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Bei Teleskopen kommt's auf die Größe an

Brigitte Osterath16. November 2015

Astronomen planen, das größte Teleskop der Welt zu bauen. Proteste gegen das Mega-Projekt haben den Start der Bauarbeiten schon mehrmals verzögert. Ein Kompromiss scheint schwer möglich. Ein Bericht aus Hawaii.

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Geplantes 30-Meter-Teleskop Foto: TMT International Observatory
So soll das neue Mega-Teleskop aussehenBild: TMT International Observatory

Im 17. Jahrhundert beobachtete Galileo Galilei die Sterne mit optischen Teleskopen, die gerade mal eine 30-fache Vergrößerung hatten - wenn überhaupt. Und doch hat er damit die vier größten Monde des Jupiters entdeckt. "Ich habe in Florenz mal durch eines von Galileos Teleskopen geschaut", erzählt Klaus Hodapp, Astronom an der Universität von Hawaii. "Die Bildqualität ist grausig. Ein Wunder, dass Galilei mit dem Ding überhaupt was gesehen hat!"

Heutzutage beobachten Astronomen Vorgänge viel weiter weg, außerhalb unseres Sonnensystems, ja sogar unserer Galaxie. Dafür benötigen sie technisch sehr viel ausgefeiltere und größere Teleskope als damals. Auf Hawaii soll jetzt ein optisches Teleskop entstehen, dessen Spiegel 30 Meter im Durchmesser misst. Das ist ein absoluter Rekord, denn die größten Teleskope bisher haben nur einen Durchmesser von etwa zehn Metern. Daher auch der etwas einfallslose Name des neuen Geräts: 30-Meter-Teleskop.

Die Größe macht's

Je größer der Spiegel eines Teleskops ist, desto leistungsfähiger ist das Teleskop, sagt Rolf-Peter Kudritzki. Wie sein Kollege Klaus Hodapp ist er aus Deutschland nach Hawaii ausgewandert und arbeitet als Astronom an der Universität von Hawaii. "Ein Teleskop fängt wie ein umgedrehter Regenschirm Lichtteilchen ein", erklärt Kudritzki. "Je größer das Teleskop ist, desto größer ist die Lichtsammelfläche - und desto schärfer wird das Bild."

Mit größeren Teleskopen können Astronomen lichtschwächere Objekte im All beobachten. "Wir können viel tiefer und weiter ins Universum schauen als bisher", sagt Kudritzki, "und damit auch weiter in die Vergangenheit, weil das Licht von entfernten Objekten so lange braucht, um hierher zu kommen." Forscher hoffen, so mehr über die Anfänge des Universums zu erfahren - über das schwarze Loch im Zentrum unserer Galaxie beispielsweise. Existierte es bereits, bevor unsere Galaxie entstand? Oder war die Galaxie zuerst da?

Teleskope auf dem Mauna Kea Foto: Rainer Dückerhoff
13 Teleskope stehen derzeit auf dem Mauna Kea, Hawaiis höchstem VulkanBild: Rainer Dückerhoff

Mit größeren Teleskopen können Astronomen auch Planeten um andere Sterne besser beobachten und analysieren - um vielleicht einmal eine zweite Erde da draußen zu finden.

Auch in der Atacama-Wüste in Chile bauen Ingenieure derzeit an einem neuen Rekord: Das European Extremely Large Telescope soll sogar einen Spiegel von 39,3 Meter bekommen.

Oben auf dem Berg

Das 30-Meter-Teleskop wird auf dem Mauna Kea entstehen, mit 4200 Meter Hawaiis höchster Vulkan. Die Straße auf die Bergspitze ist eine Herausforderung: Sie ist steil und große Teile sind ungeteert. "Wir witzeln immer: Wenn ein Instrument den Weg rauf auf den Mauna Kea übersteht, dann übersteht es auch den Start mit einer Rakete", sagt Klaus Hodapp und lacht, während er seinen Vierrad-Jeep juckelnd über die Schotterstraße lenkt.

Oben auf dem Berg wird es besser: Staub in der Luft verschlechtert die Bildqualität der Teleskope, daher ist die Straße hier geteert. Auf dem Plateau glitzern hohe Gebäude mit weißen oder metallenen Kuppeln im Sonnenlicht; darin sind die Teleskope untergebracht. Andere Geräte sehen aus wie riesige Satellitenschüsseln. Insgesamt 13 Teleskope blicken - oder horchen - tief in den Himmel der nördlichen Erdhalbkugel. Eine geteerte Straße führt von Gebäude zu Gebäude - ein kleines, aber geräumiges Astronomendorf. Das 30-Meter-Teleskop soll auf einer offenen Fläche auf dem Nordplateau des Mauna Kea entstehen. Noch gibt es nicht viel zu sehen, abgesehen von ein paar Baufahrzeugen.

