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Keine militärische Lösung

Sabrina Pabst24. April 2014

Nach der Schießerei in der Ostukraine fordert Rebecca Harms härtere Sanktionen gegen Russland. Über Putins Gleichgültigkeit gegenüber der internationalen Gemeinschaft äußert sie sich im DW-Interview kritisch.

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Rebecca Harms Europaparlament 19.02.2014
Bild: DW/L. Frey

Deutsche Welle: Frau Harms, nach Angaben der Regierung in Kiew sind bei Einsätzen der ukrainischen Armee mehrere prorussische Kämpfer getötet worden. Der russische Außenminister Lawrow hat in einem Interview mit Russia Today den Ton verschärft und die zunehmenden Anti-Terror-Operationen Kiews verurteilt. Sind nun diese Toten eine neue Stufe der Eskalation in dem Konflikt um die Ostukraine?

Rebecca Harms: Ich habe Zweifel an der derzeitigen ukrainischen Strategie der Anti-Terror-Maßnahmen. Ich habe von vornherein die Einsätze des ukrainischen Militärs gegen die sogenannten Separatisten kritisiert, egal woher diese kommen. Ich habe Verständnis dafür, dass Kiew mit seiner Armee die Grenzen kontrolliert und auch versucht die Infrastruktur zu bewachen. Aber ich glaube, dass die Auseinandersetzung in den Städten des Ostens der Ukraine um die Orientierung des Landes und um den demokratischen Neuanfang trotz der heftigen Bewaffnung dieser Separatisten nicht mit dem Militär geführt werden kann. Diesen Konflikt kann man nicht militärisch lösen.

Russland verstärkt die Präsenz an der ukrainischen Grenze und führt dort Militärmanöver aus. Derartige Machtdemonstrationen entsprechen nicht der Genfer Erklärung, die sowohl die Ukraine als auch Russland vor einer Woche in Genf unterzeichnet haben.

Gegen die Genfer Vereinbarung verstößt viel. Ich habe von Herrn Lawrow nicht gehört, dass er oder andere wie zum Beispiel Präsident Putin sich ausdrücklich dafür aussprechen, dass die sogenannten Separatisten ihre schwere Bewaffnung niederlegen. Das aber wäre sehr im Sinne dieser Genfer Erklärung. Bisher ist es so, dass Russland überhaupt nicht deutlich macht, dass es nicht hinter der Destabilisierung des Ostens der Ukraine steht.

Polen und das Baltikum haben darum gebeten, NATO-Truppen an die Grenzen zu Russland zu verlagern. Säbelrasseln auf beiden Seiten also?

Ich würde die Entsendung von einigen NATO-Truppen in osteuropäische Staaten nicht gleichsetzen mit der Besetzung der Krim oder mit dem Aufmarsch der russischen Armee entlang der Westgrenze Russlands. Das spielt in einer ganz anderen Dimension, und die NATO-Truppen sind auf Wunsch der europäischen Mitgliedsstaaten in Osteuropa dahin verlegt worden - und es sind keine großen NATO-Truppen dorthin verlegt worden. Ich halte es für symbolisch, was dort passiert. Das ist eine Reaktion auf eine sehr große russische Armee, die entlang der Grenze zwischen der Ukraine und Russland aufgezogen worden ist und ich könnte darauf verzichten. Ich könnte auch auf diese NATO-Aktivitäten verzichten.

Gleichwohl aber bin ich weiterhin der Meinung, dass es eine militärische Lösung dieses Konflikts zwischen der Ukraine und Russland, den Russland seit der Besetzung der Krim sehr stark gesteuert hat, nicht gibt. Ich glaube, dass der Weg, den die Europäer beschritten haben, richtig gewesen ist. Dass sie nach dem Bruch des Völkerrechts durch Russland auf der Krim gezielte Sanktionen gegen Verantwortliche beschlossen haben, zum Beispiel nicht nur gegen Russen, sondern auch gegen Ukrainer, die sich der Verbrechen gegen die Menschlichkeit schuldig gemacht haben oder im großen Stil Korruption betrieben haben. Ich glaube, dass das Weiterdenken in diesen nicht-militärischen Sanktionen stattfinden muss, um deutlich zu machen, dass die Europäische Union dieses Vorgehen Russlands nicht akzeptiert und dass sich die EU mit nicht-militärischen Mitteln für das Selbstbestimmungsrecht und die territoriale Integrität der Ukraine einsetzt.

Die Bemühungen haben Putin bislang nicht beeindruckt. Seinen harten Kurs fährt er weiter. Hat die EU noch nicht alle Möglichkeiten ausgespielt um deeskalierend agieren zu können?

Ukraine Unruhen in Slowjansk 24. April
Die Unruhen in Slowjansk dauern anBild: KIRILL KUDRYAVTSEV/AFP/Getty Images

Ich denke, wenn Russland weiter auf diesem Weg bleibt, der auf der Krim begonnen hat, dass dann tatsächlich die gut funktionierenden wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der EU und Russland überdacht werden müssen.

Es kann nicht sein, dass ethnische Begründungen seitens Russland ausreichen, um auf dem europäischen Kontinent Grenzen zu verschieben. Russland hat einen drastischen Bruch des Völkerrechts ohne eine akzeptable Begründung, die seitens Russlands heißt, es müsse Russen oder russischsprachige Ukrainer vor einer Bedrohung in der Ukraine schützen. Ich hatte nie ein Interesse daran, dass Russland isoliert werden sollte, aber ich habe jetzt den Eindruck, dass in Russland ein Präsident und eine Regierung das Geschehen bestimmen. Denen ist fast egal, was die internationale Gemeinschaft zu ihrem Vorgehen sagt.

Würden weitere Sanktionen Russland nicht isolieren? Dies wäre doch ein Schritt, den Sie vorher immer abgelehnt haben?

Ich glaube, dass die wirtschaftlichen Beziehungen zu Russland neu gedacht werden müssen. Russland ist schon jetzt kein Mitglied von G8 mehr. G8 ist jetzt wieder G7. Über diesen Weg in die Isolation entscheidet aber die russische Regierung selber mit ihrem Vorgehen.

Rebecca Harms ist Fraktionsvorsitzende der Grünen im Europäischen Parlament. Als Mitglied der Delegation für die Zusammenarbeit der EU und der Ukraine verfolgt sie die Geschehnisse und konnte sich mehrfach ein Bild der Lage vor Ort machen und mit verantwortlichen Politikern sprechen.

Das Interview führte Sabrina Pabst.