Hoffen auf Milliardenaufträge
11. Mai 2003Ursprünglich hatte Bundeskanzler Gerhard Schröder auf seiner ersten größeren Auslandsreise in dieser Legislaturperiode eine 28-köpfige Wirtschaftsdelegation mitnehmen wollen. Doch wegen möglicher Ansteckungsrisiken mit der Lungenkrankheit SARS wurden die Pläne über den Haufen geworfen: Neben Wirtschaftsminister Wolfgang Clement wird nur noch Siemens-Chef Heinrich von Pierer die Anliegen der deutschen Wirtschaft in Malaysia, Singapur, Indonesien und Vietnam vertreten. Außerdem wurde die Reise, zu der die Delegation am Samstagabend (10. Mai 2003) aufbrach, um einen Tag verkürzt, weil Schröder schon am kommenden Freitag (16. Mai 2003) den amerikanischen Außenminister Colin Powell in Berlin empfangen will.
Von der Finanzkrise schnell erholt
Von Pierer, der auch Vorsitzender des Asien-Pazifik-Ausschusses ist, freut sich jedenfalls über seine politischen Begleiter: "Das ist in Asien wichtiger als in vielen anderen Regionen der Welt, weil dort in einigen Ländern der staatliche Einfluss eine größere Rolle spielt als anderswo." Es gehe aber auch darum ein angenehmes Klima zu schaffen. "Dazu trägt die Politik natürlich sehr bei, denn große Entscheidungen über Partnerschaften oder über Projekte fallen vor dem Hintergrund guter politischer Beziehungen", sagt von Pierer.
Das Interesse der Wirtschaft an dieser Region ist jedenfalls sehr groß. Denn seit der Finanzkrise Ende der 90er Jahre haben sich diese Staaten erstaunlich schnell erholt, und weisen inzwischen wieder Wachstumsraten auf, von denen der Kanzler nur träumen kann: Für dieses Jahr werden in Singapur 3,4, in Indonesien 3,5, in Malaysia 5,3 und in Vietnam 6,2 Prozent Wirtschaftswachstum erwartet. Zwar sind die Auswirkungen der SARS-Krise in dieser Region schwer zu beziffern, doch die Bundesregierung glaubt, dass höchstens mit einem Abschlag von 0,3 Prozentpunkten zu rechnen sei.
Wichtigster Handelspartner außerhalb Europas
Für Deutschland sind die Länder des asiatischen Marktes jedenfalls schon längst wichtige Handelspartner: "Der deutsche Export nach Asien-Pazifik hat 2001 eine Steigerung von 7,3 Prozent gehabt. Die Region ist noch vor den USA der wichtigste deutsche Handelspartner außerhalb Europas", sagte Wirtschaftsminister Clement zum Reiseauftakt.
Deutschland tauschte im vergangenen Jahr mit Singapur Waren und Dienstleistungen im Wert von 7,7 Milliarden Euro aus, mit Indonesien 3,7 Milliarden, mit Malaysia sechs Milliarden und mit Vietnam 1,7 Milliarden Euro. Die Wirtschaft hat die Region auch schon längst als Standort für Direktinvestitionen entdeckt. So haben sich zum Beispiel in Singapur bereits 600 deutsche Firmen engagiert und rund 4,3 Milliarden Euro investiert, in Malaysia 1,3 Milliarden und in Indonesien 440 Millionen Euro.
Zuerst nach Malaysia
Erste Station für die Kanzler-Delegation ist Malaysias Hauptstadt Kuala Lumpur. Dort weiht der Kanzler ein Siemens-Kompetenzzentrum ein, das im höchsten Gebäude der Welt, den Petronas-Türmen, untergebracht ist. Malaysia plant zurzeit den Ausbau einer 680 Kilometer langen Eisenbahnverbindung zwischen der thailändischen Grenze im Norden und der Grenze zu Singapur im Süden, und Siemens hofft, dort Aufträge im Wert von gut 1,1 Milliarden Euro ergattern zu können. Zudem, so berichtet zumindest die malaysische Presse, stünde Siemens kurz vor dem Abschluss eines Auftrages für ein Kraftwerk in Höhe von 1,4 Milliarden Euro.
In Indonesien geht es um neue Aufträge in den Bereichen Energie, Bergbau, Stahl, Chemie, Pharmazie, Maschinen- und Anlagenbau und Telekommunikation. Vor allem die Meyer-Werft aus Niedersachsen erhofft sich neue Aufträge für Schiffe - schließlich hat Indonesien mit seinen über 5000 Inseln einen großen Bedarf an Fähren. Ein seit 1971 bestehendes Abkommen über Investitionsförderung und ist im Sinne der deutschen Wirtschaft geändert und von Bundeskanzler Schröder unterzeichnet worden.
Prestigeträchtiger Auftrag
In Vietnam schließlich geht es um Projekte der Trinkwasserversorgung, der erneuerbaren Energien, der Kommunikations- und Informationsindustrie und der Bauwirtschaft. So hofft ein deutsches Architekturbüro, den Neubau des vietnamesischen Parlamentsgebäudes planen zu können. Ein prestigeträchtiger Auftrag.