Schwierige Hygiene
20. Januar 2015Russell Schweickart urinierte 1969 bei Vorbereitungsflügen zur Mondlandung in der Apollo-9-Kapsel noch in einen am Körper befestigten Plastikbeutel. Ein Kondom-ähnliches Ventil ermöglichte ihm das Wasserlassen in der Schwerelosigkeit. Das Problem: Beim Abziehen des Kondoms gab es regelmäßig Sauereien. Was wohl vor allem daran lag, dass es drei Kondom-Größen gab und die meisten beim ersten Mal zu den größten Aufsätzen gegriffen hätten... "Diesen Fehler macht man aber nur einmal", erzählte Schweickart später nach seiner Rückkehr.
Die Entleerung im All ist heute einfacher geworden. Eine moderne Weltraumtoilette ermöglicht den Astronauten sogar eine kurze, intime Auszeit. Dennoch ist die Hygiene eine der größten alltäglichen Herausforderungen an Bord einer Raumstation. Der Deutsche Reinhold Ewald war auf der Raumstation MIR und ist bei der Körperpflege häufiger an seine Grenzen gestoßen: "Das ist nichts für Hochsensible", sagte er der DW. Um überhaupt auf der Weltraumtoilette Platz zu nehmen, müssen sich die Astronauten erst festschnallen. Heftiger Unterdruck in der Toilette sorgt dann dafür, dass die Astronauten entspannt aufs Klo gehen und der mangelnden Schwerkraft trotzen können. Bei Außeneinsätzen gibt es Windeln.
Aus Urin und Schweiß wird Wasser
Die Wasser-Ressourcen an Board sind arg begrenzt, die Transportkosten hoch. Deshalb wird der Urin aufbereitet und den Astronauten wieder als Wasser vorgesetzt. "Auf der Raumstation wird auch der verdampfende Schweiß und das Duschwasser nochmal benutzt", erklärt Rupert Gerzer, Gesundheitsexperte des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). Die Exkremente wiederum werden eingeschweißt und kommen auf den Müll. Will heißen: In eine Sojus-Kapsel, die, wenn sie voll ist, abgeschossen wird und in der Erdumlaufbahn verglüht.
Die größte hygienische Herausforderung sei allerdings die dauerhafte Feuchtigkeit, sagt Gerzer: "Auf einer Raumstation können Mikroorganismen und Pilze viel schneller wachsen als hier auf der Erde." Deshalb werden regelmäßig Luft- und Wischproben genommen, um die Bildung von Bakterien frühzeitig zu erkennen.
Um Feuchtigkeit an Bord zu vermeiden, kommen die Astronauten auch nicht in den Genuss einer richtigen Dusche. Stattdessen müssen sie sich mit einigen Wassertropfen begnügen, die sie auf dem Körper verreiben oder um sich die Haare waschen. "Das ist eher eine Katzenwäsche", sagt Astronaut Ewald. Sonst pflegen sich die Astronauten meistens mit bereits vorgetränkten, feuchten Handtüchern.
Wäsche waschen unmöglich
Die knappen Ressourcen haben auch Auswirkungen auf die Kleidungsstücke der Astronauten. Zum Wäsche waschen braucht man Wasser, dementsprechend kommen alle Klamotten nach der Benutzung auf den Müll. "So hat man im All seine Unterwäsche auch mal einen Tag länger an, als man es auf der Erde tun würde", schmunzelt Reinhold Ewald.
Hinzu kommt der langsame körperliche Verfall wegen der geringer Bewegung in der Schwerelosigkeit, der Muskelschwund, die geringere Schmierung der Gelenke, das geschwächte Immunsystem. Und Ewald erinnert sich, dass die Regenerationsphase an Bord der Raumstation länger dauerte: "Ich hatte einen Pickel auf der Stirn, und der wollte einfach lange nicht weg."
Wirklich schwere Krankheiten brechen auf einer Raumstation, trotz der erschwerten Hygienemöglichkeiten hingegen eher selten aus: "Das Risiko ist eigentlich geringer als auf der Erde", sagt Gerzer, Leiter des Instituts für Luft- und Raumfahrtmedizin am DLR. "Aber wenn da mal ein Keim kommt, ist es viel schwieriger, darauf zu reagieren."
Wegen der andauernden hygienischen Einschränkungen ist eine warme Dusche dann auch ein Highlight für jeden Astronauten nach seinem Einsatz im All. Für Reinhold Ewald gab es nach seiner Rückkehr von der Raumstation MIR eine warme Badewanne: "Der Kreislauf war zwar noch etwas flatterig, aber das war schon ein großartiges Gefühl."