1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

"Hey, Taxi" - der Ruf, den es kaum mehr gibt

14. März 2021

Auch die Taxifahrer gehören zu den großen Verlierern der Corona-Krise. Ihre Einnahmen stürzten ins Bodenlose, viele Fahrer haben mittlerweile aufgegeben.

https://p.dw.com/p/3qXlJ
Martin Gauchel, Taxifahrer
Taxifahrer Martin Gauchel vor seinem Wagen in BonnBild: Oliuver PIeper/DW

Vor ziemlich genau einem Jahr ahnt Martin Gauchel, dass sein Traumjob Taxifahrer wohl nie mehr so sein wird wie zuvor. Das Busreiseunternehmen, mit dem der Bonner zusammenarbeitet und dessen Fahrgäste er bis zum Treffpunkt kutschiert, storniert auf einen Schlag 30 Aufträge. "Wir machen bis zum Sommer nichts mehr", sagen sie ihm. Und das ist nur der Anfang.

Gauchel schaut im Frühjahr 2020 in seinen Terminkalender für die nächsten Wochen. Gähnende Leere. "Das war so eine Aha-Erlebnis", sagt der 56-Jährige.

Es sollte in den nächsten Monaten nicht viel besser werden. Martin Gauchel fährt heute nur noch halbtags, hat vier bis fünf Fahrten pro Tag. In der Branche gehört er noch zu denjenigen, die mit einem blauen Auge durch die Krise gefahren sind. Ihm bleiben seine älteren Stammkunden, die er nach Terminvergabe zum Arzt, zur Ergotherapie oder den Massagen bringt.

Gauchel ist einer von 327 Taxi-Konzessionären in Bonn. Vor 30 Jahren hat er als Student angefangen und sofort Blut geleckt. Martin Gauchel blieb hängen, weil er immer mit Menschen arbeiten und sein eigener Herr sein wollte. "Für mich war es nie das Wichtigste, viel Geld zu verdienen, mit dem Taxifahren wird man nicht reich. Mich hat die Selbstständigkeit gereizt."

Weil in Deutschland alles zu ist, fährt kaum noch jemand Taxi

Als die Corona-Krise vor einem Jahr auch über die Taxifahrer hereinbricht, muss er deswegen nicht lange überlegen, was zu tun ist. Weil seine Stammkunden vor allem ältere, durch das Virus besonders gefährdete Menschen sind, steuert Gauchel, der auch im Vorstand der Bonner Taxi-Vereinigung ist, sofort einen Plexiglasschneider an. "Der hat uns dann für alle Taxen die Scheiben passgenau zugeschnitten. Mitte April waren alle Taxen fertig."

Plexiglasscheibe im Taxi von Martin Gauchel
Direkt nach Ausbruch der Pandemie installiert - die Plexiglasscheibe im Taxi von Martin GauchelBild: Oliuver PIeper/DW

Nur: An der Auftragslage hat das nicht viel geändert. Die Taxifahrer haben zwar den Vorteil, weiterhin fahren zu können, aber weil Restaurants, Kneipen und Hotels geschlossen sind, gibt es schlichtweg kaum noch Kunden.

In Bonn kommt noch erschwerend hinzu, dass der Flughafentransfer als lukrative Einnahmequelle fast vollständig weggebrochen ist. "Weg sind auch die Trinkgelder, die immer einen signifikanten Teil des monatlichen Einkommens ausmachen", sagt Gauchel.

Für viele Taxifahrer geht es durch die Corona-Krise ans Eingemachte

2000 Euro Soforthilfe im vergangenen Jahr ist das einzige, was er als Ausgleichszahlung vom Staat bekommen hat. Gauchel hat von vielen Studenten gehört, die als erste gekündigt wurden. Und von Kollegen, die hingeschmissen haben. "Die räumen jetzt Regale ein, weil sie irgendwie ihre Familie ernähren müssen. Und andere haben ihre Altersvorsorge angegriffen, um über die Runden zu kommen."

Martin Gauchel, Taxifahrer in Bonn
"Dienstreisen werden in Zukunft mit Sicherheit wiederkommen, aber nicht mehr so wie früher" - Martin GauchelBild: Oliuver PIeper/DW

Martin Gauchel hatte schon vor der Krise etwas zurückgelegt, er wird nicht aufhören. Auch wenn er weiß, dass das Taxifahren nie mehr wird, wie es einmal war. Aber es sind diese kleinen Erlebnisse, die ihm Mut geben, weiterzumachen. "Ich habe neulich eine ältere Dame zum Tierarzt gefahren, die ihre geliebte Katze einschläfern musste. Und nächste Woche fahren wir ins Tierheim und holen eine neue", sagt der Taxifahrer mit einem Lachen.

