Hannover Messe: Treffpunkt von Mensch und Roboter
23. April 2017Roboter, wohin man schaut: Überall in den riesigen Hallen auf dem Messegelände von Hannover werkeln sie vor sich hin. Manche schenken Bier ein, andere stellen Zuckerwatte her, bieten einen Espresso an oder bauen Legosteine zusammen. Das freilich hat mit der Realität nicht viel zu tun - aber ein bisschen Show gehört zu jeder Messe dazu: Schließlich buhlen mehr als 6500 Aussteller aus 70 Ländern um die Aufmerksamkeit der Besucher, die sich ab Montag (24.04.2017) über die neuesten Industrie-Trends informieren wollen. Und diese Trends, die laufen vor allem unter dem Schlagwort Digitalisierung. Die Fabrik der Zukunft, sie ist vernetzt. Die Maschinen kommunizieren miteinander und melden von selbst, wenn Reparaturbedarf besteht - oder besser noch: Bevor etwas kaputt geht, damit das Ersatzteil schon bestellt werden kann.
Angekommen in der Gegenwart
Was nach Star Treck klingt, ist alles andere als Science Fiction, denn das gibt es alles schon. Die Fabrik der Zukunft, sie ist angekommen in der Gegenwart. Und zu sehen gibt es das alles an den kommenden Tagen in Hannover, auf der größten Industrieschau der Welt. Eröffnet wurde die Messe am Sonntagabend von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Sie nutzte ihre Rede vor zahlreichen Managern aus aller Welt zu einem erneuten Appell für den freien Handel aus. Deutschland sei auch deswegen eine der stärksten Wirtschaftsnationen der Welt, weil es einen freien Austausch von Gütern, Dienstleistungen und Kapital gebe. Sie erteile "Abschottung und Protektionismus eine klare Absage, weil sie auf Dauer immer wieder zu Verlusten führen." Bezogen auf die Hannover Messe sagte sie, hier werde auf beeindruckende Weise gezeigt, wie Digitalisierung zu einer besseren Produktivität führen könne.
Die Hannover Messe will jedoch nicht nur zeigen, was Roboter heute schon alles können. Sie will den Menschen auch ein Stück weit die Angst nehmen, der Kollege aus Stahl, vollgestopft mit Elektronik und künstlicher Intelligenz, er nähme dem Menschen die Arbeit weg. Das Gegenteil sei der Fall, beteuert Messechef Jochen Köckler. "Von dieser Messe geht die Botschaft aus, dass der Mensch im Mittelpunkt steht und wir keine menschenleeren Fabriken haben werden." Es gehe mehr denn je um Assistenzsysteme, um die Chancen der Digitalisierung. "Das ist kein Feind, sondern macht die Unternehmen wettbewerbsfähiger."
IT-Riesen entdecken die Industrie
Und eine zweite Botschaft kommt aus Hannover: Anders als zuvor verschmelzen Maschinenbau, Elektrotechnik und IT, denn, so sagt Köckler im DW-Gespräch nicht ohne Stolz: "Wir haben aus der IT-Branche mit Microsoft, mit SAP, mit Intel Aussteller hier, die in die Industrie rein wollen. Die wittern hier Geschäfte - und das ist für uns als Messe natürlich super."
Super für die Messe findet es Köckler auch, dass man "ausgebucht" sei. 60 Prozent der Aussteller kommen aus dem Ausland, hinter Deutschland stellt China die meisten Aussteller, aber auch aus den USA, Partnerland im vergangenen Jahr, sind 150 Firmen vertreten. Messe-Partner in diesem Jahr ist Polen. Deutschlands östlicher Nachbar glänzt derzeit mit robustem Wirtschaftswachstum und sieht sich längst nicht mehr nur als Werkbank der Konzerne aus Westeuropa. Polens Regierung will jetzt vor allem Digitalisierung und Automatisierung vorantreiben, und da sei Hannover genau der richtige Platz für den Erfahrungsaustausch, so Ministerpräsidentin Beata Szydlo, die die Messe gemeinsam mit Angela Merkel eröffnete.
"Spannende Entwicklung"
Zumal die Entwicklung mit Riesenschritten vorankommt und es derzeit besonders spannend ist, wie Thilo Brodtmann sagt, Geschäftsführer beim Maschinenbauverband VDMA. Die Branche beschäftigt in Deutschland rund eine Million Menschen und gilt als einer der wichtigsten Industriezweige des Landes. "Wenn man es über die Jahre betrachtet, ist die spannendste Entwicklung die zunehmende Verschmelzung von Maschinenbau, Elektrotechnik, Software und IT. Das ist im Grunde das, was die Digitalisierung ausmacht."
Das Projekt, das in Deutschland unter dem Namen "Industrie 4.0" läuft, umfasse eine Dekade, "und wir beginnen jetzt die zweite Hälfte." Man sei jetzt an einen Punkt gekommen, wo man über den Datenaustausch zwischen dem Hersteller einer Maschine und seinem Kunden tatsächlich über den Lebenszyklus dieser Maschine hinweg den Kunden unterstützen könne, "also einen Mehrwert dadurch bieten kann, dass man ihn beraten kann, wie er den Service machen soll, wann Ersatzteile gebraucht werden, aber auch wie man die Produktivität durch Veränderung des Einsatzes weiter steigern kann."
Der lernende Roboter
Vor einigen Jahren schon griff die Hannover Messe die Themen "Industrie 4.0" und "Internet der Dinge" auf. Stand im Vorjahr die Vernetzung von Maschinen oder auch Fabriken im Mittelpunkt, so sind es in diesem Jahr "kollaborierende" Roboter, sprich: Den Roboter als Kollegen des Menschen. Klaus Mittelbach, Geschäftsführer des Elektrotechnik-Verbandes ZVEI, erklärt, wie das gehen kann: "Wir müssen uns sicher noch stärker darauf einstellen, ein Leben lang zu lernen. Und die Kooperation mit dem Roboter bietet da auch viel mehr Möglichkeiten."
Er nennt ein Beispiel: "Morgens bin ich fit, da kann ich mehr selber machen, nach dem Mittagessen bin ich ein bisschen müde, da könnte ich ehr Unterstützung vom Roboter bekommen, und abends habe ich noch mal eine zweite Luft, da kann der Roboter dann wieder weniger tun." So erlebe man eine neue Form der Zusammenarbeit, es werde neue Tätigkeiten, neue Herausforderungen geben. "Aber ich glaube gerade für Deutschland mit seiner zunehmend alternden Bevölkerung, ist das auch eine Riesenchance, unsere Volkswirtschaft voranzubringen."
Die Hannover Messe, übrigens im 70. Jahr ihres Bestehens, will an den kommenden Tagen zeigen, wie wir alle etwas davon haben, dass Internet und Roboter in die Fabriken eingezogen sind. Das Arbeiter künftig Datenbrillen tragen - in Hannover ist das schon Realität.