Holocaustüberlebende Trude Simonsohn ist tot
6. Januar 2022Trude Simonsohn war eine "bemerkenswerte, herausragende Frau", so Salomon Korn, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde in Frankfurt. Er gab am Donnerstag (06.01.2022) den Tod der 100-jährigen Holocaustüberlebenden bekannt. Jahrzehntelang hatte Simonsohn in der Öffentlichkeit Zeugnis über die Verbrechen der Nazis abgelegt. "Durch ihr unermüdliches Engagement, insbesondere jungen Menschen in Schulen vom Erlebten zu berichten, wirkte sie für eine friedlichere Gesellschaft", fügte Korn hinzu.
Zur Welt kam Trude Simonsohn, geborene Gutmann, 1921 in Olomouc (Olmütz) in der damaligen Tschechoslowakei (im heutigen Tschechien). Sie war das einzige Kind deutsch-tschechischer und politisch fortschrittlicher Eltern. Nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht und der Annexion ihrer Heimat als Protektorat Böhmen-Mähren wurde ihr Vater im September 1939 verhaftet und später im Konzentrationslager Dachau ermordet.
Aktiv im tschechoslowakischen Widerstand
Trude Gutmann ging in den Untergrund. Im Sommer 1942, nach dem tödlichen Attentat auf den stellvertretenden Reichsprotektor Reinhard Heydrich durch tschechoslowakische Widerstandskämpfer, übte das Naziregime Rache an der tschechischen Zivilbevölkerung. Das traf auch Trude Simonsohn: Sie wurde des Verrats und illegaler kommunistischer Aktivitäten schuldig gesprochen und im November, ebenso wie ihre Mutter, ins Konzentrationslager Theresienstadt deportiert. Dort lernte sie Berthold Simonsohn kennen. Die beiden heirateten, noch bevor sie nach Ausschwitz deportiert wurden. Trudes Mutter wurde dort ermordet, sie selbst und ihr Mann überlebten.
Sozialarbeiterin und Zeitzeugin
Nach dem Krieg emigrierte das Paar in die Schweiz und arbeiteten dort für eine Hilfsorganisation für geflüchtete Jüdinnen und Juden. Simonsohn ließ sich zur Krankenschwester und Sozialarbeiterin ausbilden und kümmerte sich um traumatisierte und kranke jüdische Waisen, deren Eltern von den Deutschen im Dritten Reich ermordet worden waren.
Im Jahr 1950 kehrten die Simonsohns nach Deutschland zurück: erst nach Hamburg, dann nach Frankfurt, wo sich Trude Simonsohn stark in der jüdischen Gemeinde engagierte. Von 1989 bis 2001 war sie deren Vorsitzende. In den 1970er-Jahren begann sie, an deutschen Schulen als Zeitzeugin von ihren Erfahrungen in den deutschen Konzentrationslagern zu berichten.
Simonsohn wurde mit zahlreichen Preisen ausgestattet, darunter der Ignatz-Bubis-Preis der Stadt Frankfurt. Die große Humanistin und Wohltäterin ist im Alter von 100 Jahren verstorben. Kulturstaatsministerin Claudia Roth von den Grünen erklärte, Simonsohn werde "schmerzlich fehlen". Sie habe den nachfolgenden Generationen durch beeindruckende Zeitzeugenarbeit "die Annäherung an das Unfassbare ermöglicht" und bei jungen Menschen für Wachsamkeit und Verantwortungsbewusstsein geworben.
cl/suc (mit AFP, dpa)