Harte Geduldsprobe
7. März 2013Der Bildschirm im Wahlzentrum war schwarz geworden. Schon seit Mittwochmittag (06.03.2013) liefen hier keine Ergebnisse aus den Wahlkreisen mehr ein. Die moderne Technik, die für einen Aufbruch in eine neue Ära der Transparenz bei Kenias Wahlen stehen sollte, war ausgeschaltet. Statt der Ergebnisse, die elektronisch aus den einzelnen Wahlbüros nach Nairobi geschickt und direkt in ein vorläufiges Ergebnis eingerechnet wurden, gibt die Wahlkommission nun alle paar Stunden die endgültigen Ergebnisse aus einzelnen Wahlkreisen bekannt. Die müssen dann zusammengezählt werden. Am Abend hatte die Wahlkommission auch wieder eine Grafik zu bieten. Sie zeigt nun, wie sich die ständig aktualisierten Zahlen entwickeln.
Die unabhängige Wahlkommission in Kenia hatte hohe Erwartungen gesetzt, als sie einen Tag vor der Wahl ankündigte, das Ergebnis der Präsidentschaftswahl binnen 48 Stunden zu veröffentlichen. Nun beruft sich der Vorsitzende Issack Hassan lieber wieder auf die sieben Tage, die ihm und seiner Kommission rechtlich zustehen, um das Resultat zu veröffentlichen. Er kündigte nun an, dass die endgültigen Ergebnisse frühestens am Freitagvormittag (08.03.2013) feststehen könnten.
Ärger über verspätete Ergebnisse
Ganz Kenia fragt sich, warum die Auszählung der Stimmen und die Bekanntgabe so lange dauert, warum die teuer angeschaffte Technik nicht funktioniert. Ein Taxifahrer kann seinen Ärger kaum zurückhalten: "Wenn das noch weiter verzögert wird, werden die Leute die Ergebnisse ablehnen. Dann kriegen wir hier richtig Probleme."
Der Politikwissenschaftler und Anti-Korruptions-Aktivist Mwalimu Mati teilt diese Sorge. Sein zermürbtes Gesicht zeigt Spuren der durchwachten Nächte seit dem Wahltag. "Die Wahlkommission klärt uns zu wenig auf, welche Probleme sie genau hat", sagt Mati. Deshalb würde jetzt viel spekuliert. "Und zwar in negativer Weise, denn die Leute fangen an zu glauben, dass hinter diesen Problemen möglicherweise andere Motive stehen."
Live, aber langsam
Es seien vor allem technische Schwierigkeiten, die eine schnelle Übermittlung der Zahlen an das nationale Wahlzentrum in Nairobi behindern, so Hassan. Hinzu komme noch eine besonders große Zahl an Wählern, die am Montag ihre Stimmen abgegeben haben. Er bedauere die Verzögerung. "Aber wir garantieren einen transparenten Auszählungsprozess", sagte Hassan in einer Pressekonferenz am Mittwoch.
Nachdem die elektronische Übertragung versagt hat, rief Wahlkommissionsvorsitzender Hassan alle Wahllokalleiter auf, die Ergebnisse persönlich nach Nairobi zu bringen. Dazu stellte er auch Flugzeuge und Hubschrauber bereit. Pressevertreter dürfen nun auch die Arbeit in der Halle beobachten, in der Mitarbeiter der Kommission alle Formulare aus 290 Wahlkreisen sortieren und prüfen. Sobald dies abgeschlossen ist, gibt die Kommission die endgültigen Ergebnisse Wahlkreis für Wahlkreis bekannt.
Warum aber auch aus den nahegelegenen Wahlkreisen - wie etwa aus Nairobi - die Wahlleiter nicht schon gestern ihre Ergebnisse im Wahlzentrum vorgelegt haben, können viele Kenianer nicht nachvollziehen.
Kenyattas Vorsprung ist nicht sicher
Die bis Mittwochnachmittag veröffentlichten Ergebnisse zeigten einen klaren Vorsprung von Uhuru Kenyatta. Dieser hatte sich zwar seit Montagabend von 17 auf knapp 12 Prozent verkleinert, sich dort aber seitdem stabil gehalten.
Die Anhänger des bisherigen Premierministers Raila Odinga hoffen derweil, dass ihr Favorit den Rückstand zu Kenyatta noch aufholt. Da die Ergebnisse aus vielen Hochburgen der Odinga-Allianz CORD noch nicht veröffentlich worden waren, etwa aus der Küstenregion Mombasa oder Odingas Heimatregion Kisumu, glauben auch Analysten, dass Odinga noch nicht chancenlos ist.
Endgültig einbüßen könnte Kenyatta einen möglichen Sieg im ersten Wahlgang, wenn die ungültigen Stimmen in der Endabrechnung berücksichtigt werden. Denn trotz der farblichen Markierung der Wahlurnen haben viele Wähler ihre Wahlzettel falsch eingeworfen. Diese Stimmen sind laut Wahlgesetz ungültig. Bislang wurden aber bereits rund 400.000 solcher Stimmen erfasst - diese übersteigen damit die Anzahl der Stimmen für den momentan drittplatzierten Kandidaten. In Kenia ist deshalb eine heiße Diskussion darüber entbrannt, ob die ungültigen Stimmen überhaupt zu den abgegebenen Stimmen gezählt werden dürfen. Würden sie in die Berechnung des Wahlergebnisses einfließen - und so ist es laut Kenias Verfassung vorgesehen - verlieren alle Kandidaten an Prozentpunkten, weil sich ihre Anteile an Stimmen auf eine größere Gesamtzahl beziehen. Damit würde aber auch Kenyatta seine bislang prognostizierte absolute Mehrheit knapp verfehlen und eine Stichwahl würde nötig werden.
Vor Gericht statt auf die Straße
Die Wahlkommission hat bereits angekündigt, diese Stimmen einzurechnen. Beobachter gehen davon aus, dass diese Entscheidung angefochten wird. Eine Stichwahl, und damit eine erneute Chance auf den Sieg, würde wohl vor allem Odingas - bisher zurückliegender - CORD-Allianz nützen.
Aktivist Mati hofft, dass der Streit um die Wahlergebnisse dieses Mal nicht auf der Straße ausgetragen wird, sondern vor Gericht. Der Erfolg der Reformen in Kenias Justiz könnte das Land vor neuen Unruhen bewahren. "2007 wurde der juristische Weg nicht genutzt, weil diese Institution keinerlei Glaubwürdigkeit besaß, aber das ist jetzt ganz anders", sagt Mati.