Hügel mit Aussicht
22. Juli 2014Ein Hügel am Rand des Gazastreifens. Von hier aus kann man Beit Hanoun sehen, die nordöstlichste Stadt des schmalen Küstenstreifens und weiter hinten die Hochhäuser von Beit Lahia. An diesem schwül-heißen Sommertag ist die Gegend in Dunst gehüllt. Trotzdem kann man selbst von hier aus die israelischen Panzer sehen, die am Rand von Beit Hanoun in Wohnhäuser hineinfahren und sie zum Einsturz bringen. Man kann die dumpfen Einschläge der Artillerie hören und natürlich das Dröhnen der unbemannten Flugzeuge hoch im Himmel über Gaza.
Ein Fernsehteam hat sich auf dem Hügel aufgebaut. Ein Journalist des israelischen Kanals i24 berichtet auf Französisch, was sich hier an dieser Stelle gerade zugetragen hat. Mehrere bewaffnete Palästinenser waren durch einen Tunnel gekommen, vermutlich, um in Israel einen Anschlag zu verüben oder Geiseln zu nehmen. Sie wurden jedoch von der Armee gestellt und getötet.
Choffi, ein junger Mann aus Hadera, nördlich von Tel Aviv, hat alles hautnah miterlebt. "Die Patronenhülsen sind bis hierher geflogen. Ich habe das Pfeifen der Kugeln und der Granaten gehört und habe mich auf den Boden geworfen." Er habe Frau und zwei Kinder, sagt der Israeli. Am Vorabend sei er Richtung Gaza gefahren und habe hier auf dem Hügel übernachtet, um die israelische Militäroffensive mit eigenen Augen zu sehen. Er wolle seine Solidarität mit den Bewohnern der israelischen Ortschaften rund um den Gaza-Streifen zeigen, erklärt Choffi. "Hoppla", ruft er plötzlich aus: "Da schießen sie Raketen ab. Das sind Grad-Raketen." Und in der Tat, aus dem dunstigen Gazastreifen fliegen Raketen steil in den Himmel und ziehen einen weißen Schweif hinter sich her. Kurz darauf melden die beiden Küstenstädte Ashkelon und Ashdod Raketenbeschuss.
Beten für die eigenen Leute
Meir und Shmuel kommen aus Ashdod. Warum sind sie hier, auf dem Hügel am Rand des Gazastreifens? Shmuel antwortet bereitwillig. "Ich wollte meine Freude zeigen, dass sie Gaza beschießen, denn auch sie haben uns ungefähr acht Jahre lang beschossen. Ich freue mich, dass man sie jetzt tötet, nicht die Zivilisten, aber die Terroristen."
In Europa, sagt Shmuel, versteht man das hier alles falsch. "Unsere Armee ist sehr moralisch. Sie wirft Flugblätter ab und warnt die Menschen, bevor sie angreift. Welche Armee auf der Welt würde so etwas noch tun?" Shmuel glaubt nicht, dass der Konflikt auch friedlich gelöst werden könnte. Er und sein Freund Meir sind religiös. Sie tragen eine Kopfbedeckung und haben ihre Schläfenlocken hinter die Ohren geklemmt. "Wir beten für unsere Soldaten", sagt Shmuel, "dass sie heil und gesund zurückkommen. Schließlich sind sie auch letztlich nur Zivilisten in Uniform."
Nun mischt sich der ältere Meir in das Gespräch ein. "Wenn jemand dich töten will, musst du ihm zuvorkommen und ihn tötet. Es geht nicht anders. Das da drüben ist ein barbarisches Volk." Die Palästinenser seien nicht bereit, mit den Juden in Frieden zu leben. "Die Araber wollen uns von hier vertreiben. Sie wollen, dass hier keine Juden mehr übrig bleiben."
Journalisten als Patrioten
Inzwischen hat auch der populärste israelische Fernsehkanal Channel Two seine Kamera auf dem Hügel aufgebaut. Yoav Even zieht seine Splitterschutzweste an und beginnt mit seiner Live-Sendung. Seit zwei Wochen, seit Beginn der Offensive, ist er pausenlos im Einsatz. Eigentlich ist Yoav für Gesundheitsthemen zuständig. Aber in Israels Kriegen steht er immer live vor der Kamera. Zuletzt im Jahr 2012 bei der letzten Gaza-Offensive. Und im Libanonkrieg 2008 hat er erst eine Woche lang aus Nordisrael berichtet, dann wurde er als Reservist eingezogen. Er sei zwar Journalist. Zuerst aber sei er israelischer Patriot: "Wir sind zu allererst Israelis. Und wenn ein israelischer Soldat fällt, dann bin ich natürlich traurig. Jeder von uns, der hier lebt, kann das nachvollziehen. Jeder von uns weiß, dass wir hier um unsere Existenz kämpfen."