Kaum erfüllbare Bedingungen für Waffenruhe
23. Juli 2014Internationale Diplomaten, Außenminister und UN-Vertreter bemühen sich hektisch um eine Waffenruhe im Gaza-Krieg. US-Außenminister John Kerry und UN-Generalsekretär Ban Ki Moon reisten nach Kairo, um Wege für ein Ende des zweiwöchigen Blutvergießens zu suchen - bisher vergeblich. Ungeachtet von etwa 600 getöteten Palästinensern und 29 getöteten Israelis dauern die gegenseitigen Angriffe an. Sowohl die Hamas als auch die Regierung in Jerusalem wollen weiterkämpfen, bis sie ihre jeweiligen Kriegsziele erreicht haben. Einlenken würde für sie wie eine Niederlage wirken.
Nach Ansicht des jordanischen Politikwissenschaftlers Hasan al-Momani haben sich beide Seiten in eine Sackgasse manövriert. "Hamas und Israel haben die Lage soweit eskaliert, dass es keinen Ausweg für sie gibt, bis sie nicht einige ihrer Ziele erreicht haben", sagt der Konfliktforscher der University of Jordan im DW-Gespräch.
Israel will solange weiterkämpfen, bis die Abschussrampen und die Schmugglertunnel der Hamas zerstört sind. Durch die Tunnel zwischen dem Gaza-Streifen und Ägypten rüstet die Palästinenserorganisation immer wieder auf. Die Hamas setzt al-Momani zufolge auf die weitere Zuspitzung, um den nötigen internationalen Druck für die Durchsetzung ihrer Ziele aufzubauen. Die Palästinenserbewegung wolle vor allem erreichen, dass die israelische Blockade des schmalen Küstenstreifens beendet wird. Außerdem müssten palästinensische Häftlinge aus israelischen Gefängnissen freikommen und die israelische Offensive gestoppt werden. "Die Krise ist für Hamas eine Möglichkeit, ihre politische Isolation aufzubrechen", meint al-Momani.
Ägyptens Vermittlungsposition geschwächt
Ein erster Anlauf für eine Feuerpause nach ägyptischer Vermittlung scheiterte vergangene Woche. Der bewaffnete Arm der Hamas, die Kassam-Brigaden, setzte seine Raketenangriffe auf israelische Städte fort. Im Gegenzug bombardierte auch die israelische Luftwaffe wieder Ziele im Gaza-Streifen. Nach Einschätzung von Shlomo Brom vom "Institut für Nationale Sicherheitsstudien" (INSS) in Tel Aviv genießt Ägypten nicht mehr das Vertrauen der Hamas. "Früher funktionierte die Vermittlung über Ägypten", erläutert der Sicherheitsexperte. Doch die neue Regierung in Kairo stehe der Hamas feindlich gegenüber. Nun würde die Hamas-Führung lieber Staaten wie die Türkei oder Katar als Vermittler sehen. Doch denen vertraue Israel nicht, sagt Brom.
Die Hamas könne die Angriffe derzeit nicht einstellen, weil sie dafür zu schwach sei, ist der Israeli Brom überzeugt. Wer sich in die Ecke getrieben fühle, kämpfe um sein Überleben. Nachgeben hieße für die Hamas, in den eigenen Untergang einzuwilligen. Die Hamas leidet nach Einschätzung des INSS-Fachmanns vor allem unter fehlendem Geld, weil viele Förderer sich abgewandt hätten, darunter der Iran. "Als Finanzquelle ist nur noch Katar übrig", erläutert Brom. Doch das Geld aus dem reichen Golfstaat lässt sich nicht einfach überweisen. Auch der Schmuggel von Geldkoffern durch die Tunnel sei schwieriger geworden. Durch die Zerstörung vieler Tunnel könne die Hamas auch keine Steuern mehr auf Schmuggelwaren erheben. "Sie sind bankrott", bilanziert der Israeli.
Zehn Hamas-Forderungen für eine Waffenruhe
Als Bedingungen für eine dauerhafte Waffenruhe hatte die Hamas zehn Forderungen formuliert. Dazu gehören ein israelischer Truppenrückzug und die Öffnung von Grenzübergängen aus dem abgeriegelten Gaza-Streifen. Außerdem sollen ein See- und ein Flughafen unter UN-Aufsicht in Betrieb genommen werden. Die Palästinenser verlangen außerdem eine Sperrung des Luftraums über Gaza für israelische Maschinen und die Erlaubnis, nach Jerusalem zu reisen.
Nach Einschätzung von Brom sind einige dieser Punkte jedoch unrealistisch. Dazu gehöre die Forderung nach einem Ende der Luftraumkontrolle. "Solange Hamas aufrüstet und sich als Feind Israels präsentiert, gibt es keine Chance, dass Israel damit aufhört", sagt der Forscher aus Tel Aviv. "Wir brauchen die Aufklärung, um gegen die Angriffe von dort vorzugehen", ergänzt Brom.
Ein möglicher Ausweg aus der Gewaltspirale ist Brom zufolge die nationale Versöhnung der Palästinenser. Wenn sich die Gruppen der Hamas und der Fatah von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas aussöhnten, trage das zur Stabilisierung der Lage bei. "Das könnte helfen bei einer stufenweisen Rückkehr der palästinensischen Autonomiebehörde in den Gaza-Streifen", glaubt Brom.
Die Hamas kontrolliert seit 2007 den Gaza-Streifen. Die Fatah-Funktionäre wurden von dort vertrieben. Erst vor knapp zwei Monaten hatten sich beide Seiten auf eine Einheitsregierung geeinigt. Doch Israel, das mit der Fatah-geführten Autonomiebehörde im Westjordanland in einigen Punkten zusammenarbeitet, hatte diese Aussöhnung torpediert. Das war Brom zufolge ein Fehler. Auch der jordanische Politikwissenschaftler al-Momani sieht in der Opposition Israels gegen die palästinensische Einheitsregierung einen der Gründe für die jüngste Eskalation. Eine der zehn Hamas-Forderungen bezieht sich genau darauf. Israel müsse versprechen, sich nicht mehr in inner-palästinensische Angelegenheiten einzumischen. Das dürfte aus israelischer Sicht ebenfalls kaum akzeptabel sein, solange Gruppen wie die Hamas weiter erklärte Feinde Israels sind.