12.000 Taxiunternehmen Ende des Jahres vielleicht nicht mehr da

Wer mit Michael Oppermann spricht, hört von vielen ähnlichen Schicksalen in der Taxibranche. Er ist Geschäftsführer des Bundesverbandes Taxi und Mietwagen e.V. und damit Sprecher einer Branche, bei der es wegen der Corona-Krise um nichts anderes geht als die nackte Existenz.

Michael Oppermann Bundesverband Taxi und Mietwagen
"Es ist wie bei der Feuerwehr - Du hältst Dich bereit, aber wirst nie gebraucht. Das ist frustrierend" - Michael OppermannBild: Privat

"Nicht einmal die Ölkrise in den 1980er Jahren hatte so dramatischen Konsequenzen", sagt er, "die Umsätze sind im Lockdown um 80 Prozent zurückgegangen. Von den 36.000 Taxi-Unternehmen wird ein Drittel das Ende des Jahres nicht überleben."

Oppermann kann von Unternehmen mit mehreren Wagen erzählen, die schon jetzt den Betrieb ganz eingestellt haben. Von Fahrern, die eine komplette Acht-Stunden-Schicht stehen und keinen einzigen Auftrag bekommen – und deshalb aus lauter Verzweiflung sogar 14 Stunden arbeiten. Und von dem wachsenden Frust unter den Beschäftigten, die sich von der Politik im Stich gelassen fühlen.

Taxifahrer vermissen Unterstützung durch die Politik

"Die Hilfsprogramme der Regierung passten nicht so richtig zu den Taxiunternehmern, wir saßen zwischen allen Stühlen", sagt Oppermann, "und während die Taxifahrer quasi leer ausgehen und sich die Reifen auf den Plätzen und Straßen platt stehen, sehen sie gleichzeitig, dass die Lufthansa Milliarden Euro Unterstützung bekommt."

Die lange Geschichte der Taxifahrt in Deutschland auf einem Bild - Poster in der Bonner Zentrale
Die lange Geschichte der Taxifahrt in Deutschland auf einem Bild - Poster in der Bonner ZentraleBild: Oliuver PIeper/DW

Die größten Verlierer in der Corona-Krise seien vor allem die Taxi-Unternehmen in den Großstädten, berichtet Oppermann. Großveranstaltungen, Tourismus, Flughafentransfer – alles weg. Die Solo-Selbständigen mit eigenem Fahrzeug versuchten sich irgendwie durchzuwurschteln. "Aber auch auf dem Land haben viele ältere Unternehmer ihren Job an den Nagel gehängt, weil sie sagen: 'Das tue ich mir nicht mehr an!'"

Föderalismus bremst aus

Kleiner Hoffnungsschimmer sind jetzt die "Impffahrten", der Transport von Impfberechtigten zu den Impfzentren. Dort steigt allerdings der deutsche Föderalismus mit in den Wagen. "Da haben wir landesweite Lösungen wie in Hessen und dann aber auch Städte, wo unterschiedliche Regeln gelten", sagt Michael Oppermann, "der eine bekommt seine 'Impffahrt' umsonst, der zweite bekommt keinen Rabatt, der dritte muss einen Selbstbehalt bezahlen. Und diese Verwirrung schadet auch uns."

Und dann ist da ja auch noch der große Konkurrent Uber, der in aller Ruhe zuschauen kann, wie ein Taxiunternehmen nach dem anderen von Markt verschwindet. "Die haben natürlich das Kapital, das wir nicht haben und werden etwas leichter durch die Krise kommen", so Oppermann.

Der Bundesgeschäftsführer des Taxiverbands stellt sich selbst die Frage, die viele der noch 250.000 Fahrer von Taxi und Mietwagen umtreibt: "Werden die Menschen in Zukunft weniger Konferenzen besuchen und weniger reisen? Wie sieht die Mobilität der Zukunft nach der Krise aus?" Eines steht fest: Es wird auch nach der Corona-Krise nicht leicht für die Taxibranche.