Hitler und "sein Volkswagen"
26. Mai 2018Zwei Männer, ein Großprojekt: Adolf Hitler und Ferdinand Porsche sind die Macher des VW Käfers. Porsche ist der geniale Konstrukteur, Hitler der politische Geburtshelfer. "Hier fanden sich zwei, die zueinander passten", resümiert der Historiker Wolfram Pyta, Professor für Neuere Geschichte an der Universität Stuttgart.
Gemeinsam mit den Historikerkollegen Nils Havemann und Jutta Braun hat er in dem Buch "Porsche. Vom Konstruktionsbüro zur Weltmarke" die Geschichte des Konzerns nachgezeichnet, der am 25. April 1931 in Stuttgart gegründet wurde.
Fazit: Ohne die Unterstützung Hitlers hätte Porsche das Projekt des Volkswagens nicht zum Abschluss bringen können: "Hitler brauchte einen kreativen Kopf, um einen Kleinwagen zu konstruieren, der als Serienfahrzeug geeignet war", sagt Pyta. "Und Porsche brauchte einen politischen Auftraggeber, der es ihm ermöglichte, nicht unter Kostendruck zu konstruieren."
Motorisierung und Mobilisierung
Bereits auf der Automobilausstellung im Februar 1933, also wenige Wochen nach seiner Ernennung zum Reichskanzler, hatte Hitler die "Volksmotorisierung" angekündigt. Im Sommer 1934 beauftragte der "Reichsverband der Deutschen Automobilindustrie" Porsche, einen "Kraft durch Freude"-Wagen zu konzipieren, benannt nach der gleichnamigen nationalsozialistischen Organisation für Freizeitgestaltung.
Am 29. Dezember 1935 nahm Hitler, der selbst keinen Führerschein besaß, den Prototyp "seines Volkswagens" höchstpersönlich ab. Gut zwei Jahre später wurde am 26. Mai 1938 in Anwesenheit des "Führers" die Grundsteinlegung des VW-Werks in Wolfsburg gefeiert.
Doch der "Kraft durch Freude" - Wagen diente zunächst nicht der "Volksmotorisierung", sondern der Wehrmacht. Er wurde als militärisch nutzbarer und geländegängiger Kübel- und Schwimmwagen an der Front eingesetzt.
Überrascht von dieser militärischen Nebennutzung war allerdings kaum jemand. Denn die Konversion stand von Anfang an fest. In einem Exposé von Porsche aus dem Jahr 1934 heißt es, dass "ein Volkswagen nicht nur als Personenwagen, sondern auch als Lieferwagen und für bestimmte militärische Zwecke geeignet sein muss".
Ein französischer Volkswagen?
Die Erfolgsgeschichte des Kleinwagens für das Volk begann erst nach dem Krieg. Um die NS-Vergangenheit abzuschütteln, wurde er in "Käfer" umbenannt. Bereits im Dezember 1945 - ein halbes Jahr nach Kriegsende - rollte der erste Käfer vom Band. Zehn Jahre später feiert Volkswagen das millionste Exemplar. Der Wagen mit Buckel und Boxermotor avancierte zum Symbol des deutschen Wirtschaftswunders. Als "Beetle" feierte er weltweit Rekordabsätze. Fast 22 Millionen Käfer wurden insgesamt produziert und verkauft.
Seine nationalsozialistische Vergangenheit schüttelte der Käfer bereits in der Nachkriegszeit ab. Ausgerechnet das kommunistisch geführte französische Ministerium für industrielle Produktion nahm im Oktober 1945 Kontakt zu Porsche auf.
"Dass die Abkopplung vom Nationalsozialismus gelungen ist, sieht man nirgendwo deutlicher, als in dem Bemühen der französischen Regierung, den Konstrukteur des Volkswagens für ihre Dienste zu gewinnen", meint Historiker Pyta.
"Grenzenloser Opportunismus"
Die französische Konkurrenz wusste ein deutsches "voiture populaire" allerdings zu verhindern. "Es kam zu einer Intrige der Konkurrenten Renault und Peugeot", erklärt Pyta im Gespräch mit der DW. "Porsche und sein Schwiegersohn Anton Piëch wurden beschuldigt, an Kriegsverbrechen beteiligt gewesen zu sein".
Porsche wurde daraufhin im Dezember 1945 überraschend in den Gewahrsam der französischen Militärbehörden genommen und blieb bis August 1947 in Haft. Den weltweiten Erfolg des Käfers konnte dies nicht aufhalten.
Für den renommierten Zeithistoriker Pyta ist eine Kooperation wie die zwischen Porsche und Hitler gar nicht so außergewöhnlich: Vermeintlich unpolitische Macher seien häufig beeindruckt, wenn autoritäre Herrscher sie mit faszinierenden Großprojekten lockten: "Porsche war nicht der einzige, der sich ohne jede moralische Bedenken in einem grenzenlosen Opportunismus den Machthabern an den Hals warf", sagt Pyta. "Wirtschaftlich Verantwortliche, die allein am Erfolg ihres Unternehmens oder an der Umsetzung ehrgeiziger technischer Projekte interessiert sind, haben gelegentlich keinerlei Bedenken, mit Machthabern zu paktieren."