan
Redaktion: Diana Hodali