Lukratives Geschäft mit fatalen Folgen
24. Dezember 2017Mühsam schichten die jungen Männer die Holzscheite aufeinander. "Manchmal sind wir Wochen im Busch, bis wir genügend Holz zusammen haben", erzählt ihr Anführer Domingo Philip im DW-Gespräch. Anschließend bedecken sie den rund zwei Meter hohen Haufen mit Erde und zünden ihn an. Elf Tage muss das Holz vor sich hin schwelen, bevor Domingo Philip und seine Männer die fertige Holzkohle verkaufen können.
Das Holz schlagen sie im Edumanom-Staatsforst. Der 9.000 Hektar große Tropenwald erstreckt sich entlang des Niger-Deltas im Süden Nigerias. Hier leben die letzten Schimpansen Nigerias. Doch das Idyll ist bedroht - nicht nur durch die Ölindustrie, sondern auch durch Köhler wie Philip. Es ist nicht die einzige Belastung für das fragile Ökoystem der Gegend: Durch das Schwelen entstehen Gase, die nicht nur für die Köhler schädlich sind, sondern das Grundwasser vergiften und die Erdreich unfruchtbar machen. Außerdem ist der Kohlendioxid-Ausstoß enorm.
Doch Philip und seine Männer leben von der Kohleproduktion. Den Ertrag verkaufen sie an private Haushalte, Bäckereien oder Händler in den Großstädten. Für einen 50-Kilo-Sack bekommen sie rund drei Euro. Für die Händler in den Großstädten ist das Geschäft mit der Kohle aber viel lukrativer. Sie verpacken die Kohle in Papiertüten und verkaufen sie weiter nach Europa und Asien. "Ich habe einen arabischen Kunden, der siebt die Ware regelrecht aus", sagt Abubakar Usman, ein lokaler Kohleproduzent aus der Stadt Bauchi. "Die Kohle mit der besten Qualität exportiert er und was übrig bleibt, verkauft er innerhalb Nigerias."
Bratwürste mit Beigeschmack
Nigeria zählt zu den größten Exporteuren von Holzkohle weltweit. Nach Angaben des UN-Umweltprogramms hat das westafrikanische Land 2007 80.000 Tonnen Kohle für rund 25 Millionen Euro exportiert. Einer der Hauptabnehmer ist Deutschland - mit 250.000 Tonnen pro Jahr ist es Europameister im Holzkohleimport. Aber die wenigsten Deutschen wissen, dass sie ihre Bratwürste auf einem Stückchen Regenwald grillen. 34 Prozent der importierten Kohle stammt laut der Umweltschutzorganisation tft aus Polen, jeweils 15 Prozent aus den tropischen Regenwäldern Nigerias und Paraguays. Doch auch in den Säcken aus Polen finden sich Tropenholz. Denn auch Polen importiert tonnenweise Kohle aus den Regenwäldern dieser Welt, verpackt sie neu und verkauft die Säcke dann an die Nachbarländer.
Grauzonen und Schlupflöcher in der Europäischen Holzhandelsverordnung machen es möglich. 2013 trat sie in Kraft, um illegale Holz- und Papierprodukte vom europäischen Markt fernzuhalten. Doch während der Import von Tropenholz stark reglementiert ist, taucht Grillkohle gar nicht erst in der Verordnung auf. "Wieso bestimmte Holzprodukte nicht erfasst wurden, ist leider ein Rätsel", sagt Johannes Zahnen von der Naturschutzorganisation WWF im DW-Interview. "Es gibt viele Produkte, bei denen es den Händlern überlassen ist, Sorge zu tragen, dass die Produkte legal sind."
20 dieser Produkte haben Zahnen und seine Kollegen untersucht. Verkauft werden sie von Tankstellen, Discountern oder Baumärkten in Deutschland. Das Ergebnis: Auf 80 Prozent der untersuchten Säcke standen falsche Angaben über Holzart oder Herkunft. In einigen Säcken fanden die Umweltschützer sogar Holz von bedrohten Baumarten, die auf der Roten Liste stehen. "Hier wird mit unsauberen Marketingstrategien gearbeitet, oder gezielt gelogen", sagt Zahnen. Einer der untersuchten Säcke warb mit der Aufschrift 'kein Tropenholz', der Inhalt bestand aber ausschließlich aus Tropenholz. "Der Verbraucher wird momentan im Regen stehen gelassen und hat kaum Chancen, dagegen etwas zu tun", meint der WWF-Experte.
Bauern zerstören ihre eigenen Lebensgrundlagen
Nach Angaben der Vereinten Nationen wird mehr als die Hälfte der weltweit gefällten Bäume zu Brennholz oder Holzkohle verarbeitet. Dreiviertel der Holzkohleproduktion findet in Afrika statt - doch nur ein Bruchteil wird ins Ausland exportiert. Rund 98 Prozent der Kohle verbleibt auf dem Kontinent. Denn während in Europa die Holzkohle nur im Sommer auf den Grill kommt, kochen 80 Prozent der afrikanischen Haushalte täglich damit. Auch in der Stadt Bauchi in Nordnigeria boomt das Geschäft mit Holzkohle. "Wir machen eine Menge Geld. Kerosin ist zur Zeit so teuer, dass die Leute lieber Holzkohle zum Kochen benutzen", so der Kohlehändler Ibrahim. Er habe sich von den Gewinnen aus dem Verkauf ein Haus bauen können. Ein Bewusstsein für Klimawandel und Entwaldung haben die meisten Nigerianer nicht. "Es wird immer Bäume geben. Während manche Bäume gefällt werden, wachsen an einer anderen Stelle wieder neue nach", sagt Rachael John, die geröstete Kochbananen verkauft.
Besonders während der Trockenperioden nutzen lokale Bauern die Kohlenproduktion als Rettungsanker, um ihre Familien zu ernähren. Doch damit tragen sie nicht nur zur globalen Erwärmung bei, sondern zerstören auch ihre eigene Lebensgrundlage. Durch Wüstenbildung und Erosion verliert Nigeria jährlich 350.000 Hektar fruchtbares Land. Die nigerianische Umweltbehörde schlägt Alarm: "Die aktuelle Waldbedeckung Nigerias liegt bei weniger als vier Prozent" so die Behörde in einer offiziellen Erklärung.
Sie hat daher Ende Oktober eine Empfehlung ausgesprochen, den Export von Holzkohle zu verbieten. Johannes Zahnen vom WWF sieht darin nur eine kurzfristige Lösung, um die illegale Produktion auszutrocknen. "Wenn das Holz aus nachhaltig bewirtschafteten Plantagen kommt, kann der Kohleexport für ein Land durchaus lukrativ sein." Auch mit modernen Verarbeitungstechniken lasse sich der Ertrag verfünffachen. Doch das Problem müsse bei den Wurzeln gepackt werden. Zusammen mit einem kongolesischen Partner hat der WWF einen Lehmofen entwickelt, der nur halb so viel Kohle verbraucht, wie eine offene Feuerstelle. "Mit solch einfachen Mechanismen kann man die Nachfrage deutlich reduzieren und somit den Druck auf die Umwelt verringern", sagt Zahnen. Doch ob sich der Ofen durchsetzt, steht auf einem ganz anderen Blatt.
Mitarbeit: Muhammad Bello, Aliyu Muhammad Wazir