Versuch eines Dialogs
27. September 2006Die deutsche Islamkonferenz ist der erste Versuch, einen direkten Dialog zwischen Vertretern der Muslime und dem deutschen Staat ins Leben zu rufen. Ein Grund dafür, dass dieser Schritt bislang nicht unternommen wurde, liege darin, dass die Muslime in Deutschland keine übergeordnete Vertretung wie die christlichen Kirchen haben, sagt Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble. "Trotzdem: Wir haben rund drei Millionen Muslime in Deutschland - Tendenz steigend. Wir brauchen daher auch Beziehungen zwischen dem Staat, vertreten durch die Regierung, und der Religionsgemeinschaft der Muslime."
Teilnehmer der Konferenz sind Vertreter der fünf größten muslimischen Verbände, darunter die vom türkischen Staat kontrollierte Türkisch-Islamische Union (DITIB), der Islamrat und der Zentralrat der Muslime in Deutschland. Aber nur etwa 15 Prozent der Muslime in Deutschland sind in Verbänden organisiert. Weitere zehn Muslime, die vom Innenministerium als Vertreter eines modernen, säkularen Islams gesehen werden, wurden zusätzlich eingeladen, darunter die Frauenrechtlerin Seyran Ates und die türkischstämmige Islam-Kritikerin Necla Kelek. Mit ihnen am runden Tisch sitzen auch fünfzehn Vertreter des Bundes, der Länder und der Kommunen.
Der Islam als Teil Deutschlands
"Wir müssen miteinander darüber reden, was es heißt, dass der Islam auch Teil Deutschlands geworden ist, was das für die Muslime bedeutet", sagt Schäuble. "Es bedeutet nämlich, die Werteordnung dieser Bundesrepublik Deutschland zu akzeptieren: die Gleichberechtigung von Frauen und Männern, die Trennung von Religion und staatlicher Ordnung, also nicht die Scharia zum Leitbild gesetzlicher Ordnung machen zu wollen."
Die Ziele des Bundesinnenministers sind hoch gesteckt. Über zwei Jahre diskutieren die Teilnehmer in Arbeitsgruppen das Verhältnis der Muslime zur deutschen Verfassung und die Beziehung zwischen Religion und Staat - und wie diese Trennung mit islamischen Werten zu vereinbaren ist. Themen wie deutschsprachiger Islamunterricht an öffentlichen Schulen und die dafür notwendigen Lehrpläne sowie die staatliche Ausbildung von Imamen stehen ebenfalls auf der Tagesordnung. Ziel sei es aber nicht, die Muslime in Deutschland zu belehren, sondern einen Konsens zu erreichen, heißt es aus dem Ministerium.
Vorurteile auf beiden Seiten
Der Dialog soll auch dabei helfen, gegenseitige Vorurteile etwa in türkischen und deutschen Medien abzubauen und die wachsenden Defizite von jungen Muslimen in der Schule und auf dem Arbeitsmarkt zu beheben, sagt Innenminister Wolfgang Schäuble. "Und umgekehrt sollen diese Islamkonferenz und die ganzen öffentlichen Debatten auch dazu beitragen, dass auch für den nichtmuslimischen Teil unserer Bevölkerung klar wird: Muslime sind Teil unseres Lebens, gehören zu unserem Volk, gehören zu unserem Land, sie sind erwünscht, sie sind akzeptiert - aber sie halten sich auch an die Regeln. Das ist ein Prozess der Gegenseitigkeit."
Ein weiteres Ziel der Konferenz ist, der Ausbreitung von Extremismus und gewalttätigem Islamismus vorzubeugen. Der Generalsekretär des Zentralrates der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, bekräftigte seine hohe Erwartungen an den Gipfel, warnte aber zugleich davor, das Thema "Sicherheit und Islamismus" zu sehr in den Mittelpunkt zu stellen. Die Konferenz dürfe nicht zum "Sicherheitsgipfel" mutieren, sagte er. - Nach der Auftaktsitzung werden sich die Mitglieder halbjährlich treffen, um die Ergebnisse ihrer Beratungen auszuwerten.