Hendricks: "Die Welt guckt auf Europa"
4. April 2014DW: Frau Hendricks, bevor Sie Umweltministerin wurden, haben sie mit diesem Themenfeld nur am Rande zu tun gehabt. Wie schwer war es, sich in die oft komplexen Themen einzuarbeiten?
Barbara Hendricks: Da sollen besser andere beurteilen, die mich beobachten. Aber bislang ist es, glaube ich, ganz gut gelungen.
Die Energiewende bringt ja im Wesentlichen Ihr Parteichef voran, Wirtschaftsminister Gabriel, die Zuständigkeit für die Erneuerbaren Energien haben Sie an ihn abgegeben. Ist das Umweltministerium jetzt nicht mehr so wichtig?
Ich glaube nicht, dass das dem Stellenwert des Umweltministeriums geschadet hat. Ich halte es für vernünftig, den gesamten Energiebereich in einem Ministerium zusammenzuführen. Wenn wir uns an die letzte Wahlperiode erinnern, so gab es ständig Streit zwischen dem Wirtschaft-und Umweltministerium, so dass notwendige Entscheidungen gar nicht gefallen sind. Deswegen hatten wir ja auch diesen Entscheidungsstau im Gesetz für die Förderung der Erneuerbaren Energien, der jetzt aufgelöst wird. Natürlich hätten Sigmar Gabriel und ich uns verstanden beim Thema Energie, aber das muss ja nicht immer so sein. Deswegen halte ich es für richtig, dass der gesamte Bereich Energie jetzt in einem Haus zusammengeführt worden ist. Aber das Umweltministerium bleibt ja für den Klimaschutz zuständig, und das ist eine der größten Herausforderungen, der sich die Energiewende stellen muss. Im Übrigen hat das Ministerium die Zuständigkeiten für Stadtentwicklung und Bau hinzubekommen, und das gibt es vieles, was wir für die Umwelt tun können.
Sie wollen noch vor Ostern ein Sofortprogramm zum Klimaschutz vorlegen, nachdem der Weltklimarat nochmals eindringlich vor der Folgen der Erderwärmung gewarnt hat. Sie haben auch gesagt, Deutschland sei die Vorreiterrolle beim Kampf gegen die Treibhausgase zuletzt abhanden gekommen. Was meinen Sie konkret?
Wir müssen jedenfalls in Deutschland glaubwürdig daran arbeiten, den Klimaschutz weiter voranzubringen. Das heißt, unser Ziel, bis 2020 die Emissionen um Minus 40 Prozent zu senken, müssen wir tatsächlich erreichen. Dazu müssen wir auch rasch weitere Maßnahmen ergreifen, denn das ist ja nicht mehr so lange hin. In der Tat: Wir müssen in Europa weiterhin als führende Klimaschutznation wahrgenommen werden. Nicht weil wir der Streber in der Schule sein wollen, sondern weil wir diese Rolle einmal erbarbeitet haben. Denn beim Klimaschutz guckt die Welt auf Europa und Europa auf Deutschland.
Nach der Krim-Krise ist viel über die Abhängigkeit von russischem Gas und Öl in Deutschland diskutiert worden: Die Kanzlerin ist dafür, auch über Importe von Schiefergas aus Amerika nachzudenken, das mit der umstrittenen Fracking-Methode gewonnen wird. In Deutschland selbst aber- sagen Sie - wird es kein Fracking geben. Warum nicht?
Für uns ist es eindeutig, dass wir Fracking nicht zulassen wollen. Jedenfalls solange toxische Substanzen in die Erde gepresst werden. Und das ist beim Fracking ja der Fall. In unserem Bergrecht brauchen wir eine verbindliche Umweltverträglichkeitsprüfung, und das heißt wohl, dass bei uns Fracking nicht möglich wäre. Schauen Sie sich auch die räumlichen Bedingungen in Deutschland an, verglichen mit dem Mittleren Westen der USA oder Kanada, dann wird deutlich, dass wir Fracking nicht mit gutem Gewissen in Deutschland vorantreiben sollten.
In dieser Woche sind Sie sogar in Sachen Fußball-WM in die Schlagzeilen gekommen. Während der Spiele in Brasilien heben Sie die Lärmschutzverordnung auf für die stimmungsvollen Public-Viewing-Veranstaltungen. Womit sich eine Umweltministerin so alles beschäftigen muss…
Ach nein, das sind doch Dinge, die den Menschen wirklich nahe sind. Die Politik will ja nah bei den Menschen sein. Es gab solche Ausnahmen vom Lärmschutz ja schon bei den letzten Welt-und Europameisterschaften, seit es Public-Viewing gibt. Neu ist jetzt die große Zeitverschiebung zwischen Brasilien und Deutschland. Es gibt sogar ein Vorrundenspiel, das erst um drei Uhr in der Nacht bei uns abgepfiffen wird. Viele Spiele beginnen um 22 Uhr oder um Mitternacht. Die Kanzlerin hat in der Kabinettsitzung gesagt. "Wenn Sie das jetzt anordnen, müssen sich schon auch mal selbst zum Public-Viewing gehen." Ich habe gesagt, dass ich das mal um Mitternacht mache, aber davon, um drei Uhr in der Nacht ein Spiel anzugucken, davon muss sie mich freistellen…
Barbara Hendricks, 61 Jahre alt, ist seit Dezember vergangenen Jahres Ministerin Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, wie es offiziell heißt. Die langjährige Schatzmeisterin der SPD kam etwas überraschend zu diesem Amt; mit Umweltthemen hatte sie sich zuvor nur am Rande befasst. Barbara Hendricks war am Donnerstag, dem 3. April 2014 zu einem Hintergrundgespräch im Hauptstadtstudio der Deutschen Welle in Berlin zu Gast.
Das Gespräch führte Jens Thurau.