Der HIV-Selbsttest kommt
20. Juni 2018Die Bewährungsprobe hat der HIV-Selbsttest in einer groß angelegten Studie bestanden. Noch in diesem Jahr soll der Test in Apotheken verkauft werden. Betroffene können dann zuhause und in aller Ruhe herausfinden, ob sie infiziert sind oder nicht. "Der HIV-Selbsttest ist eine einfache und sichere Maßnahme", so Norbert Brockmeyer. Er ist Leiter des Zentrums für sexuelle Gesundheit und Medizin (WIR) in Bochum.
Hohe Dunkelziffer
Schätzungsweise 13.000 Menschen in Deutschland wissen nicht, dass sie HIV-positiv sind. Damit riskieren sie nicht nur die eigene Gesundheit. Sie gefährden auch andere, die sich bei sexuellen Kontakten infizieren könnten. Wer behandelt wird, lebt besser und länger - so lange wie nicht HIV-Infizierte. Noch immer aber scheuen sich viele, einen HIV-Test bei einem Arzt oder einem Check-Point durchzuführen, meistens aus Scham oder aus Angst davor, das Ergebnis könnte positiv sein.
Ein Zweittest ist ein Muss
Der HIV-Selbsttest sei genauso zuverlässig wie der Test bei einem Arzt oder in einem Krankenhaus, so Brockmeyer. "Insgesamt sind die Auswertungen sehr sicher. Genau wie bei anderen Tests kann es aber auch hier zu einem falsch-positiven Ergebnis kommen. Jeder Test hat eine gewisse Fehlerquote. Das heißt: Es ist nicht hundertprozentig sicher, dass jemand mit einem positiven Ergebnis auch tatsächlich HIV-positiv ist."
Deshalb müsse immer ein Zweittest mit einem anderen System durchgeführt, sagt Brockmeyer. Das sollte dann möglichst bei einem Arzt, dem Gesundheitsamt oder bei der AIDS-Hilfe gemacht werden.
Menschen, die immer wieder Geschlechtsverkehr mit einem hohen Infektionsrisiko haben, sollten sich immer wieder testen lassen oder sich schon bald selbst testen. "Es ist aber wichtig zu wissen, dass man nicht einen Tag nach dem Geschlechtsverkehr einen HIV-Test machen kann und direkt das Ergebnis hat und glaubt, wenn das negativ ist, dann ist alles gut", gibt Brockmeyer zu Bedenken. Also: etwa sechs Wochen Geduld. Alles in allem aber sieht der Experte für sexuelle Gesundheit die Zulassung zum HIV-Selbsttest als einen einen Meilenstein an.
Das 90-90-90-Ziel
Um die Infektion mit HIV weiter zu reduzieren, hat sich die WHO bis 2020 verschiedene Ziele gesetzt: 90 Prozent der HIV-Positiven sollten von ihrer Infektion wissen. "Das haben wir in Deutschland noch nicht ganz erreicht, sind aber auf einem guten Weg", so Brockmeyer. 90 Prozent aller Menschen, die wissen, dass sie infiziert sind, sollten behandelt werden. "Wir sind knapp davor, diesen Wert zu erreichen."
90 Prozent der Menschen, die von der Infektion wissen, sollten sich einer Behandlung unterziehen und möglichst unter die Virus-Nachweisgrenze kommen. Das bedeutet, dass die Viruslast im Körper so gering ist, dass sie nicht mehr nachgewiesen werden kann und diese Personen nicht mehr infektiös sind. "Da liegen wir in Deutschland über den 90 Prozent. Wir sind bei etwa 93 bis 94 Prozent, die behandelt werden. In unserem Zentrum für sexuelle Gesundheit und Medizin sind es sogar 97 Prozent. Das haben wir schon mal erreicht", so Brockmeyer. Er hält den Selbsttest für eine gute Möglichkeit, diesen Zielen näherzukommen.
Bewusstsein schaffen
"Es wird viele geben, die nach einem positiven Selbsttest zum Arzt gehen und sich behandeln lassen. Wir können nur gewinnen. Ich glaube, durch die Diskussion um diesen Test können wir bei den Menschen eine größere Sensibilität erreichen. Es ist eine Chance, die HIV-Infektionsrate zu senken. Wir erreichen Menschen, die HIV-infiziert sind und die wir dann eben entsprechend behandeln können. Wir haben mittlerweile hervorragende antiretrovirale Behandlugnsmöglichkeiten", erklärt Brockmeyer. Das solle jeder Frau und jedem Mann Ansporn sein, sich testen zu lassen. Sein Appell: "Lass Dich testen, lebe besser, lebe länger."