Notwendige Seelenmassage
10. Mai 2003Mit Wachstumsraten von mindestens drei Prozent gelten Malaysia, Singapur, Indonesien und Vietnam angesichts der weltweiten Wirtschaftsflaute international als Musterknaben. Dennoch stecken die Besuchsziele von Bundeskanzler Gerhard Schröder und seiner Delegation seit Beginn der asiatischen Wirtschaftskrise 1997 in Schwierigkeiten. Denn die Zeiten, in denen die Wirtschaft in der Region regelrecht brummte, sind vorerst vorbei.
Der Grund für die Malaise der Region trotz Wachstumsraten, von denen man in Europa nur träumen kann, ist einfach: Denn um überhaupt Fortschritte zu machen, braucht die Region nach Auffassung von Experten ein Wirtschaftswachstum von mindestens fünf bis sechs Prozent über Jahre hinweg. Im Westen achte man immer nur auf die Wachstumszahlen, betont Rüdiger Machetzki vom Institut für Asien-Kunde in Hamburg. Dies verschleiere aber die wahren Verhältnisse der Region. Dort herrsche Untergangsstimmung, wenn die Länder auf eine Wachstumsrate von fünf Prozent absänken. Denn aufgrund der Bevölkerungsentwicklung müsse allein Indonesien jährlich 2,5 Millionen neue Erwerbstätige in Arbeit bringen.
Verschwundener Optimismus
Und nicht nur die Wirtschaftslage, auch die Stimmung der Menschen hat sich in den vergangenen Jahren drastisch verändert. Der völlig unbekümmerte Fortschrittsoptimismus, der die Region bis vor kurzem prägte, sei verschwunden, konstatiert Machetzki. Galt früher das Motto, "Es geht immer weiter aufwärts", sei man sich nun bewusst, wie labil die politischen und wirtschaftlichen Strukturen immer noch seien. Gerade wegen der gedrückten Stimmung in Südostasien sei der deutsche Besuch hoch willkommen. "Die Reise ist als Seelenmassage für die Region sehr wichtig", erläutert Machetzki.
Der Wettbewerbsvorteil, den die südostasiatischen Staaten noch vor wenigen Jahren hatten, ist längst Geschichte. Stattdessen geraten die Länder vor allem durch China, aber auch durch Mexiko, international immer stärker unter Druck und verlieren Anteile am Weltmarkt. Eigentlich, betont Asien-Experte Machetzki, müssten die Unternehmen der Region ihre größtenteils inzwischen veralteten Maschinenparks durch neue Maschinen ersetzen, um dem harten Wettbewerb standzuhalten. Aber dafür fehle das Geld. Die südostasiatischen Staaten lebten momentan von der Substanz. "Deswegen ist es gut, wenn man hinfährt und ihnen sagt, 'lasst den Kopf nicht hängen, wir unterstützen euch'", so Machetzki.
Signal an islamische Länder
Obwohl die Wirtschaftsbeziehungen den Schwerpunkt der Reise bilden, soll auch über die Bekämpfung des Terrorismus und die Folgen des Irak-Kriegs gesprochen werden. Konkrete Absprachen oder Verträge, außer der Bekräftigung zur Zusammenarbeit im Kampf gegen den Terrorismus, sind jedoch nicht zu erwarten. In diesen Fragen spielten die USA die Hauptrolle und Deutschlands praktischer Einfluss sei relativ gering, betonen die Experten. "Dennoch könnte der Besuch zumindest ein Signal an islamisch geprägte Länder wie Indonesien sein, dass man ihre Schwierigkeiten mit den USA wegen der Ablehnung des Irak-Kriegs versteht", betont Bernhard Dahm von der Universität Passau.
Außer Signalen und Stimmungsverbesserung stehen aber auch konkrete Projekte auf der Agenda der deutschen Delegation. So ist einer der zentralen Termine in Malaysia die Eröffnung eines Siemens-Kompetenzzentrums in Kuala Lumpur. In Indonesien erhoffen sich deutsche Firmen Chancen beim demnächst anstehenden Ausbau der regionalen Wasserversorgung. Und im Gegenzug, erläutert Südostasien-Experte Dahm, könnte sich das stark verschuldete Land deutsche Unterstützung bei der Lösung der Schuldenfrage versprechen.