Interview mit Klaus Hodapp auf Mauna Kea Foto: Rainer Dückerhoff
DW-Reporterin Brigitte Osterath mit Klaus Hodapp auf dem Mauna KeaBild: Rainer Dückerhoff

Der Mauna Kea ist unter Astronomen bekannt für seine fantastische Sicht ins All. Laut Kudritzki ist es der beste Platz der Welt, um den Himmel der nördlichen Hemisphäre zu beobachten. "Hawaii liegt in der Mitte des Pazifiks wie ein winziger Punkt auf einer Tischplatte", erklärt er. "Winde, die Jetstreams, fegen ungestört über die Inselgruppe hinweg." Daher kommt es nur zu wenigen Turbulenzen in der Atmosphäre. Das ist gut, denn solche Turbulenzen erschweren astronomische Beobachtungen.

Viele kleine Spiegel

Große, leistungsfähige Teleskope zu bauen, ist seit Jahrzehnten ein Traum der Astronomen. Aber es ist leichter gesagt als getan. Einen Spiegel zu bauen, dessen Durchmesser über 8,4 Meter beträgt, schien lange Zeit unmöglich. "In dem Moment, in dem die Spiegel sich erwärmt haben, ist das Glas einfach zerbrochen", sagt Günther Hasinger, Direktor des Instituts für Astronomie an der Universität Hawaii.

Dann fanden Ingenieure die Lösung. Sie entwickelten segmentierte Spiegelsysteme: Darin sind viele kleine Spiegel so aufeinander justiert, dass sie wie ein einziger großer Spiegel wirken. Das 30-Meter-Teleskop wird aus 492 sechseckigen Spiegeln bestehen.

Adaptive Optik macht das Bild noch schärfer. Diese Technik wird seit den 1990er Jahren breit eingesetzt. Dabei kontrollieren Computer die Spiegelsegmente im Teleksop und korrigieren in Echtzeit die Verzerrungen, die durch die Turbulenzen der Erdatmosphäre entstehen. Alle modernen Teleskope arbeiten heutzutage so.

Teleskop auf dem Mauna Kea Foto: Rainer Dückerhoff
Der Mauna Kea - der beste Ort für astronomische Beobachtungen für die einen, ein heiliger Berg für die anderenBild: Rainer Dückerhoff

Anhaltende Proteste

Das 30-Meter-Teleskop soll seine Forschungsarbeit im Jahr 2024 aufnehmen. Aber das wird vermutlich knapp. Proteste gegen das neue Teleskop haben die Bauarbeiten bereits mehrfach verzögert. Den hawaiianischen Ureinwohnern ist der Mauna Kea als höchster Berg der Insel heilig. Einige von ihnen lehnen es vehement ab, dass auf ihrem heiligen Vulkan noch ein weiteres Teleskop entstehen soll - und dann auch noch so ein großes.

Eine Gegnerin ist Pua Case. Sie sagt, sie werde nicht aufhören, gegen dieses "Ding" zu kämpfen: "Sie haben bereits 13 Teleskope auf unserem Berg, sie haben unsere Bergspitze eingeebnet und sie komplett eingenommen. Jetzt noch ein Teleskop zu fordern, beleidigt uns zutiefst."

Das Gebäude wird 18 Stockwerke hoch sein, größer als jedes andere Gebäude auf der Insel. "Wir sind nicht gegen Wissenschaft und Astronomie", stellt Pua Case klar. "Wir sagen einfach, dass ein 18-stöckiges Gebäude auf unserem Berg nicht richtig ist. Wir werden es jeden Tag für den Rest unseres Lebens sehen, auch unsere Kinder und Kindeskinder."

Protest gegen Teleskop auf dem auna Kea Foto: Rainer Dückerhoff
"Bulldoze your own temple" - ebnet euren eigenen Tempel einBild: Rainer Dückerhoff

Als Kompromiss hat sich die Universität von Hawaii nun bereit erklärt, ein Viertel aller älteren Teleskope auf dem Mauna Kea abzubauen - um Platz für das neue zu machen. Aber die vehementen Gegner des Mega-Projektes wird diese Maßnahme kaum zufrieden stellen. "Es gibt keinen Kompromiss", sagt Pua Case. "Sie werden das Ding nicht bauen."

Schade nur, dass es gerade die enorme Größe des Teleskops ist, die Astronomen verspricht, Dinge zu beobachten, die ihnen bisher verborgen geblieben sind.