Hemmungsloser Handel
27. Mai 2003Die Idee des Freihandels verfolgt die Weltgemeinschaft schon seit langem. So brachte das General Agreement on Tariffs and Trade (GATT) bereits kurz nach dem Zweiten Weltkrieg eine weltweite Verpflichtung zum Abbau von Handelsschranken. Doch selbst mehr als fünf Jahrzehnte später bleiben die Probleme noch immer die gleichen. Regelmäßig streiten die Industrieländer über illegale Schutzzölle und Subventionen, und auch die Entwicklungsländer suchen den zweifelhaften Schutz hoher Handelsbarrieren. Bis zu 80 Prozent betragen die Einfuhrzölle für Fahrzeuge und Fahrzeugteile in Thailand, während Textilien auf den Philippinen mit annähernd 50 Prozent verzollt werden.
Neue Handelsabkommen in Asien
Doch gerade in Asien ist Bewegung in die Handelspolitik gekommen, sowohl innerhalb der Region als auch im Außenkontakt. Die Vereinigung ASEAN (Association of Southeast Asian Nations), der unter anderem Malaysia und Singapur angehören, hat nicht nur die Freihandelszone AFTA (ASEAN Free Trade Area) ins Leben gerufen. Auch hat sie in Gesprächen mit Japan, Indien, Australien und Neuseeland weitere wichtige Schritte zu einem unbeschränkten Handel in Asien unternommen. Zusammen mit China entsteht zudem innerhalb der nächsten zehn Jahre die größte Freihandelszone der Welt: Mit mehr als 40 Milliarden Dollar schlug der Handelsverkehr zwischen China und den ASEAN-Ländern im letzten Jahr zu Buche.
In den Kontakt mit Ländern außerhalb Asiens kommt ebenfalls Bewegung. Anfang Mai haben die USA mit ihrem zehntgrößten Handelspartner Singapur ein Freihandelsabkommen geschlossen, das Zölle senken und mehr Transparenz schaffen soll. Außerdem soll US-Firmen der Markteinstieg in Singapur erleichtert werden. Singapur gewinnt damit eine Vorreiterrolle für die Asienaktivitäten von amerikanischen Firmen. "Für Unternehmen, die über Asien nachdenken, sollte Singapur der erste Gedanke sein," gab der dortige US-Botschafter Frank Lavin die Parole aus.
Lateinamerika wackelt
Indes drohen die Aktivitäten in Asien und dem Rest der Welt – etwa in Mittelamerika und Afrika – einen anderen Prozess durcheinander zu bringen. Seit anderthalb Jahren verhandeln die 144 Staaten der Welthandelsorganisation über den Wegfall von Handelshemmnissen und Subventionen. So fordern die USA etwa eine völlige Zollfreiheit für Industriegüter bis 2015. Schon jetzt ist fraglich, ob die im November 2001 in Doha im Osten Qatars festgesetzten Ziele wie geplant bis 2005 erreicht werden können. Dabei erschweren die amerikanischen Schutzzölle auf Stahlimporte ebenso die Verhandlungen wie eine Abmachung zwischen dem französischen Staatspräsidenten Jacques Chirac und Bundeskanzler Gerhard Schröder, die Agrarsubventionen in Europa für zehn Jahre einzufrieren.
USA zeigen Entschlossenheit
In diesen so konfliktreichen Prozess bringen die verschiedenen Einzelabkommen nun weitere Unruhe. Die Konzentration auf diese Vereinbarungen könne den Doha-Prozess in den Hintergrund drängen, geben beteiligte Beamte zu Protokoll. Robert Zoellick, oberster Handelsvertreter der USA, verteidigt unterdessen das Vorgehen seiner Regierung: "Wir werden nicht zusehen, wie andere gegen Amerikas Wunsch nach offenen Märkten ihr Veto einlegen." Man werde sich denen anschließen, die sich "nach vorne bewegen" wollen.
Vielleicht geht von den Entwicklungen in Asien allerdings auch ein positives Signal aus. Der Freihandel als Idee scheint mittlerweile vielerorts anerkannt. Erste positive Erfahrungen könnten bald letzte Zweifel zerstreuen und für Nachahmer sorgen. Und doch wird noch so einiges diplomatisches Geschick nötig sein, um aus dem Flickenteppich der Handelsabkommen eine weltweite Freihandelszone zu formen.