Maas' Mission in Teheran
9. Juni 2019Warum jetzt?
Die Gefahr eines Kriegs am Golf sorgt für wachsende Nervosität auf allen Seiten. Einige Geschehnisse des vergangenen Monats: Die Regierung von US-Präsident Trump hat im Zuge ihrer "Kampagne maximalen Drucks" die Sanktionen gegen den Iran weiter verschärft. Washington hat behauptet, Iran plane Angriffe auf US-Ziele in der Region und sei verantwortlich für Anschläge auf vier Öltanker vor der Küste der Vereinigten Arabischen Emirate. Die USA haben ihr Militär in der Region verstärkt und ihr diplomatisches Personal aus dem Irak weitgehend abgezogen. Iran verliert derweil seine "strategische Geduld": Ab dem 7. Juli will sich Teheran nicht mehr an alle Verpflichtungen aus dem Atomabkommen halten, sollten die Europäer keine wirksamen Wege finden, dem Iran trotz der US-Sanktionen wirtschaftliche Anreize für den Verbleib im Abkommen zu geben. Zum Gesamtbild gehört auch der Angriff der mit Iran verbündeten jemenitischen Huthi-Rebellen auf eine strategisch wichtige Ölanlage in Saudi Arabien.
Was sind die Ziele des deutschen Außenministers?
In Abstimmung mit England und Frankreich will Maas seine iranischen Gesprächspartner im Abkommen halten, genannt "Joint Comprehensive Plan of Action", JCPoA. Maas wolle für "Ruhe, Besonnenheit und Deeskalation werben", hatte seine Sprecherin am Donnerstag erklärt. Maas wird vor allem versuchen, den Iran von seinem am 7. Juli ablaufenden Ultimatum an die Europäer abzubringen. Insbesondere wird Maas dafür werben, dem zu Jahresbeginn von England, Frankreich und Deutschland gegründeten Zahlungskanal INSTEX zur Umgehung der US-Finanzsanktionen mehr Zeit zu geben, um arbeitsfähig zu werden. Allerdings: Selbst wenn INSTEX funktionieren sollte – Maas kann deutsche Unternehmen nicht zwingen, sich im Iran zu engagieren. Die aber fürchten, in irgendeiner Form doch von US-Sanktionen getroffen zu werden.
Auch mit US-Außenminister Mike Pompeo hatte Maas bei dessen Besuch vor einer Woche in Berlin gesprochen. Die USA waren schon durch die vorbereitende Reise vom Politischen Direktor des Auswärtigen Amtes, Jens Plötner, nach Teheran irritiert worden und blicken ausgesprochen kritisch auf die europäischen Bemühungen, das 2015 nach langen und komplizierten Verhandlungen geschlossene Atomabkommen zu retten. Der erste Besuch eines deutschen Außenministers in Teheran seit zweieinhalb Jahren wird Washington vermutlich verärgern.
Was erwartet Maas in Teheran?
Bei aller Bedeutung von Symbolik und guten Absichten: Iran sucht nach praktischen Wegen aus der Sanktions-Falle der USA. Der "maximale Druck" aus den USA läuft aus iranischer Sicht auf einen Wirtschaftskrieg hinaus und hat bereits schweren wirtschaftlichen Schaden verursacht: Die Ölexporte sind stark gesunken und werden wohl weiter sinken; die iranische Währung hat zwei Drittel ihres Wertes eingebüßt; die Inflation galoppiert. Zwar sind Nahrung und Medizin theoretisch von den Sanktionen ausgenommen. Die sanktionsbedingte Abkoppelung vom weltweiten Finanzsystem hat trotzdem zu Verknappung und einer humanitären Krise geführt.
All das hat vor allem die Hardliner innerhalb des Regimes gestärkt – jene, die schon 2015 davor warnten, dem Westen dürfe man nicht trauen. Der Druck in Teheran ist entsprechend hoch. Entsprechend gering sind die Aussichten, dass Maas mit konkreten Ergebnissen zurückkehren wird. Dennoch: Bislang hält sich der Iran noch an die Vorgaben des Atomabkommens, wie die Internationale Atomenergieagentur IAEA kürzlich erneut festgestellt hat. Themen jenseits des Atomprogramms anzusprechen wie etwa das Raketenprogramm oder Irans Rolle in der Region, hat ein Sprecher des iranischen Außenministeriums als "irrelevant" abgelehnt.
Wie ist die Haltung der USA?
In jüngster Zeit kamen versöhnlichere Töne von US-Präsident Donald Trump. Dieser erklärte ausdrücklich, er strebe keinen Regimewechsel im Iran an, wolle keinen Krieg und sei für Gespräche offen. Trump hat im Stillen auch die Zielsetzung seiner Sanktionspolitik reduziert: Jetzt spricht er nur noch davon, eine iranische Atombombe verhindern zu wollen.
Damit steht Trump im Gegensatz zu seinem nationalen Sicherheitsberater John Bolton. Der propagiert seit Jahren einen Regimewechsel in Teheran und hat die Eskalation am Golf maßgeblich mit befeuert. Am 5. Mai hatte Bolton noch die "rote Linie" für eine militärische Eskalation vernebelt: Jedem Angriff auf die Interessen der USA oder ihrer Alliierten werde mit unerbittlicher Macht begegnet. Ohne bei dieser Kriegsdrohung zu definieren, was genau die US-Interessen, wer die Alliierten oder deren Interessen sind.
Iran-Hardliner Mike Pompeo hat zwar in seinem jüngsten Gesprächsangebot an Teheran seine im letzten Jahr formulierten zwölf Bedingungen nicht mehr genannt - die für einen souveränen Staat kaum akzeptabel waren. Aber Pompeos nachgeschobene Bemerkung, Iran müsse sich wie "ein normaler Staat" verhalten, lässt vermuten, dass Pompeo sich zwar der rhetorischen Linie seines Präsidenten anpasst, ohne ihr aber inhaltlich zu folgen. Beobachter beunruhigt, dass zwischen John Bolton und einem Krieg gegen den Iran nur noch Donald Trump zu stehen scheint.
Wie kann es weiter gehen?
Nachdem Flugzeugträger und Bomberstaffeln in Marsch gesetzt wurden, nimmt jetzt die Diplomatie Fahrt auf. Nach Maas wird der japanische Staatschef Shinzo Abe in Teheran erwartet – auf einer von Donald Trump ausdrücklich begrüßten Vermittlungsmission. Auch der Irak und Oman wollen vermitteln, beide mit guten Verbindungen sowohl zu Washington als auch Teheran.
Erstes Ziel müssen direkte Gespräche zwischen Iran und den USA sein. Ohne Sanktionserleichterungen aber wird sich Teheran nicht mit Washington an einen Tisch setzen. Auf lange Sicht kann die Region nur zur Ruhe kommen, wenn es zu Gesprächen über eine gemeinsame Sicherheitsarchitektur kommt, die den Interessen aller Beteiligten Rechnung trägt – zwischen den konkurrierenden Regionalmächten Iran und Saudi-Arabien. Irans Außenminister Javad Sarif hat Anfang Juni seine Bereitschaft zu Gesprächen mit Saudi-Arabien erklärt.