Historische Chancen auf dem Westbalkan
19. September 2018Als Mazedonien seinen EU-Beitrittsantrag gestellt hat war Heiko Maas gerade 35 Jahre alt, beim albanischen Antrag war er 43. An seinem 52. Geburtstag nun ist der deutsche Außenminister in beiden Ländern zu Besuch - und es ist Schwung in die EU-Annäherung gekommen. Deshalb spricht Heiko Maas von einer „historischen Chance". Für beide Länder entscheidet sich im Juni 2019, ob über den Beitritt zur EU verhandelt wird.
Heiko Maas besucht die zwei Balkan-Staaten, um die Regierungen für ihre Anstrengungen der letzten Jahre zu loben und Unterstützung für den weiteren Weg zu versprechen. Am Besuchsprogramm erkennt man aber die unterschiedliche Lage in beiden Ländern. Während der deutsche Außenminister in Mazedonien mit seinem Amtskollegen Dimitrov durch die Altstadt von Skopje schlendert, geht es in Albanien vor allem um den Kampf gegen Kriminalität und Korruption.
Referendum als Hürde
In Mazedonien macht Maas Werbung für ein enorm wichtiges Referendum. Denn ein Grund, weshalb Mazedoniens Weg in Richtung EU seit Jahren in der Sackgasse endet, könnte bald ausgeräumt sein. Seit Jahren streitet Mazedonien mit Griechenland über den Landes-Namen Mazedonien und seit Jahren blockiert Griechenland deshalb die Annäherung an EU und NATO. Nun liegt ein Kompromiss auf dem Tisch und die Mazedonier müssen nur noch zustimmen.
So spricht Heiko Maas bei einer Veranstaltung mit Mazedoniern von der "ausgestreckten Hand", die Europa dem kleinen Balkanstaat hinhält: "Eigentlich müssten sie nur noch zugreifen", sagt Maas. Am 30.9. haben die Mazedonier beim Namens-Referendum zum ersten Mal Gelegenheit dazu. Doch die Sorge ist groß, dass sich nicht genug Mazedonier beteiligen. Deshalb vergeht in Skopje kaum ein Tag ohne internationale Besucher. Vor Maas war am Abend US-Verteidigungsminister Mattis da.
EU will Fortschritte sehen
Werbung für das Referendum ist alles in diesen Tagen, weswegen Heiko Maas und Nikola Dimitrov gar nicht aufhören zu Schwärmen von den gemeinsamen Möglichkeiten: Europa wird stärker und stabiler mit Mazedonien sagt Maas. "In der EU hat man viele Freunde und Unterstützer". Dimitrov verspricht seinen Bürgern Wohlstand - aber auch "Ordnung und Normalität."
Dass es an "Ordnung und Normalität" momentan noch mangelt, gefährdet die Chance auf einen EU-Beitritt noch. Die EU will weiter Fortschritte sehen beim Kampf gegen Korruption und Kriminalität. Deshalb spricht auch Heiko Maas in Mazedonien von "festen Kriterien" und davon, dass Mazedonien "so hart arbeiten muss wie beim Namensstreit" – einen Automatismus aber gibt es nicht, so die Botschaft.
Jungbrunnen der EU?
Es ist diese Botschaft, die Deutschlands Außenminister auch nach Albanien mitbringt. Weitere Reformschritte im Bereich Rechtsstaat und Justiz sind nötig, so Heiko Maas – auch damit jene in der EU überzeugt werden, "die vielleicht noch Bedenken hegen". Bedenken gibt es etwa in Frankreich und den Niederlanden aber auch im Deutschen Bundestag. Trotzdem spürt Außenminister Bushati nach wie vor viel deutsche Unterstützung und hat sogar Verständnis für die Skepsis.
Für Bushati geht es deshalb darum, Vertrauen aufzubauen und das "Image" der Staaten auf dem westlichen Balkan insgesamt aufzubessern. In Albanien versuchen sie das unter anderem durch die sogenannte Vetting-Kommission. Hier werden Richter und Staatsanwälte auf Korruption überprüft – für Heiko Maas ein Projekt, das Maßstäbe setzt – "über die Region hinaus". Auch deshalb lobt er die Reformleistungen Albaniens und spricht auch hier von einer "historischen Chance".
Chancen sieht der SPD-Politiker Maas aber nicht nur für Albanien und Mazedonien sondern auch für Europa. Eine Art Jungbrunnen könnten die beiden Länder sein, mit ihrer EU-Begeisterung für Dynamik sorgen. Vielleicht beginnen die EU-Verhandlungen noch vor Maas‘ 53. Geburtstag. Zum 52. wünscht Bushati dem deutschen Minister "alles, alles Gute und viel Erfolg." Das wünscht Maas Mazedonien und Albanien auch – eine historische Chance.