Kampf mit dem Chaos
26. April 2015Nach dem schweren Erdbeben ist die Lage im bitterarmen Nepal katastrophal. Schwere Nachbeben und heftige Regenfälle behinderten die Rettungsarbeiten nach dem Erdbeben mit mehr als 2300 Toten. Helfer arbeiteten teils mit bloßen Händen, um Opfer aus eingestürzten Gebäuden zu befreien. Es fehlt an professionellen Gerätschaften, um Verschüttete rasch zu bergen. In der nepalesischen Hauptstadt Kathmandu liegen ganze Straßenzüge und Plätze in Trümmern. Auch jahrhundertealte Tempel sind dem Erdboden gleich.
Kaum Platz in den Leichenhäusern
Zwar fanden sich zahlreiche Freiwillige in den Kliniken ein, um bei der Versorgung der Verletzten zu helfen. Die meisten Krankenhäuser aber waren so überfüllt, dass Zelte aufgestellt werden mussten.
Ein Arzt sagte, die meisten Verletzten seien Kinder. Viele hätten Kopfverletzungen und Brüche erlitten. Und für die vielen Toten ist in den Leichenschauhäusern bald kein Platz mehr. Viele Angehörige könnten ihre Toten aber gar nicht abholen, da sie selbst verletzt seien oder wegen der zerstörten Straßen irgendwo festsäßen, erklärte ein Polizeisprecher.
Mehr als 2300 Todesopfer
Die Opferzahl des Erdbebens in der Himalaya-Region stieg am Sonntag auf mehr als 2400. In Nepal gab es laut dem Katastrophenschutzzentrum mehr als 2300 Tote und mehr als 6200 Verletzte. In Nordindien stieg die Zahl der Toten nach Behördenangaben auf 67, die chinesischen Behörden meldeten 18 Tote in Tibet.
Starke Nachbeben in Nepal verbreiteten Panik unter den Überlebenden. Erdstöße der Stärke 6,7 hatten am Mittag die Region erschüttert und weitere Zerstörung angerichtet. Im Himalaya-Gebirge lösten sich neue Schnee- und Schlammlawinen. Weiterhin macht Kälte den Überlebenden zu schaffen. Zehntausende Menschen hatten die Nacht auf Sonntag unter freiem Himmel verbracht, in Panik vor einer weiteren Katastrophe.
Schwierige Bedingungen in der Provinz
Besonders schlimm ist die Lage in den abgelegenen Provinzen. In der Stadt Dhading, etwa 80 Kilometer von der Hauptstadt Kathmandu entfernt, bauten sich viele Menschen selbst Notunterkünfte aus den Trümmern oder schlafen aus Angst vor Nachbeben trotz Dauerregens gleich ganz im Freien. "Es gibt keinen Strom und bald wird auch das Trinkwasser knapp", warnte Santosh Sharma von der Hilfsorganisation Care.
Organisationen wie Ärzte ohne Grenzen versuchen zwar Decken und Zelte aus Indien ins Land zu bringen, doch die Straßen sind durch Erdrutsche gesperrt. Indische Hubschrauber hätten zwar über 100 Verletzte aus der Region nach Kathmandu oder ins Krankenhaus von Dhading gebracht, berichtet ein örtlicher Helfer dort. Die Flieger, behindert durch schlechtes Wetter, hätten jedoch keinerlei Hilfsgüter eingeflogen.
Internationale Hilfe beginnt
Die internationale Hilfe für die Erdbebenregion ist inzwischen angelaufen. Aus Deutschland schickte die auf Bergung von Erdbebenopfern spezialisierte Hilfsorganisation I.S.A.R. Germany am Sonntagmittag 52 Bergungsexperten, Ärzte, Sanitäter und Suchhunde auf einem Sonderflug Richtung Nepal. Die christliche Hilfsorganisation Malteser International entsandte ein Erkundungsteam, um sich ein Bild von der Lage zu schaffen. Auch Caritas startete einen Nothilfeeinsatz, während Care Experten nach Nepal schickte, um ihre 150 Mitarbeiter vor Ort zu unterstützen.
Das Deutsche Rote Kreuz kündigte an, am Montagabend von Berlin ein Flugzeug mit 60 Tonnen Zelten, Decken, Hygienepaketen und anderen Hilfsgütern nach Nepal zu schicken. Der vom Auswärtigen Amt finanzierte Flug sollte auch eine Trinkwasseraufbereitungsanlage transportieren. Das Auswärtige Amt erklärte, es bemühe sich um Aufklärung über den Verbleib deutscher Bürger in Nepal, doch handele es sich vielfach um Individualreisende, die sich weder an- noch abmeldeten.
Rettungsaktion am Mount Everest
Die US-Hilfsorganisation USAID schickte Rettungskräfte los und sagte eine Million Dollar an Hilfsgeldern zu. Neuseeland und Australien stellten zusammen mehr als 4,5 Millionen Dollar bereit. Indien flog mit zwei Militärflugzeugen eigene Bürger aus, während Pakistan einen Flug mit Hilfsgütern losschickte. China entsandte 62 Spezialisten mit Spürhunden nach Nepal. Allerdings mussten einige Flugzeuge mit Hilfsgütern am Mittag wieder abdrehen, weil der internationale Flughafen von Kathmandu zwischenzeitlich wegen des heftigen Nachbebens geschlossen werden musste.
Am Mount Everest lief bereits eine Rettungsaktion für die etwa 1000 Bergsteiger und Träger an, die sich nach offiziellen Angaben zum Zeitpunkt des Erdbebens auf dem Berg aufhielten. Ein erstes Hilfsflugzeug brachte verletzte Bergsteiger nach Kathmandu. Mindestens 17 Menschen waren am gestorben, als eine gewaltige Lawine infolge des Erdbebens Teile des Basiscamps am Mount Everest unter meterhohen Schneemassen begrub. Im Frühling ist Haupt-Klettersaison an dem 8848 Meter hohen Berg.
Das verheerende Erdbeben am Samstag hatte eine Stärke von 7,8 und war das schwerste Erdbeben in der Region seit 1934, als ein Beben der Stärke 8,1 in Nepal und Indien 10.700 Menschen das Leben kostete.
cw/stu (dpa, afp, rtr)