Zwischen Bosporus und Spree
28. April 2014Obwohl der Lehrbetrieb der Türkisch-Deutschen Universität (TDU) in Istanbul bereits seit einem Semester läuft, befindet sich die TDU noch in der Aufbauphase. Zum Wintersemester 2013/2014 ist die TDU offiziell gestartet, nach siebenjähriger Planungszeit. Feierlich eröffnete Bundespräsident Joachim Gauck am Dienstag (29.04.2014) gemeinsam mit dem türkischen Präsidenten Abdullah Gül die Uni. An der Eröffnungszeremonie nahmen auch Bildungsministerin Johanna Wanka (CDU) und Dorothea Rüland, Generalsekretärin des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD), teil. Die Feier stand auch im Rahmen des diesjährigen Deutsch-Türkischen Wissenschaftsjahres.
Ziel der Universität ist der Ausbau der langjährigen Kooperation im Bereich Hochschule und Wissenschaft beider Länder. Seit vergangenem Herbst studieren 123 Studentinnen und Studenten an der Universität. Geplant ist eine Kapazität von rund 5000 Studenten. Die meisten von ihnen sind türkische Studenten, es gibt aber auch ein Kontingent für Ausländer. Bisher gibt es drei Bachelor-Studiengänge und drei Masterstudiengänge. Der Schwerpunkt liegt auf Ingenieur- und Naturwissenschaften.
"Neue Studierende werden erst im September dazukommen und gleichzeitig auch zwei neue Studiengänge: Wirtschaftsingenieurwesen sowie Politik- und Verwaltungswissenschaften", sagt Izzet Furgac, Koordinator der TDU. Im September würde sich dann auch die Studentenzahl verdoppeln, so der Koordinator gegenüber der Deutschen Welle.
Eröffnung genau zur richtigen Zeit
"Gerade deswegen ist der Zeitpunkt der Eröffnung durch Bundespräsident Gauck und Präsident Gül genau richtig", sagt der Hochschulprofessor. In der Türkei laufe momentan das zentrale Aufnahmeprüfungsverfahren für die Hochschulen, das bis zum Sommer dauere, so Furgac. "Die Abiturienten müssen sich also demnächst für eine Universität entscheiden. Es ist deswegen gerade jetzt sehr wichtig, dass die Uni in der Türkei bekannt und populär gemacht wird". Außerdem zeige die offizielle Eröffnung, wie wichtig sowohl die deutsche als auch die türkische Seite dieses Projekt nehme, sagt er.
"Noch" ein Provisorium
Das Universitätsgelände befindet sich auf der asiatischen Seite Istanbuls, im Stadtteil Beykoz, umgeben von grünen Waldflächen. Viele Studenten brauchen fast zwei Stunden zur Universität, da sie sehr abgelegen liegt. Das Gebäude ist noch ein Provisorium, doch der Bau des eigentlichen Gebäudes ist schon in Planung. "Der Bau ist im Ausschreibungsverfahren. Sobald das Verfahren abgelaufen, ist hoffen wir, dass wir im August dieses Jahres mit dem Bau beginnen können", sagt Furgac. Ziel sei es, zum Wintersemester 2016/2017 die ersten Neubauten fertig zu haben, so der Professor.
Die Finanzierung der staatlichen TDU teilen sich Deutschland und die Türkei. Von der deutschen Seite läuft sie über den DAAD, aber einen Großteil der Kosten übernimmt die Türkei. Die akademische Verantwortung für die Lehrinhalte der Studiengänge trägt ein Konsortium aus 29 deutschen Partnerhochschulen unter der Leitung des DAAD.
Bilingual am Unterricht teilnehmen
Wer an der Universität studieren will, muss eine Deutschprüfung als Einstufungstest bestehen. Wer das nicht schafft, kann einen einjährigen Vorbereitungskurs machen, in dem man fachspezifisch Deutsch lernen kann. Dass sich die Uni noch in der Aufbauphase befindet, merkt man vor allem an den Vorlesungen. Die Kurse haben im Vergleich zu anderen Hochschulen noch wenige Teilnehmer. Die Studentin Sinem Mollaoglu studiert seit vergangenem Herbst Betriebswirtschaftslehre an der TDU. In ihrer Vorlesung sitzen nur noch fünf weitere Studenten. Mollaoglu ist in Hamburg geboren und aufgewachsen, seit über zwei Jahren lebt sie in Istanbul. Ihr Abitur hat sie am deutschen Gymnasium in Istanbul absolviert.
"Ich habe mich für die TDU entschieden, weil sie zwei Kulturen miteinander verbindet. Es hat mich gereizt, meine beiden Muttersprachen sinnvoll einzusetzen und hier bilingual am Unterricht teilzunehmen", begründet die Deutsch-Türkin ihre Hochschulwahl. Die 19-Jährige wolle keine der Sprachen verlernen, sagt sie. "Außerdem will ich in Zukunft in einer deutschen Firma in der Türkei arbeiten. Dafür brauche ich die Fachsprache beider Länder", sagt sie. Man merke jedoch schon, dass alles noch sehr neu sei. "Wir sind die ersten Studierenden und daher mit verschiedenen Problemen konfrontiert. Es fehlen uns beispielsweise Arbeits- und Theatergruppen. Das normale Studentenleben ist einfach noch nicht so vorhanden", bemängelt Mollaoglu. Aber sie werden immer gefragt, ob sie Anregungen und Wünsche haben, sagt die neue Studentin: "Wir stehen im Vordergrund".
Die Universität ist "flexibel"
Die Studierenden seien sehr motiviert, findet Wolfgang Wessels, Professor des Masterstudiengangs Europäische und Internationale Beziehungen an der TDU. "Diejenigen, die hier studieren, haben sich bewusst für diese Universität entschieden. Man sieht zwar, dass der Weg noch gefunden werden muss, aber das hat auch seine Vorteile, man kann seine eigenen Vorstellungen mit einbringen", sagt der deutsche Professor. Es sei keine große und starr strukturierte Universität wie man sie aus Deutschland oft kenne, sondern "recht flexibel", sagt er. Wessels teilt sich die Vorlesung mit einem türkischen Kollegen. Dies sei für die Studenten sehr interessant, weil man unterschiedliche Schwerpunkte im Unterricht setze. "Das hilft zum Verständnis beider Länder", sagt der 66-Jährige.
Auch Rektor Halil Akkanat betont, dass die Erfahrungen beider Länder im Unterricht vereint werden müssen. "Das ist der Sinn der Universität. Wir wollen gute Beziehungen zwischen den Ländern. Nicht nur durch einen Namen oder eine Institution", sagt der Direktor. Bereits zur Zeit des Osmanischen Reiches habe es die Idee solch einer Universität gegeben, so Akkanat. "Doch erst jetzt haben wir sie realisiert. Diese Universität ist der wichtigste Impuls für beide Länder. Das Zentrum der wissenschaftlichen Beziehungen sollte diese Universität sein".